Pflanzenschutz: Forscher entwickeln neuartigen Impfbaukasten



Bio-News vom 21.08.2019

Einfach, schnell und flexibel: Künftig könnten Pflanzen deutlich leichter gegen Viren geimpft werden. Ein neues Verfahren dafür haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) und des Nationalen Forschungsrats in Italien (CNR) entwickelt. Damit lassen sich schnell passgenaue Wirkstoffe gegen verschiedene Krankheitserreger identifizieren und produzieren.

Die neue Entwicklung basiert auf einem molekularen Abwehrprogramm der Pflanze, das zum Beispiel bei Virusinfektionen ausgelöst wird. Befällt ein Virus eine Pflanze, nutzt es deren Zellen als Wirt, um sich zu vermehren. Dabei entstehen virale Ribonukleinsäure-Moleküle (RNAs). Pflanzen können diese Moleküle mit Hilfe spezieller Enzym-Scheren erkennen und zerschneiden. Durch diesen Prozess entstehen "small interfering RNAs" (siRNAs), die sich in der Pflanze verbreiten und eine zweite Stufe der pflanzlichen Verteidigung einleiten können.


Mit Hilfe der neuen Methode der MLU-Forscher können Pflanzen leicht gegen Viren geimpft werden.

Publikation:


Gago-Zachert S. et al.
Highly efficacious antiviral protection of plants by small interfering RNAs identified in vitro
Nucleic Acids Research (2019)

DOI: 10.1093/nar/gkz678



Die siRNA-Moleküle binden dabei an sogenannte Argonaute-Proteinkomplexe und leiten diese zu den Virus-RNAs, die dann, im optimalen Fall, in harmlose Teile zerlegt und abgebaut werden können. "Mit diesem zweistufigen Prozess versucht sich die Pflanze einerseits am Ort der Infektion und anderseits in ihrem gesamten Organismus gegen das Virus zu schützen", sagt Prof. Dr. Sven-Erik Behrens vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der MLU.

Der Prozess ist aber nicht besonders effizient: "Bei einer Virusinfektion entstehen sehr viele unterschiedliche siRNA-Moleküle, aber nur ganz wenige haben eine Schutzwirkung. Die meisten sättigen die Argonaute-Komplexe nur ab, sodass diese dann inaktiv bleiben", sagt der Biochemiker Behrens. Sein Team hat jetzt einen Weg gefunden, die wenigen antiviral wirksamen siRNA-Moleküle für verschiedene Viren zu identifizieren und diese dann gezielt als Impfstoffe für Pflanzen einzusetzen.

Hierfür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Screening-Verfahren auf der Basis von pflanzlichen Zellextrakten entwickelt, das anstelle komplexer und langwieriger Züchtungsversuche zum Einsatz kommt. Als potenzielle Impfstoffe müssen die siRNA-Moleküle zwei Bedingungen erfüllen: Zum einen müssen sie gut in die Argonaute-Komplexe eingebaut werden können. Zum anderen müssen sie diese Proteine zielgenau zu den jeweiligen Virus-RNAs führen, die zerstört werden sollen.

Im Labor konnte das Team die Wirksamkeit seines Ansatzes bereits nachweisen. Hierfür wurden zwei Gruppen der Tabakpflanze N. benthamiana mit einem Modellvirus infiziert, das Tomaten und Tabak befällt. Eine impften die Forschenden vorher mit hocheffizienten siRNA-Molekülen, die sie gemäß ihrem neuen Verfahren identifiziert hatten. Die andere Gruppe erhielt keine Behandlung. Die Effekte waren enorm: Während 90 Prozent der geimpften Pflanzen nach sechs Wochen keine Anzeichen einer Infektion zeigten, waren alle unbehandelten durch das Virus gestorben.

Das Verfahren der MLU-Forscher ist nach dem Baukasten-Prinzip aufgebaut: "Wenn sich das Pathogen verändert oder die Pflanze gegen ein anderes Virus geschützt werden soll, lassen sich mit dem etablierten Screening sehr schnell geeignete RNA-Moleküle identifizieren, um den jeweiligen Krankheitserreger zu bekämpfen. So kann man sehr flexibel gegen neue Schädlinge vorgehen", fasst Behrens zusammen. Das Verfahren wurde zum Patent angemeldet.

Die Forscherinnen und Forscher wollen ihren Ansatz künftig weiter untersuchen und verbessern. Unklar ist zum Beispiel noch, wie lange eine Impfung bei verschiedenen Arten anhält und ob sich an der Pflanze Wirkstoffdepots anlegen lassen. Andere Folgestudien sollen klären, wie man die Impfstoffe in größeren Mengen produzieren und einfach auf oder in die Pflanzen bringen kann. Denkbar ist laut Behrens eine Anwendung als Spray in Gewächshäusern: "Tomatenzüchter haben zum Beispiel mit sogenannten weißen Fliegen zu kämpfen, die sehr schnell Viren von einer Pflanze zur nächsten übertragen können." Bislang würden Pestizide genutzt, um die Insekten abzutöten. Die hallesche Entwicklung könnte hier eine für die Insekten und Umwelt deutlich schonendere Alternative darstellen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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