Neues vom Nördlichen Breitmaulnashorn: BioRescue erzeugt Urkeimzellen aus Stammzellen



Bio-News vom 11.12.2022

Das BioRescue-Konsortium entwickelt Technologien der assistierten Reproduktion und Stammzellen weiter, um das nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben zu bewahren. Das Team um Spezialisten der Osaka Universität in Japan verkündet nun einen wichtigen Durchbruch: die Erzeugung von Urkeimzellen (Vorläufern von Keimzellen wie Ei- und Samenzellen) aus induzierten pluripotenten Stammzellen des nördlichen Breitmaulnashorns Nabire – nie zuvor gelang dies bei großen Säugetieren. Damit verbleibt nur noch ein letzter Schritt zur Herstellung künstlicher Nashorn-Keimzellen aus konserviertem Gewebe.

Wenn die Herstellung künstlicher Nashorn-Keimzellen aus konserviertem Gewebe gelänge, würde dies die Verfügbarkeit und genetische Vielfalt von Embryonen erhöhen und zu einem Eckpfeiler für die Rettung des nördlichen Breitmaulnashorns werden. Das Team beschreibt die Zellkultur-Systeme und Verfahren zur Erzeugung der Urkeimzellen in einem Artikel.


Nördliches Breitmaulnashorn Nabire im Safari Park Dvur Kralove.

Publikation:


Hayashi M, Zywitza V, Naitou Y, Hamazaki N, Goeritz F, Hermes R, Holtze S Lazzari G, Galli C, Stejskal J, Diecke S, Hildebrandt TB, Hayashi K
Robust induction of primordial germ cells of white rhinoceros on the brink of extinction

Science Advances

DOI: 10.1126/sciadv.abp9683



Die 33-jährige Najin und ihre elf Jahre jüngere Tochter Fatu sind die letzten nördlichen Breitmaulnashörner auf diesem Planeten. Da es mit zwei Weibchen keine Möglichkeit der natürlichen Fortpflanzung gibt, liegt die einzige Hoffnung für die ökologisch wichtigen Dickhäuter Zentralafrikas in fortschrittlichen Technologien der assistierten Reproduktion. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BioRescue-Konsortiums erzeugen dafür Embryonen des nördlichen Breitmaulnashorns im Labor, indem sie Eizellen mit Spermien bereits verstorbener Bullen befruchten.



Die erzeugten Embryonen sollen von Leihmüttern des südlichen Breitmaulnashorns ausgetragen werden. Entscheidend für die Embryonenproduktion ist die Verfügbarkeit von Eizellen und Spermien – und diese ist begrenzt: Das Weibchen Fatu ist die einzige Spenderin natürlicher Eizellen, für die Befruchtung steht gefrorenes Sperma von nur vier Männchen zur Verfügung. Einige dieser Männchen sind zudem eng mit Fatu verwandt. Mit stammzellassoziierten Techniken (SCAT) versuchen die BioRescue-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, diesen Engpass zu überwinden: Mit Hilfe konservierter Gewebeproben, beispielsweise aus der Haut der Nashörner, wäre es im Prinzip möglich, induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), Urkeimzellen (primordial germ cells, PGCs) und schließlich künstliche Eizellen oder Spermien erzeugen. Damit könnte die Zahl der Individuen, die für die Gründung einer zukünftigen Population zur Verfügung stünde, auf 12 erhöht und danach Eizellen in größeren Mengen produziert werden. Wie in der jüngsten Veröffentlichung des Konsortiums berichtet wird, gelang den BioRescue-Forschenden dabei ein wichtiger Schritt: Sie züchteten erstmals Nashorn-Urkeimzellen sowohl aus embryonalen Stammzellen als auch aus induzierten pluripotenten Stammzellen.


Nördliche Breitmaulnashörner Najin und Fatu und südliches Breitmaulnashorn Tauwo in der Ol Pejeta Conservancy in Kenia.



In sich sexuell fortpflanzenden Organismen wie Menschen, Nashörnern oder Mäusen sind Urkeimzellen („primordial germ cells“) embryonale Vorläufer von Gameten wie Spermien und Eizellen, die genetische und epigenetische Informationen von einer Generation zur nächsten weitergeben. Um sich aus Stammzellen zu entwickeln, benötigen sie eine ganz bestimmte Umgebung, in der Signale von Hormonen oder Proteinen die morphologische und funktionelle Umwandlung zu Urkeimzellen auslösen. Dies schließt in der natürlichen Umgebung auch eine Wanderung der Zellen im Körper ein (PGC-Migration).



Guarding the Last Three Northern White Rhinos

Den BioRescue-Wissenschaftlern Masafumi Hayashi und Katsuhiko Hayashi und ihrem Team von der Universität Osaka gelang es nun zum ersten Mal bei großen Säugetieren, eine solche Umgebung in einem Zellkultur-System zu schaffen. Sie etablierten Kultursysteme für das südliche Breitmaulnashorn, für das embryonale Stammzellen zur Verfügung stehen, und für das nördliche Breitmaulnashorn, für das sie induzierte pluripotente Stammzellen aus Gewebeproben verwendeten. Um erfolgreich zu sein, mussten sie herausfinden, welche Signale dem System zu welchem Zeitpunkt und in welcher Reihenfolge zugeführt werden mussten, um die Entwicklung zu Urkeimzellen auszulösen.

Die Forschenden stützten sich dabei auf Erkenntnisse aus dem Mausmodell: Katsuhiko Hayashi und seinem Team gelang es 2016, aus Mäusen zunächst PGCs und schließlich Keimzellen zu erzeugen, die im Labor befruchtet wurden und zur Geburt gesunder Nachkommen führten. Bei den Breitmaulnashörnern arbeitet Hayashi dafür eng mit der Technologieplattform „Pluripotente Stammzellen“ am Berliner Max Delbrück Center von Sebastian Diecke und sowie mit den Reproduktions-Experten Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW, beide Letztautoren des Aufsatzes, und Cesare Galli von Avantea zusammen.

Durch wiederholte Verfeinerung der Prozeduren konnte das BioRescue-Team Urkeimzellen vom nördlichen Breitmaulnashorn Nabire unter definierten Bedingungen erzeugen. Da PGCs die Vorstufe zu Keimzellen darstellen, ebnet dieser Erfolg den Weg zur Herstellung funktionsfähiger Eizellen und Spermien. Sobald die Herstellung künstlicher Keimzellen erfolgreich ist, wird dieser Plan mit den Verfahren zusammengeführt, die BioRescue mit natürlichen Gameten durchführt: Genau wie bei den von Fatu gewonnenen Eizellen und den aus gefrorenen Proben aufgetauten Spermien würden die künstlich erzeugten Eizellen und Spermien im Labor in vitro befruchtet. Die erzeugten Embryonen würden sicher in flüssigem Stickstoff gelagert, bis ein Transfer in eine Leihmutter möglich ist.

Die in Japan genutzten embryonalen Stammzellen des südlichen Breitmaulnashorns stammen aus dem Avantea-Labor in Cremona (Italien), wo sie vom Team von Cesare Galli gezüchtet wurden. Die neu gewonnenen embryonalen Stammzellen des nördlichen Breitmaulnashorns stammen aus Hautzellen von Fatus Tante Nabire, die 2015 im Safaripark Dvůr Králové in der Tschechischen Republik starb. Das Team von Sebastian Diecke am Max Delbrück Center war für die Umwandlung in induzierte pluripotente Stammzellen verantwortlich.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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