Mit Bakterien gegen die Korallenbleiche
Bio-News vom 07.05.2021
Korallen sind das Rückgrat mariner Ökosysteme der Tropen. Sie sind durch die im Zuge der Klimaerwärmung steigenden Wassertemperaturen bedroht und zählen weltweit zu den ersten Ökosystemen, welche unmittelbar vor dem ökologischen Kollaps stehen. Die bedingt durch Hitzestress immer stärker und häufiger auftretenden Korallenbleichen haben sie an vielen Standorten bereits ausgelöscht. Mit Hilfe einer von einem internationalen Team unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel entwickelten Strategie aus der Mikrobiom-Forschung könnte es gelingen, Korallen besser vor Hitzestress zu schützen. Die Arbeit ist jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Microbiome erschienen.
Die Bilder von kahlen, nackten weißen Korallenstöcken gehen immer häufiger um die Welt. Die sonst so farbenfrohen Riffe tropischer Gewässer, die Heimat für viele Arten des marinen Ökosystems sind, leiden unter den durch die Klimaerwärmung steigenden Wassertemperaturen. Eine „Klimaanlage“ für die Korallen ist aber nicht in Sicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchen händeringend nach Möglichkeiten, die temperaturempfindlichen Organismen widerstandsfähiger gegen Hitzestress zu machen. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben nun einen vielversprechenden Ansatz gefunden, welcher Therapieformen aus der Medizin angelehnt ist. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Microbiome erschienen.
Publikation:
Doering, T., M. Wall, L. Putchim, T. Ratanawongwan, R. Schroeder, U. Hentschel, and A. Roik
Towards enhancing coral heat tolerance: a “microbiome transplantation” treatment using inoculations of homogenized coral tissues
Microbiome 9, 102
DOI: 10.1186/s40168-021-01053-6
Video zur Publikation„Die Idee ist, dass probiotische Bakterien mit nützlichen Funktionen einer Koralle helfen könnten, Hitzestress besser zu überstehen“, erklärt Dr. Anna Roik vom GEOMAR, Hauptautorin der Studie, die im Rahmen eines Projektes des Future Ocean Netzwerkes an der Universität Kiel gefördert wurde. „In der aktuellen Studie haben wir den Ansatz einer 'Mikrobiom Transplantation' getestet, inspiriert von mikrobiom-basierten Anwendungen, die wir beispielsweise aus der Medizin kennen“, so Roik weiter.
Die Idee ist, dass probiotische Bakterien mit nützlichen Funktionen einer Koralle helfen könnten, Hitzestress besser zu überstehen.
Dr. Anna Roik vom GEOMAR, Hauptautorin der Studie
Die Arbeitsgruppe führte Korallen-Mikrobiom-Transplantations-Experimente mit den riffbildenden Korallen Pocillopora und Porites in der Andamanen See in Thailand durch. Untersucht wurde, ob diese Technik die Hitzeresistenz von Korallen verbessern kann, indem das bakterielle Mikrobiom modifiziert wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dafür zunächst hitzetolerantere „Spender“-Korallen gesucht. „Wir haben dann Material aus dem Korallengewebe der Spenderkorallen verwendet, um artgleiche, hitzeempfindliche Empfänger zu impfen und dokumentierten dann deren Bleichreaktionen und Mikrobiomveränderungen mittels einer genetischen Analysemethode, dem 16S rRNA-Gen-Metabarcoding“, erläutert Dr. Roik.
Die Empfängerkorallen beider Arten bleichten im Vergleich zur Kontrollgruppe bei kurzzeitigem Hitzestress (34 °C) weniger stark aus. „Die Ergebnisse zeigen, dass die behandelten Korallen kurzzeitig der Hitzestress-Reaktion widerstehen konnten.“, erläutert Prof. Dr. Ute Hentschel Humeida, Leiterin der Forschungseinheit Marine Symbiosen am GEOMAR und Co-Autorin der Studie. „Auch deuten die Mikrobiom Daten darauf hin, dass die ‚geimpften‘ Korallen möglicherweise die Aufnahme von vermeintlichen bakteriellen Symbionten begünstigen“, führt Dr. Anna Roik weiter aus. „Jedoch bedarf es weiterer experimenteller Studien, welche den genauen Wirkmechanismus aufschlüsseln können, sowie feldbasierte Langzeitstudien, um die Dauerhaftigkeit des Effekts zu testen“, sagt die Meeresbiologin ausblickend.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.