Unsere Pupille bewegt sich im Rhythmus der Umgebung



Bio-News vom 08.05.2020

Regelmäßige Abläufe in der Umwelt verbessern unser Sehvermögen.

Wenn wir etwas besonders schön oder beeindruckend finden, bekommen wir sprichwörtlich große Augen: Unsere Pupillen weiten sich. So steuert die Pupille, wieviel Licht in das Auge dringen kann und auf die Netzhaut fällt. Bei viel Licht zieht sich die Pupille zusammen, bei wenig Licht öffnet sie sich wieder. Neurowissenschaftler haben jetzt in einer Studie an Menschen und Rhesusaffen herausgefunden, dass die Bewegung der Pupille nicht allein reflexartig von der einfallenden Lichtmenge kontrolliert wird, sondern unbewusst auch durch unsere Gedanken. So kann die Pupille Rhythmen folgen, die in der Umwelt entstehen. Dabei wird die Öffnung der Pupille optimal an unsere Umgebung angepasst und unser Sehvermögen positiv beeinflusst.


Augen, die etwas beobachten

Publikation:


Schwiedrzik CM, Sudmann SS
Pupil diameter tracks statistical structure in the environment to increase visual sensitivity

Journal of Neuroscience, JN-RM-0216-20

DOI: 10.1523/JNEUROSCI.0216-20.2020



Sinneseindrücke aus unserer Umwelt sind oft rhythmisch, nicht nur beim Hören, sondern auch beim Sehen. So blitzt zum Beispiel das Blaulicht eines vorbeifahrenden Krankenwagens etwa 120 Mal pro Minute. Wir reagieren auch unbewusst auf visuelle Ereignisse in unserer Umgebung, die von unseren Sinnen als regelmäßige Muster erfasst werden können. Aus diesen Mustern kann unser Gehirn beispielsweise ableiten, wann der nächste Lichtblitz des Blaulichts das Auge treffen wird, und sich darauf vorbereiten.

Ein wichtiger Faktor beim Sehen ist die Anpassung des Pupillendurchmessers. Kleinere Pupillen sorgen für ein schärferes Bild, während größere Pupillen mehr Licht auf die Netzhaut treffen lassen und es damit wahrscheinlicher machen, dass auch schwache Reize überhaupt verarbeitet werden. Der Pupillendurchmesser wird durch den Pupillenreflex gesteuert, der automatisch, das heißt ohne unser Wissen oder Zutun, die Pupillenmuskeln an den Lichteinfall anpasst. Aber nicht alle relevanten Umweltinformationen sind allein in der Menge des einfallenden Lichts enthalten. Es sind also Berechnungen im Gehirn nötig, die über die Möglichkeiten eines Reflexes hinausgehen, um alle zur Verfügung stehenden Informationen zu berücksichtigen. Ziel dieser von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie war es herauszufinden, ob und wie weit die Pupillendynamik vollautomatisch geregelt wird oder ob sie auch von komplexeren Rhythmen in der Umwelt beeinflusst wird.

Für die Untersuchungen wurden Pupillenbewegungen von zwei männlichen Rhesusaffen (Macaca mulatta) und mehreren Versuchspersonen beiden Geschlechts mittels einer Hochgeschwindigkeitsvideokamera gemessen, während den Versuchsteilnehmern Abfolgen von Bildern menschlicher Gesichter in einer zeitlichen Frequenz von zwei Hertz gezeigt wurden. Zwischen den Bildern wurde jeweils ein dunkler Hintergrund eingeblendet. Die Abwechslung von Hintergrund und Bild führt dazu, dass die Pupille sich im Rhythmus der Bilder weitet und verengt. Während des experimentellen Verlaufs wurde die Reihenfolge der Bilder manipuliert – sie wurden zu Paaren gruppiert, so dass ein bestimmtes Bild immer auf ein bestimmtes anderes Bild folgte.

Es gibt also zwei Rhythmen, auf die die Pupille reagiert: einen schnellen (zwei Hertz), der sich aus dem Wechsel von Bild und Hintergrund ergibt, und einen halb so schnellen (ein Hertz), der durch die Reihung der Bilder als Paare entsteht. Die Reihung der Paare ist nicht durch das Licht selber gegeben, und erfordert daher eine zusätzliche Berechnung von Umweltrhythmen im Gehirn. Da die Helligkeit der Gesichter bei allen Bildern sowie auch der dunkle Hintergrund in den „Pausen“ unverändert blieben, aber die Anordnung der Bilder variierte, konnten somit Rückschlüsse auf den Einfluss dieser zusätzlichen Berechnung auf die Pupillendynamik gezogen werden.

Neben der strukturierten Reihenfolge wurden zufällig angeordnete Bilder mit gleicher Frequenz (zwei Hertz) gezeigt. Ein Vergleich der Ergebnisse zwischen strukturierten und unstrukturierten Bildfolgen bei gleicher Bildfrequenz zeigt, dass in beiden untersuchten Spezies die Pupille nicht nur dem lichtbedingten Rhythmus der Bilder folgt, sondern auch dem komplexeren Rhythmus der Paare. Die Pupillenbewegung im langsamen (ein Hertz) Rhythmus hält die Pupille länger weiter geöffnet, als ob ein Paar nicht durch das Schließen der Pupille unterbrochen werden sollte. So kann mehr Licht bis zur Netzhaut gelangen.

„Die in der Umwelt enthaltenen Zusatzinformationen ergänzen somit die Informationen, die bereits über das einfallende Licht auf die Netzhaut treffen“, sagt Caspar Schwiedrzik, Leiter der Nachwuchsgruppe „Perception and Plasticity“. Ferner konnte die Studie zeigen, dass dies zu einer Verbesserung der Wahrnehmung beiträgt, selbst wenn die Versuchsteilnehmer nicht wissen, dass es einen Rhythmus in der Umwelt gibt. „Die Kontrolle der Pupille ist also nicht rein reflexiv, sondern wird auch durch unsere unbewussten Gedanken beeinflusst“, ergänzt Schwiedrzik.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Deutschen Primatenzentrums GmbH - Leibniz-Instituts für Primatenforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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