Gleitmittel für Öltanker
Bio-News vom 23.01.2019
Würde man Schiffsrümpfe mit speziellen HighTech-Materialien beschichten, ließe sich bis zu ein Prozent der weltweiten CO2-Emission vermeiden. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Universität Bonn zusammen mit Kollegen aus St. Augustin und Rostock in einer aktuellen Studie. Demnach könnten die Schiffe aufgrund geringerer Reibung bis zu 20 Prozent an Kraftstoff einsparen. Rechnet man so genannte Antifouling-Effekte hinzu, etwa den verringerten Bewuchs des Rumpfes, ist sogar eine doppelt so hohe Reduktion möglich. Die Studie ist nun in der Zeitschrift „Philosophical Transactions A“ erschienen.
Schiffe zählen weltweit zu den größten Spritschluckern. Zusammen verbrennen sie schätzungsweise 250 Millionen Tonnen pro Jahr und jagen dabei rund eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid in die Luft – etwa genauso viel, wie ganz Deutschland im gleichen Zeitraum ausstößt. Hauptgrund dafür sind die großen Reibungskräfte zwischen Rumpf und Wasser. Sie bremsen das Schiff permanent ab. Je nach Schiffstyp verursachen sie bis zu 90 Prozent des Energieverbrauchs. Damit sind sie auch ein enormer wirtschaftlicher Faktor: Immerhin ist der Treibstoffverbrauch für die Hälfte der Transportkosten verantwortlich.
Die Reibung lässt sich durch technische Tricks deutlich reduzieren. Beispielsweise werden bei der so genannten „Microbubbles-Technik“ aktiv Luftbläschen unter den Rumpf gepumpt. Das Schiff fährt dann über einen Blasen-Teppich, was die Reibung verringert. Doch die Erzeugung der Bläschen verbraucht selbst so viel Energie, dass der Einspareffekt in der Summe sehr gering ist.
Publikation:
J. Busch, W. Barthlott, M. Brede, W. Terlau, M. Mail
Bionics and green technology in maritime shipping: an assessment of the effect of Salvinia air-layer hull coatings for drag and fuel reduction
Phil. Trans. R. Soc. A 377: 20180263
Beschichtungen halten Luft wochenlang fest
Abhilfe versprechen möglicherweise neuartige HighTech-Beschichtungen. Sie sind dazu in der Lage, Luft dauerhaft festzuhalten – über Tage oder sogar Wochen. „Wir konnten bereits vor gut zehn Jahren an einem Prototypen zeigen, dass damit im Prinzip eine Reibungsminderung von bis zu zehn Prozent möglich ist“, erklärt Dr. Matthias Mail vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn, einer der Autoren der Studie. „Unsere Partner der Uni Rostock erreichten später mit einem anderen von uns entwickelten Material sogar eine 30-prozentige Reduktion.“ Seitdem haben verschiedene Arbeitsgruppen das Prinzip aufgegriffen und weiter entwickelt. Für den Praxiseinsatz ist die Technologie zwar noch nicht ausgereift. Dennoch prognostizieren die Verfasser ihr mittelfristig ein Spritsparpotenzial von mindestens fünf, eher aber sogar 20 Prozent.
In der Veröffentlichung in den renommierten von Isaac Newton gegründeten „Philosophical Transactions“ der britischen Royal Society haben sie errechnet, welche ökonomischen und ökologischen Vorteile das mit sich brächte. So könnte etwa ein handelsübliches Containerschiff auf dem Weg von Baltimore (USA) nach Bremerhaven seine Treibstoffkosten um bis zu 160.000 US-Dollar senken. Weltweit würde der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um maximal 130 Millionen Tonnen zurückgehen.
Rechnet man den verringerten Bewuchs mit Seepocken und anderen Wasserlebewesen ein, der enorme zusätzliche Reibungsverluste verursacht, steigt diese Menge gar auf knapp 300 Millionen Tonnen. Das entspricht fast einem Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. „Natürlich sind diese Zahlen optimistisch“, sagt Mail. „Sie zeigen aber, wie viel Potenzial diese Technologie hat.“
Wasserscheuer Wasserfarn
Die HighTech-Schichten sind Vorbildern aus der Natur nachempfunden, etwa dem Schwimmfarn Salvinia molesta. Dieser ist extrem wasserscheu: Taucht man ihn unter und zieht ihn wieder heraus, perlt die Flüssigkeit sofort von ihm ab. Danach ist er komplett trocken. Oder richtiger: Er war nie wirklich nass. Denn unter Wasser hüllt sich der Farn in ein hauchdünnes Kleid aus Luft. Es verhindert, dass die Pflanze mit Flüssigkeit in Kontakt kommt – selbst bei einem wochenlangen Tauchgang. Wissenschaftler nennen dieses Verhalten „superhydrophob“.
Salvinia besitzt auf der Oberfläche seiner Blätter winzige schneebesenartige Härchen. Diese sind an ihrer Basis wasserabstoßend, an ihrer Spitze aber wasserliebend. Mit den Haarspitzen „tackert“ der Schwimmfarn eine Wasserschicht um sich herum fest. Sein luftiges Kleidchen liegt darunter; es kann dadurch nicht so leicht entweichen. Vielleicht macht dieses Prinzip bald in einem ganz anderen Zusammenhang Furore: als potentes Gleitmittel für Öltanker.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.