Vom „Waldsterben“ in den 80ern zu den Waldschäden von heute?



Bio-News vom 18.09.2019

Neues Fachbuch zum Status und zur Entwicklung der Wälder in Deutschland vorgestellt.

Seit Mitte der 1980er-Jahre wird der Waldzustand in Deutschland flächendeckend beobachtet – eine Konsequenz aus der damaligen Waldsterben-Diskussion. Zu welchen Erkenntnissen kommt das Langzeitmonitoring in Bezug auf die Ursachen und den Umfang der Waldschäden im Laufe der Zeit? Antworten auf diese und andere Fragen gibt ein neu erschienenes Fachbuch, das am 18. September 2019 im Rahmen eines internationalen Symposiums von Waldfachleuten im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in Berlin vorgestellt wurde.


Durch Trockenheit und Borkenkäfer geschädigte Fichten im Harz

Publikation:


Wellbrock N., Bolte A. (ed)
Status and Dynamics of Forests in Germany

Springer-Verlag



Umweltbedingungen haben sich in den letzten 30 Jahren verändert

Gegen das in den 1980er-Jahren befürchtete „Waldsterben“ wurden erfolgreich Maßnahmen ergriffen, vor allem zur Luftreinhaltung. Die anthropogen bedingten Einträge an Schwefel konnten deutlich gemindert werden. Die Stickstoffeinträge in Wälder verringerten sich hingegen nur in geringerem Maße. Gleichzeitig wurden viele Wälder zu laubbaumreichen Beständen umgebaut. Dies hat die Humusauflagen verbessert und zu einer Verlagerung von organischer Substanz sowie von Nähr- und Schadstoffen von der Humusauflage in den oberen Mineralboden geführt. Doch heute steht der Wald mit dem Klimawandel vor einer neuen Herausforderung. „Wir erleben gerade die dramatischen Auswirkungen von Witterungsextremen: Stürme, lang anhaltende Dürreperioden, Hitze, unterbrochen von lokalen Starkniederschlägen, die Schäden an der Infrastruktur verursachen, aber den Wassermangel im Waldboden nicht auszugleichen vermögen“, sagt Dr. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme und Mitautorin des Buches. Die würde nicht nur bei uns beobachtet, sondern quer durch Europa.

Waldschäden im Wandel

Die Daten der bundesweiten Waldzustandserhebung zeigen eine räumliche Verlagerung der Hauptschadensgebiete und -baumarten seit den 1990er Jahren. Während früher Versauerung mit seinen Folgen im Boden oder sogar direkte Rauchgasschäden zu einem Absterben der Bäume führten, sind heute vor allem Fichtenbestände in den Lagen unter 500 Metern betroffen; in der Folge kommt es bei der Fichte zu starken Borkenkäfer-Kalamitäten. In den letzten zwei Jahren ist auch die Buche vermehrt durch Trockenheit geschädigt worden; zurzeit wird das Absterben ganzer Buchenbestände beobachtet. In Eichenbeständen treten vermehrt Insektenschäden auf.

Nährstoff- und Wasserhaushalt von Waldböden

Die Waldböden spielen eine Schlüsselrolle für die Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel. Denn für das Gedeihen von Waldbäumen sind neben Klimafaktoren wie Temperatur und Niederschlag der Nährstoff- und Wasserhaushalt der Böden entscheidend. Die anthropogen bedingte Bodenversauerung hat abgenommen, und es ist im Mittel eine leichte Erholung zu verzeichnen. Dies ist die Folge der Luftreinhaltung (Rauchgas-Entschwefelung, Katalysatoren), durch die weniger versauernd wirkender Schwefel in die Atmosphäre und von dort in die Waldökosysteme gelangt. Kalkungsmaßnahmen unterstützen die Erholung der Böden. Weiterhin auf hohem Niveau sind aber die Stickstoffeinträge, die sowohl versauernd als auch eutrophierend wirken. Dies zeigen die Waldernährungswerte und die Stickstoffbilanzen. Noch gibt es wenige Waldstandorte, die Nitratausträge aufweisen. Die Stickstoffbilanzen an den Punkten der bundesweiten Bodenzustandserhebung im Wald zeigen aber, dass die kritischen Belastungsgrenzen überschritten werden.

Auf flachgründigen Böden sowie Sand- und Kiesböden mit geringem Wasserhaltevermögen leiden die Bäume in niederschlagsfreien Perioden schneller unter Wassermangel. Bei langanhaltender Hitze und Dürre trocknen jedoch auch tiefgründige Böden aus.

Böden als Klimaschützer

Waldböden binden pro Jahr rund 0,75 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar. Zum Zeitpunkt der zweiten Bodenzustandserhebung im Wald (2006-2008) betrugen die Vorräte 1,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Boden. Somit sind die Vorräte im Waldboden etwa so hoch wie im Holz.

Böden als Speichermedium

Bezüglich Schadstoffen gelten Wälder als relativ unbelastet. Beim Stickstoff hat sich gezeigt, dass dies nicht ohne Weiteres stimmt. Doch wie sieht es mit den „klassischen“ Schadstoffen wie Schwermetallen und organischen Schadstoffen aus? Insbesondere Blei hat in den Humusauflagen abgenommen und wurde in den Mineralboden verlagert und dort gespeichert. Im Buch wie auf der Tagung werden erstmals auch die Ergebnisse zu organischen Schadstoffen (POP) im Rahmen der Bodenzustandserhebung vorgestellt.

Herausforderung für die Zukunft

Das Fachbuch beschreibt die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Wald und insbesondere der Waldböden, aber auch die Risiken wie Stickstoff-Einträge und Klimawandel. Bei der begleitenden Tagung ging es im letzten Vortrag um die Frage, welche Risiken und Chancen die Forstwirtschaft bei der Anpassung der Wälder an den Klimawandel hat. Klima- und standortgerechte Baumartenwahl und Waldbehandlung unter sich schnell ändernden Bedingungen werden eine der Kernherausforderungen der Zukunft sein.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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