Neue Erkenntnisse zur Replikation
Bio-News vom 18.07.2018
Die Fähigkeit zur Weitergabe von genetischer Information ist eine Grundvoraussetzung für das Leben. Damit bei einer Zellteilung jede Tochterzelle die notwendige genetische Information erhält, muss sich die DNA der Zelle, die Trägerin der genetischen Information, zunächst verdoppeln. Diese Replikationsprozesse werden in der Natur von Enzymen katalysiert. Der Arbeitsgruppe um Prof. Clemens Richert am Institut für Organische Chemie der Universität Stuttgart ist es nun erstmals gelungen, Replikationsvorgänge der DNA auch ohne Enzyme durchzuführen. Das Team gewann zudem Erkenntnisse darüber, wie bei evolutionär frühen Lebewesen die Weitergabe des Erbguts funktioniert haben könnte.
Für die Experimente nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler chemisch aktivierte, das heißt mit leicht abzulösenden Molekülteilen versehene Nukleotide. Nukleotide sind die Bausteine der DNA. Es handelt sich dabei um Moleküle, die aus Zucker, Phosphat und jeweils einer von vier verschiedenen Basen bestehen. In den Experimenten hefteten sich die Nukleotide an die jeweils komplementäre Base an und verknüpften sich dadurch in der richtigen Reihenfolge. Die gesamten dafür notwendigen Prozesse fanden ohne die Anwesenheit von Enzymen statt. Die auf diese Weise entstandene genetische Information der Tochtergeneration stimmte unterschiedlich gut mit der Sequenz der Elterngeneration überein, die Replikation war also unterschiedlich erfolgreich.
Erkenntnisse wichtig für Forschungen zur Entstehung des Lebens
Prof. Clemens Richert erläutert, dass diese Erkenntnis bei der Erforschung von der Entstehung des Lebens von besonderer Bedeutung ist: „Ähnlich der Frage ‚Was war zuerst da, die Henne oder das Ei?‘ gilt es hier zu klären: ‚Gab es zuerst Enzyme oder die Replikation?‘“ Denn Enzyme werden in der Zelle unter Ablesung von Genen, ähnlich wie bei der Replikation, hergestellt. Das heißt also: keine Replikation ohne Enzyme und keine Enzyme ohne Replikation. Die Ergebnisse der Stuttgarter Forscher weisen nun darauf hin, dass bei frühen Lebewesen eine Replikation ohne Enzyme stattgefunden haben könnte.
Publikation:
Elena Hänle, Clemens Richert
Enzyme-Free Replication with Two or Four Bases
Angew. Chem. Int. Ed. 2018, online publiziert am 19.06.2018
DOI: https://doi.org/10.1002/anie.201803074
Frühe Lebewesen möglicherweise mit nur zwei DNA-Basen ausgestattet
Darüber hinaus vermutet die Arbeitsgruppe aufgrund der Ergebnisse, dass Replikationssysteme von evolutionär frühen, primitiven Lebewesen besser mit zwei Kernbasen funktioniert haben als mit den vier Kernbasen, die sich heute im genetischen Alphabet finden. Bei den vier Kernbasen handelt es sich um Guanin, Cytosin, Adenin und Thymin. In der DNA liegen sie als Basenpaare Guanin und Cytosin sowie Adenin und Thymin vor. Das Team um Prof. Richert stellte bei den Experimenten fest, dass die Replikationen ohne Enzyme bei den Nukleotiden der Basenpaare Guanin und Cytosin, mit drei Wasserstoffbrücken und stärkerer Paarung, auch nach vielen Wiederholungen noch weitgehend fehlerfrei stattfand. Die Replikation der schwächeren Basenpaarung Adenin und Thymin (zwei Wasserstoffbrücken) verlief dagegen mit weitaus mehr Fehlern.
Expertise am Institut für Organische Chemie
Die Expertise der Arbeitsgruppe bei derartigen Experimenten führte unter anderem zu der Förderung durch das internationale Gemeinschaftsprojekt „Molecular Life“ mit der Vanderbilt University und der Université Lyon 1, das von der Volkswagen Stiftung mit über einer Million Euro gefördert wird.
Der oben beschrieben experimentelle Durchbruch war auch von besonderer Bedeutung für die Beteiligung am Sonderforschungsbereich „Lebensentstehung: Erkundung von Mechanismen mit interdisziplinären Experimenten“ (TRR SFB 235) mit der LMU und TU München.
Diese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt.