Herpesvirus liefert neue Einblicke in die Funktionsweise des Immunsystems



Bio-News vom 29.01.2019

HZI-Forscher identifizieren ein Werkzeug, mit dem ein Herpesvirus die körpereigene Immunabwehr gezielt abschwächt.

Ohne ein funktionelles Immunsystem hätte der Mensch keine Chance im Kampf gegen Viren, deren Angriffen er ständig ausgesetzt ist. Sobald ein Virus in den Körper gelangt, erkennen sensible Sensoren des Immunsystems den Eindringling und schlagen Alarm. Damit wecken sie weitere Abwehrkomponenten, die dann gegen die Angreifer vorgehen. Meist gelingt es so, die Infektion unter Kontrolle zu bringen und die Viren zu vernichten. Doch Viren einer bestimmten Familie haben sich dem Immunsystem hervorragend angepasst und können von ihm nicht beseitigt werden: die Herpesviren. Sie verbleiben nach der Infektion lebenslang in ihrem Wirt. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Technischen Universität Braunschweig hat ein Protein von Herpesviren entdeckt, das eine Komponente der Immunabwehr gezielt ausschaltet, einen anderen Teil jedoch für seine eigenen Zwecke nutzt. Dies ermöglicht es dem Virus, den Wirtsorganismus erfolgreich zu infizieren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher nun im Fachjournal The EMBO Journal.

Herpesviren begleiten den Menschen seit Millionen von Jahren und haben in dieser Zeit gelernt, das Immunsystem so geschickt zu manipulieren, dass es sie nicht beseitigen kann. So verbleiben die Viren lebenslang im Körper. Wie sie dies erreichen, ist bislang unzureichend bekannt.


3D-Illustration eines Mitglieds der Herpesvirus-Familie. © Fotolia/Kateryna_Kon

Publikation:


Markus Stempel, Baca Chan, Vanda Juranić Lisnić, Astrid Krmpotić, Josephine Hartung, Søren R. Paludan, Nadia Füllbrunn, Niels A. W. Lemmermann, Melanie M. Brinkmann
The herpesviral antagonist m152 reveals differential activation of STING-dependent IRF and NF-κB signaling and STING’s dual role during MCMV infection

The EMBO Journal, 2019

DOI: 10.15252/embj.2018100983



Ein wichtiger Vertreter der großen Familie der Herpesviren ist das Cytomegalievirus (CMV). Ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist mit diesem Virus infiziert. „Während der Schwangerschaft kann eine CMV-Infektion der Mutter für das ungeborene Kind eine große Gefahr darstellen. Das Virus kann auf den Fötus übertragen werden und schwere Schäden wie Taubheit und Entwicklungsstörungen verursachen“, sagt Prof. Melanie Brinkmann, die am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung die Arbeitsgruppe „Virale Immunmodulation“ leitet und seit Juli 2018 Professorin an der Technischen Universität Braunschweig ist.

Ein Impfstoff gegen CMV existiert bislang nicht, da die Mechanismen, wie dieses Virus die Immunantwort manipuliert, noch nicht vollständig aufgeklärt sind. „Um CMV-Infektionen erfolgreich bekämpfen zu können, müssen wir verstehen, wie dieses Virus unser Immunsystem zu seinen Gunsten nutzt“, sagt Brinkmann. Im Rahmen des von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Virtuellen Instituts „Virale Strategien der Immunevasion“ (VISTRIE) hat Brinkmanns Forschungsgruppe ein Werkzeug von CMV identifiziert, mit dem das Virus die antivirale Immunabwehr schon kurz nach Eintritt in den Wirt abschwächt.

Dieses Werkzeug ist ein Protein mit dem Namen „m152“. Das Angriffsziel von m152 in der Wirtszelle ist das Protein „STING“. Normalerweise wird STING bei einer Virusinfektion von einem Sensor aktiviert, der die virale Erbsubstanz erkennt. Daraufhin setzt STING eine Signalkaskade in Gang, die über ausgeschüttete Botenstoffe die infizierte Zelle und deren Nachbarzellen in Alarmbereitschaft versetzt. Dies verhindert, dass sich die virale Infektion ausbreitet, denn bereits vorgewarnte Zellen lassen sich nicht mehr infizieren.

Auf das Protein m152 sind die HZI-Forscher durch ein von ihnen entwickeltes Screening-Verfahren gestoßen: Damit haben sie mehr als 170 CMV-Proteine daraufhin untersucht, ob sie die antivirale Immunabwehr blockieren können. Mittels biochemischer und zellbiologischer Experimente konnten sie zeigen, dass m152 an das Protein STING bindet und deshalb die Aktivierung der von STING vermittelten Signalkaskade stark verlangsamt wird. „In CMV-infizierten Zellen konnten wir mithilfe von genetisch veränderten Viren in der Videomikroskopie sehen, dass die Aktivierung von STING deutlich langsamer erfolgt, wenn das Protein m152 intakt ist“, sagt Markus Stempel, Doktorand in Brinkmanns Team und Erstautor der Publikation. „So verschafft sich das Virus ein Zeitfenster, in dem es seine eigene Vermehrung in Gang bringen kann, bevor es vom Immunsystem angegriffen wird.“

Durch die detaillierte Studie dieses Mechanismus konnten die Forscher ebenfalls neue Einblicke in die Funktionsweise des Proteins STING während einer Infektion mit CMV erlangen: STING aktiviert zusätzlich eine weitere Signalkaskade, die jedoch nicht die Virusinfektion eindämmt, sondern sogar vom Virus genutzt wird, um neue Nachkommen zu produzieren. „STING hat sozusagen zwei Gesichter: Mit einer Signalkaskade bekämpft es die Virusinfektion, was CMV mithilfe von m152 jedoch elegant umgeht; mit einer zweiten Kaskade unterstützt STING dagegen die Virusvermehrung“, sagt Brinkmann. „Diese Studie ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass unsere Forschung an Viren neue Einblicke in zelluläre Abläufe liefern kann.“ In Zukunft möchte Brinkmanns Team in Kollaboration mit Forschern des HZI, der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die neuen Erkenntnisse nutzen, um antivirale Substanzen für die Behandlung von CMV-Infektionen zu identifizieren.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

Mehr zu den Themen


warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte