Fichten


Fichten

Gemeine Fichte (Picea abies)

Systematik
Unterabteilung: Samenpflanzen (Spermatophytina)
Klasse: Coniferopsida
Ordnung: Koniferen (Coniferales)
Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)
Unterfamilie: Piceoideae
Gattung: Fichten
Wissenschaftlicher Name der Unterfamilie
Piceoideae
Frankis
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Picea
A.Dietr.
Gemeine Fichte (Picea abies), Illustration aus Koehler 1887.

Die Fichten (Picea) sind eine Pflanzengattung in der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae). Die einzige in Mitteleuropa heimische Art ist die Gemeine Fichte (Picea abies), die wegen ihrer schuppigen, rotbraunen Rinde fälschlich auch als „Rottanne“ bezeichnet wird. Die Fichten bilden alleine die Unterfamilie Piceoideae.[1]

Merkmale

Habitus

Fichten sind immergrüne und einstämmige Bäume. Sie erreichen in der Regel Wuchshöhen von 20 bis 60 Meter, in Ausnahmefällen über 80 Meter, wie etwa Picea sitchensis. Die Baumkrone ist kegelförmig bis walzlich. Der Stammdurchmesser beträgt bis zu 1 Meter, maximal bis 2,5 Meter; bei einzelnen Arten treten Extremwerte von bis zu 4 Metern auf. Ein strauchförmiger Wuchs kommt nur unter besonderen Standortsbedingungen oder bei Mutanten vor.

Für alle Fichten charakteristisch ist eine monopodiale, akroton (an den oberen bzw. äußeren Knospen) geförderte Verzweigung. Dies führt zu einem etagenartigen Kronenaufbau und einer spitzwipfeligen Krone. Die Seitensprosse erster Ordnung stehen in Astquirlen in scheinquirliger Anordnung und bilden so einzelne „Stockwerke“.

Mit zunehmendem Alter tritt vermehrt proventive Triebbildung auf: An älteren Zweigen treiben schlafende Knospen aus. Bei älteren Bäumen können diese einen wesentlichen Teil der Zweige und Nadelmasse der Krone aufbauen.

Kronenform und Sprosssystem variieren je nach Umweltbedingungen und sind zum Teil auch genetisch bedingt.

Beim Verzweigungstyp unterscheidet man mehrere Formen:

  • Bei der Plattenfichte sind auch die Seitensprosse höherer Ordnung horizontal angeordnet, so dass die Etagen einzelne „Platten“ bilden (besonders bei Picea pungens, Picea torano).
  • Bei Kammfichten hängen die Seitensprosse ab der zweiten Ordnung wie ein Vorhang lang herab (z. B. besonders bei Picea breweriana, Picea smithiana).
  • Bürstenfichten sind eine Zwischenform, bei der die Seitenzweige nach allen Seiten abstehen.

Jungfichten weisen meist eine plattige Verzweigung auf. Die Kammform stellt sich meist erst ab 30 Jahren ein.

Schmalkronigkeit, wie sie bei den sogenannten „Spitzfichten“ auftritt, kann wie bei Picea omorika artspezifisch, also genetisch fixiert sein. Sie kann aber auch bei spezifischen Ökotypen oder Mutanten („Spindelfichten“) auftreten. Meistens ist sie jedoch eine Standortmodifikation („Walzenfichten“) unter hochmontan-subalpinen oder boreal-subarktischen Klimabedingungen. Diese Modifikation tritt auch bei der in Mitteleuropa heimischen Gemeinen Fichte (Picea abies) auf.

Sämlinge besitzen meist vier bis neun (bis zu 15) Keimblätter (Kotyledonen).[2]

Fichten sind Flachwurzler.

Zweige und Knospen

Junge Zweige besitzen feine Furchen. Diese befinden sich zwischen erhabenen Rücken, die durch die Abfolge der „Blattpolster“ (Pulvini) gebildet werden. Diese Blattpolster werden entweder als Achsenprotuberanzen oder als Blattgrund gedeutet. Sie enden nach oben in einem stielähnlichen Fortsatz. Dieser Fortsatz („Nadelstielchen“) ist rindenfarbig und steht vom Zweig ab, wodurch dieser raspelartig aussieht. Dem Nadelstielchen sitzt die eigentliche Nadel auf. Diese beiden Merkmale – Furchen und abstehende Nadelstielchen – sind für die Gattung Picea spezifisch.

Knospen sind vielfach ei- bis kegelförmig. Sie sind je nach Art mehr oder weniger stark verharzt. Die Knospenmerkmale sind für die jeweilige Art charakteristisch. Blütenknospen und die in den basalen Teilen auftretenden Proventivknospen weichen jedoch oft von diesen artcharakteristischen Merkmalen ab.

Nadeln

Fichtennadeln sitzen auf kleinen verholzten Stielen.
Tannennadeln sitzen direkt auf dem Zweig.

Fichten besitzen die für Koniferen typischen immergrünen, nadelförmigen Blätter, die in der Regel einen recht xeromorphen Bau aufweisen. Die Nadeln sind vom rindenfarbenen „Nadelstielchen“ (Blattkissen) durch eine Trennschicht abgegrenzt. Hier löst sich die Nadel nach dem Absterben ab: Die Nadel schrumpft an der Kontaktfläche aufgrund von Wasserverlust, das verholzte Blattkissen hingegen nicht. Im Normalfall bleiben die Nadeln sechs bis 13 Jahre auf den Zweigen, bei Stress fallen sie eher ab.

Die Morphologie und Anatomie der Nadeln sind wesentliche Merkmale für die Unterscheidung der einzelnen Fichtenarten: Nadelquerschnitt, Mesophyllstruktur, Anordnung der Spaltöffnungen (Stomata) und der Harzkanäle.

Die Nadeln der einzelnen Arten entsprechen in der Regel einem von folgenden zwei Typen:

  • äquifazial/amphistomatisch: die Nadeln sind im Querschnitt ± viereckig, etwa so hoch wie breit oder sogar höher. Die Stomata sind allseitig verteilt, die Nadeln allseitig gleich gefärbt.
  • invers-dorsiventral/epistomatisch: die Nadeln sind dorsiventral abgeflacht, breiter als hoch. Auf der Blattunterseite fehlen die Stomatalinien und sind nur auf der Oberseite als weiße Streifen sichtbar. Die Nadeln sind daher zweifarbig.

Bei den Seitenzweigen der Fichten sind die Oberseiten der Nadeln jedoch nach unten gerichtet, sodass die weißen Streifen scheinbar auf den Nadelunterseiten stehen.

Die Nadeln sind meist ein bis zwei Zentimeter lang und spitz oder zugespitzt, bei manchen Arten sogar scharf und stechend (z. B. Picea pungens).

Die Nadeln sind an den Zweigen spiralig angeordnet. Dennoch gibt es artspezifische Unterschiede, wie die Nadeln an den horizontal wachsenden (plagiotropen) Seitenzweigen angeordnet sind: Sie können ringsum vom Zweig abstehen wie etwa bei Picea aperata und Picea pungens, oder an der Zweigunterseite streng (Picea glehnii) oder schwach (Picea schrenkiana) gescheitelt sein.

Blüten, Zapfen und Samen

Zapfen und Samen der Gemeinen Fichte

Fichten sind einhäusig (monözisch), d. h. es gibt weibliche und männliche Blütenorgane getrennt voneinander an einem Baum. Nur ausnahmsweise kommen auch zweigeschlechtige Blüten bzw. Blütenstände vor. Die Blütenstände werden an vorjährigen Seitensprossen gebildet. Blühreife tritt im Alter von 10 bis 40 Jahren ein. Die Blütezeit findet im Zeitraum April bis Juni statt.

Die männlichen Blüten stehen einzeln, sind länglich-eiförmig und ein bis zwei Zentimeter lang. Anfangs sind sie purpurn bis rosa, zur Reife gelb. Der Pollen hat zwei Luftsäcke, die Bestäubung erfolgt durch den Wind (Anemophilie).

Die weiblichen Blütenzapfen entstehen meist aus endständigen Knospen. Sie sind zunächst aufrecht, krümmen sich jedoch nach der Befruchtung nach unten. Unreife Zapfen sind grün, rot bis dunkelblau und schwarzviolett gefärbt. Bei manchen Arten gibt es sogar einen Farbdimorphismus, der mit einem Selektionsvorteil rot/purpurn gefärbter Zapfen in alpinen/borealen Gebieten erklärt wird. Die Zapfen reifen zwischen August und Dezember und sind dann meist braun, eiförmig bis zylindrisch. Der Samen fällt zwischen August und Winter, teilweise erst im nächsten Frühjahr aus, wird also durch den Wind verbreitet. Danach werden die Zapfen als Ganzes abgeworfen. Die Zapfen sind zwei bis 20 Zentimeter lang. Die Deckschuppen sind immer kürzer als die Samenschuppen und deshalb am Zapfen nicht sichtbar.

Die Samen sind mit 3 bis 6 mm Länge relativ klein. Fertile Samen sind dunkelbraun bis schwarz, unfruchtbare Samen sind heller. Ihre Flügel sind hell, gelb- oder rosa-braun und etwa 6 bis 15 mm lang.[1]

Verbreitung

Abgestorbene Fichten und nachwachsender Bestand im Nationalpark Harz.

Die Fichten haben als Gattung eine holarktische Verbreitung. Nur in Mexiko und auf Taiwan reicht ihr Verbreitungsgebiet bis zum nördlichen Wendekreis. Verschiedene Fichtenarten sind bestandsbildend in der borealen Nadelwaldzone und in der Nadelwaldstufe vieler Gebirge in den klimatisch temperaten, submeridionalen und meridionalen Teilen Eurasiens und Nordamerikas.

Viele der asiatischen Arten sind in den Gebirgen der submeridionalen und meridionalen Zonen vertreten. Hier finden sich etliche Endemiten mit eng umrissenen Arealen.

In China und Zentralasien kommen mehrere Arten in den kontinentalen Gebirgen (Osttibet, Turkestan) vor. Sie bilden ein pflanzengeographisches Bindeglied zur Sibirischen Fichte (Picea obovata), deren Areal von Ostsibirien und der Mongolei bis westlich des Urals reicht. Westlich davon schließt die in Europa heimische Gemeine Fichte an.

Die Parallelarten zur Picea obovata in Nordamerika sind Picea glauca und Picea mariana, die ebenfalls einen breiten Waldgürtel in der borealen Zone bilden.

In den Rocky Mountains sind einige kontinental verbreitete Arten heimisch, etwa Picea engelmannii und Picea chihuahua, die bis Mexiko reicht. Ozeanisch verbreitete Arten gibt es in Nordamerika nur zwei (Picea breweriana und Picea rubens).

Fichten sind generell anspruchslos bei der Nährstoffversorgung. Die ozeanisch verbreiteten Arten brauchen aber feuchte und zugleich gut durchlüftete Böden. Staunässe wird von Fichten nicht vertragen.

2008 wurde unter einer Fichte in der Provinz Dalarna in Schweden Wurzelholz gefunden, das auf ein Alter von 9.550 Jahre datiert wurde und genetisch identisch mit dem darüber wachsenden Baum sein soll.[3][4]

Nutzung

Holz der Fichte

Hauptartikel: Fichtenholz

Fichten zählen auf der Nordhalbkugel zu den wichtigsten forstwirtschaftlich genutzten Baumarten. Nur in Resten werden noch Naturwälder genutzt, meist sind es bewirtschaftete oder künstlich geschaffene Reinbestände. In Mitteleuropa ist die Gemeine Fichte der Brotbaum der Forstwirtschaft.[5] Ausschlaggebend sind hier wie auch bei den anderen Arten der gerade Wuchs, das rasche Wachstum, die geringen Ansprüche an den Standort und die gute Verwendbarkeit des Holzes.

Zum Anwendungsspektrum gehört vor allem die Verwendung zur Papier- und Zellstoffherstellung, als Bau- und Möbelholz für den Innenbereich sowie die Nutzung als Brennholz. Als Schnittholz wird Fichtenholz in der Regel gemeinsam mit Tannenholz als Mischsortiment Fichte/Tanne gehandelt und verwendet. Dabei wird Fichtenholz in Form von Rundholz, Schnittholz wie Brettern und Brettschichthölzern und als Furnierholz verarbeitet. Zugleich ist es das wichtigste Holz für die Herstellung von Holzwerkstoffen wie Sperrholz, Leimholz, Span- und Faserplatten. Als Spezialanwendung finden gleichmäßig gewachsene Stämme aus dem Hochgebirge Verwendung als Klangholz speziell für den Resonanzboden bei Tasteninstrumenten oder als Resonanzdecke bei Zupf- und Streichinstrumenten.

Einige wichtige Schutzfunktion haben die Fichtenwälder in vielen Hochgebirgen und Steillagen, da sie als Schutzwälder die besiedelten Täler vor Lawinen und Steinschlägen schützen. Einige Arten werden auch als Ziergehölze in Parks und Gärten gepflanzt bzw. als Weihnachtsbäume verwendet.

Namen

Das Wort picea wurde von den Römern im Sinne von „harzhaltiges Holz: Fichte“ verwendet (Vergil, Aeneis 6,180), aber auch, wenn die Gemeine Kiefer gemeint war (Plinius der Ältere, Historia naturalis 16,40ff.). Es ist eine Substantivierung des Adjektivs piceus = „pech-, harzhaltig“, das zu pix, Genitiv picis, gehört, „Pech, Harz“. Dieses wird auf die indogermanische Wurzel *pik- „Pech, Harz“ zurückgeführt. Dieser Wurzel nahe steht die Wurzel *pit- „Fichte“.

Beide Wurzeln werden meist mit den indogermanischen Wörtern für „Fett, Saft, Trank“ in Verbindung gebracht. Es ist jedoch auch eine Verbindung mit *(s)pik-, *(s)pit- „spitz, stechend“ denkbar.[6]

Evolution und Systematik

Blau-Fichte (Picea pungens)
Schwarz-Fichte (Picea mariana)

Sowohl fossile als auch molekularbiologische Daten weisen darauf hin, dass die Gattung Picea in Nordamerika entstand. Die ältesten Fossilien (Pollen) stammen aus dem Paläozän Montanas (USA). Aus dem Eozän sind viele Zapfenfossilien bekannt, allerdings ebenfalls nur aus Nordamerika. Die frühesten Fossilien Asiens stammen aus dem Oligozän, Europas aus dem Pliozän. Über die Bering-Route dürfte die Gattung in ein oder zwei Wellen nach Asien und von da weiter nach Europa gelangt sein. Der Ursprung der Gattung dürfte in der späten Kreide oder im frühen Tertiär liegen.[7]

Die Monophylie der Gattung wurde nie in Zweifel gezogen. Die nächsten Verwandten innerhalb der Familie sind die Gattungen Cathaya und Pinus.

Die Systematik innerhalb der Gattung wird klassischerweise primär auf der Basis von Zapfenmerkmalen, sekundär von Nadelmerkmalen aufgestellt. Eine weitgehend anerkannte Systematik stammt von Schmidt (1989),[8] die der hier angeführten Systematik in der Fassung von Schmidt (2004)[9] zugrunde liegt. Auch Farjon (1990)[10] folgt dieser Gliederung, wenngleich er die Taxa unterhalb der Gattung eine Stufe niedriger ansetzt. Nach dieser Systematik gibt es 35 Arten. Andere Autoren geben 28 bis 56 Arten an.

Serbische Fichte (Picea omorika)
  • Untergattung Picea (Morinda-Zapfen)
  • Untergattung Casicta (Casicta-Zapfentyp)
    • Sektion Sitchenses
      • Serie Ajanenses
        • Ajan-Fichte (Picea jezoensis)
        • Sitka-Fichte (Picea sitchensis)
      • Serie Likiangenses
        • Picea likiangensis agg.
          • Likiang-Fichte (Picea likiangensis)
          • Purpur-Fichte (Picea purpurea)
    • Sektion Pungentes

Neuere Arbeiten auf molekularbiologischer Basis stellen diese auf morphologischer Grundlage entwickelte Systematik berechtigt in Zweifel. Allerdings gibt es noch keine neuen Vorschläge für eine phylogenetische Systematik.[11]

Literatur

  • Jin-Hua Ran, Xiao-Xin Wei, Xiao-Quan Wang: Molecular phylogeny and biogeography of Picea (Pinaceae): Implications for phylogeographical studies using cytoplasmic haplotypes. Molecular Phylogenetics and Evolution 41, 2006, S. 405–419. doi:10.1016/j.ympev.2006.05.039
  • P.A. Schmidt: Picea. In: Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2004, S. 265–278. ISBN 3-933203-80-5

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 Michael P. Frankis: Generic Inter-Relationships in Pinaceae, in Notes Royal Botanical Garden Edinburgh, 1988, 45(3): 527-548. Online
  2. Yun Shan Shu: Picea in Flora of China, Volume 4. (engl.)
  3. Pressemeldung Universität Umea, abgerufen 17. April 2008.
  4. scienceticker vom 16. April 2008
  5. vgl. z. B. www.forstgarten.at
  6. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996, S. 483. (Nachdruck ISBN 3-937872-16-7)
  7. Ran et al. 2006, S. 414f.
  8. P.A. Schmidt: Beitrag zur Systematik und Evolution der Gattung Picea A. Dietr. Flora 182, 1989, S. 435–461.
  9. Schmidt, 2004, S. 276
  10. A. Farjon: Pinaceae. Koeltz Scientific Books, Königstein 1990.
  11. Ran et al. 2006

Weblinks

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