Hessen ist Brombeer-Land
Bio-News vom 31.05.2021
Bürgerwissenschaftler haben gemeinsam mit Senckenbergern die Brombeer-Flora in Hessen und Sachsen erfasst. In den veröffentlichten Werken „Rubi Hassici – die Brombeeren Hessens“ und „Die Rubus-Flora der Oberlausitz“ zeigen sie, dass es dort weit mehr Arten dieser Gattung gibt, als bislang vermutet wurde. In Hessen wurden zudem vier Brombeer-Arten neu beschrieben, in der Oberlausitz eine dort bisher unbekannte Art gefunden.
Hessen gehört zu den brombeerreichsten Gebieten Deutschlands – dies wurde anhand einer zehnjährigen, systematischen Ermittlung von Vorkommen und Verbreitung der dort heimischen Brombeer-Arten sichtbar. „Statt ursprünglich bekannter 62 Brombeer-Arten konnten 177 Arten aus dieser Familie der Rosengewächse nachgewiesen werden“, erklärt Dr. Thomas Gregor vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt und fährt fort: „Auch am sächsischen Senckenberg-Standort in der Oberlausitz wurde die Gattung Rubus gemeinsam mit der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz unter die Lupe genommen.“
Publikation:
Jansen, W., Gregor, T.
Rubi Hassici – die Brombeeren Hessens
Kochia (2021), Beiheft 2: 3-574., 38 €
Ermöglicht wurden die neuen wissenschaftlichen Ergebnisse in beiden Bundesländern aber erst durch die Zusammenarbeit zwischen Senckenberg und den Bürgerwissenschaftlern Werner Jansen und Friedrich Wilhelm Sander. „Werner Jansen beschäftigt sich seit seiner Jugend mit Pflanzen – unter anderem hat er in Thüringen und Sachsen-Anhalt bereits die Brombeerflora kartiert. Auch die Erfassung in der Oberlausitz durch Friedrich Wilhelm Sander hat er unterstützt; dabei griffen beide auf ihr Netzwerk von heimischen ‚Hobby-Botaniker*innen’ zurück“, ergänzt Gregor, der Ko-Autor des 574 seitigen Werks „Rubi Hassici – die Brombeeren Hessens“ ist.
In Hessen wurden 177 Brombeerarten kartiert – unter ihnen die vier bislang in dem Bundesland unbekannten Arten Rubus cuspidatoides, Rubus lucrosus, Rubus obtrullatus und Rubus senticops. Neben den benannten Arten werden in der Monographie weitere 25 „Sippen“ vorgestellt, deren Areal für eine Beschreibung zu klein ist oder deren Erforschung noch nicht abgeschlossen ist. Als Erklärung für den außergewöhnlichen Artenreichtum führen die Autoren die Vielfalt der hessischen Naturräume an sowie die Lage des Landes im Übergangsbereich vom atlantischen zum überwiegend kontinental geprägten Klima Süd- und Ostdeutschlands.
Im deutschen Teil der Oberlausitz liegt die Gesamtzahl der nachgewiesenen Brombeer-Arten bei 93 – wovon die Mehrzahl (77) wildwachsend und heimisch sind. Bis zur Kartierung unbekannt war das Vorkommen der Zungenartigen Haselblattbrombeere Rubus glossoides in der Oberlausitz. „Wenige der erfassten Arten, wie die Krummnadelige Haselblattbrombeere Rubus curvaciculatus oder die Dickstachelige Haselblattbrombeere Rubus hadracanthos sind stark gefährdet oder sogar bereits verschollen. Für die nur regional in der Oberlausitz nachgewiesene Brombeere Rubus lignicensis liegen sogar seit über 100 Jahren keine Nachweise mehr vor – wir müssen daher davon ausgehen, dass diese Art in Deutschland ausgestorben ist“, erläutert Friedrich Wilhelm Sander.
Brombeeren gelten als eine schwierige Pflanzengruppe, da sie sich zum größten Teil ungeschlechtlich und ohne Durchmischung des Erbgutes vermehrt. Diese als „Apomikten“ bezeichneten Arten geben den Forscherinnen und Forschern einige Rätsel auf – sowohl im Bereich ihrer Evolution und Konkurrenzfähigkeit, als auch aufgrund ihrer schwer unterscheidbaren Merkmale im Bereich der taxonomischen Einordnung. Die beiden Senckenberg-Standorte haben daher auch das gemeinsame Bestimmungsportal „Bestikri – Bestimmungskritische Sippen“ ins Leben gerufen.
Die beiden Publikationen zeigen deutlich die immense Bedeutung von Bürgerwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen für unsere Forschung! Mit dem Brombeer-Herbar von Werner Jansen, das in unsere Sammlung Herbarium Senckenbergianum eingereiht wird, erhalten wir einen zusätzlichen – unter jahrelanger Arbeit entstandenen und daher unbezahlbaren – Schatz.
Dr. Thomas Gregor, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.