Neue Süßwasserfischart nach syrischem Zoologen benannt
Bio-News vom 29.06.2021
Eine neue Fischart wurde nach einem der renommiertesten Zoologen Syriens benannt, der am 16.2.2015 in den blutigen Konflikten in Syrien hinterlistig von einem Scharfschützen erschossen wurde: Dr. Adwan Shehab. 1967 geboren, studierte er an Universität Damaskus und promovierte im Jahr 1999. Er hinterließ seine Frau und vier Kinder. Nach zehn Jahren Syrienkrieg halten Zerstörung, Hunger und Leid weiter an. Die Sinnlosigkeit zeigt sich einerseits im Tod Shebabs, dessen internationale wissenschaftliche Expertise durch seine Ermordung einfach ausgelöscht wurde. Gleichzeitig macht uns die gesamte Tragödie Syriens fassungslos, die Tragödie eines Landes, das größtenteils in Trümmern liegt.
Unfassbar viele Menschen sind inzwischen gestorben und die meisten Menschen leben in Armut. In gewisser Weise wird die Benennung dieses „kleinen Fisches“ nach dem großartigen Wissenschaftler, der 2008 die Feldarbeit bei der Aufsammlung der neuen Art unterstützte, mit dafür sorgen, dass die Grausamkeiten dieses Bürgerkriegs nicht vergessen werden. Aktuelle Nachrichten über gewalttätige Unruhen im Nahen Osten führen uns immer wieder vor Augen, wie privilegiert wir sind, unseren Jobs und Aufgaben sicher und ohne Ängste nachgehen zu können.
Publikation:
Jörg Freyhof & Matthias Geiger
Oxynoemacheilus shehabi, a new nemacheilid loach from the upper Orontes in southern Syria (Teleostei: Nemacheilidae)
Zootaxa 4908 (4): 571–583, 2021
DOI: 10.11646/zootaxa.4908.4.9
Nachruf: Zoology in the Middle East, 2015Oxynoemacheilus shehabi wurde als neue Bachschmerlen-Art – Süßwasserfisch – aus dem oberen Orontes Fluss in Südsyrien beschrieben. Die Identifizierung erfolgte sowohl mit Hilfe molekulargenetischer DNA-Merkmale als auch anhand klassischer, morphologischer Vergleiche. Die geologische Geschichte des Flusses Orontes spiegelt sich noch heute auch in seiner Fischfauna wider. Der nur etwa 240 km „lange“ Strom durchfließt den Libanon, Syrien und die Türkei. Sein Verlauf wurde in den letzten geologischen Zeitaltern durch starke tektonische Aktivitäten im nördlichen Rift Valley, dem Großen Afrikanischen Grabenbruch beeinflusst. Dies ist ein Gebiet, in dem arabische und eurasische Faunenelemente aufeinandertreffen können. Es wundert also nicht, dass auch hier noch immer wieder neue Fischarten entdeckt werden, obwohl man annehmen könnte, dass die dortige Fischfauna gut untersucht sein müsste.
Der Große Afrikanische Grabenbruch erstreckt sich von Ostafrika nach Südwestasien und entstand durch die Abspaltung der arabischen Kontinentalplatte von der afrikanischen Platte während der letzten 35 Millionen Jahre. Genau hier fließt der Orontes parallel zum Mittelmeer. Die Stadt Antiochia liegt zum Beispiel rund 30 km landeinwärts vom Mittelmeer am Ufer des Orontes ziemlich genau an der Plattengrenze zwischen der Arabischen und der Eurasischen Kontinentalplatte. War der Orontes zeitweise mit dem Euphrat, dem größten Fluss Vorderasiens, verbunden, wurden beide Flüsse während des Pleistozäns wieder voneinander isoliert. Die letzte Verbindung mit dem Euphrat könnte zeitlich während des frühen Holozäns zwischen dem Orontes und dem Qweik, einem ehemaligen Nebenfluss des Euphrat, bestanden haben. Zusätzlich stand der Orontes phasenweise mit dem mediterranen Fluss Ceyhan in Verbindung, mit dem er ebenso wie mit den benachbarten Flüssen Seyhan und Göksu einige faunistische Elemente teilt. Außerdem waren verschiedene Teile des Orontes einst durch Flüsse mit dem Mittelmeer verbunden waren, die heute isoliert zum Meer fließen, wie der Nahr al-Kabir (Süden) und der Nahr Marquia.
Dies bedeutet, dass die gesamte Süßwasserfischfauna des Flusses Orontes durch die besondere Lage und Geschichte erklärt werden kann und muss. „Es wundert nicht, dass hier immer wieder neue Erkenntnisse gefunden werden“ erläutert Dr. Matthias Geiger vom zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz- Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn, und ergänzt: „Als DNA-Sequenzen verfügbar wurden, stellte sich heraus, dass die Bachschmerlen aus dem oberen Orontes, die morphologisch erst mal unauffällig waren, einer erneuten Untersuchung bedurften“. „Ziel dieser Studie war es daher zu prüfen, ob die Schmerlen aus dem oberen Orontes und benachbarter Einzugsgebiete vielfältiger sind als bisher bekannt“ ergänzt Dr. Jörg Freyhof, Ichthyologe am Museum für Naturkunde Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) in Berlin. Auf diese Art und Weise wurde die neue Art entdeckt.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Stiftung Zoologischens Forschungsmuseum Alexander Koenig, Leibniz-Instituts für Biodiversität der Tiere via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.