Was Fadenwürmer über das Immunsystem lehren



Bio-News vom 25.09.2020

Forschungsteam sammelt am Beispiel von Fadenwürmern neue Erkenntnisse über die Regulation der angeborenen Immunantwort.

Alle höheren Lebewesen verfügen über ein Immunsystem, das als biologischer Abwehrmechanismus den Körper vor Krankheitserregern und Fremdstoffen schützt. Es besteht aus einem komplexen Netzwerk verschiedener Organe, Zelltypen und Moleküle, das schädliche Substanzen, insbesondere krankheitserregende Mikroorganismen, erkennt und bekämpft. Wirbellose Tiere verfügen nur über das sogenannte angeborene Immunsystem, das den Organismus durch verschiedene Barrieren und bestimmte Abwehrmechanismen vor Krankheitserregern schützt. Es entstand schon früh in der Entwicklungsgeschichte des Lebens und seine Abwehrreaktionen galten bislang als unspezifisch. Wirbeltiere entwickelten später in der Evolution zusätzlich zum angeborenen Immunsystem ein komplexeres und anpassungsfähiges System, die sogenannte adaptive Immunabwehr. Sie wird auch als erworbenes Immunsystem bezeichnet, kann hochspezifisch auf unterschiedliche Erreger reagieren und wird daher als effektiver angesehen.


Bereits das angeborene Immunsystem des Fadenwurms C. elegans kann unterschiedliche und damit spezifische Reaktionen auf eine Infektion mit ähnlichen Krankheitserregern auslösen.

Publikation:


Alejandra Zárate-Potes, Wentao Yang, Barbara Pees, Rebecca Schalkowski, Philipp Segler, Bentje Andresen, Daniela Haase, Rania Nakad, Philip Rosenstiel, Guillaume Tetreau, Jacques-Philippe Colletier, Hinrich Schulenburg, Katja Dierking
The C. elegans GATA transcription factor elt-2 mediates distinct transcriptional responses and opposite infection outcomes towards different Bacillus thuringiensis strains

PLOS Pathogens First published 24 September 2020

DOI: 10.1371/journal.ppat.1008826



Am Beispiel des Fadenwurms Caenorhabditis elegans hat ein Forschungsteam aus der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) um Professor Hinrich Schulenburg nun neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise und Regulationsmechanismen des angeborenen Immunsystems gesammelt. Anhand von Infektionsexperimenten mit zwei Stämmen des bakteriellen Krankheitserregers Bacillus thuringiensis fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Kiel Evolution Center (KEC) Hinweise, dass bereits das angeborene Immunsystem unterschiedliche und damit spezifische Reaktionen auf eine Infektion mit verschiedenen, aber nah verwandten Stämmen eines Krankheitserregers auslösen kann.

Zentraler Regulator

Es war bereits bekannt, dass das Immunsystem des Wurms auf unterschiedliche, vor allem auf verschiedene Weise krank machende, Bakterien mit einer spezifischen und nur teilweise übereinstimmenden Reaktion antwortet. Immunantworten lassen sich bei C. elegans wie auch bei anderen Lebewesen anhand der genetischen Signaturen der Transkription untersuchen. Die Forschenden untersuchen also, wie die Zelle hier reguliert, welche Bereiche der Erbinformationen zu welchem Zeitpunkt abgelesen werden, um mit diesen Vorlagen Proteine herzustellen. Um zu verstehen, wie der Wurm nun auf zwei sehr ähnliche Bakterienstämme derselben Art reagiert, untersuchte das Kieler Forschungsteam die damit verbundenen Transkriptionsprozesse.

„Dabei haben wir zunächst festgestellt, dass die Immunantwort auf die unterschiedlichen Stämme der gleichen Bakterienart sehr ähnlich ausfällt. Rund zehn Prozent der daran beteiligten Gene sind in Abhängigkeit vom Bakterienstamm jedoch unterschiedlich reguliert. Dies weist deutlich darauf hin, dass der Wurm seine Immunantwort gewissermaßen Feintunen kann und so jeweils eine spezifische Reaktion auf die beiden unterschiedlichen Stämme hervorrufen kann“, sagt Erstautorin Dr. Alejandra Zárate-Potes, ehemalige Doktorandin in Schulenburgs Arbeitsgruppe und in der Internationalen Max-Planck Research School (IMPRS) für Evolutionsbiologie. „Dabei konnten wir einen bestimmten, sogenannten ‚GATA’ Transkriptionsfaktor als zentrales Element identifizieren. Wenn man diesen Faktor experimentell ausschaltet, reagierte das Immunsystem der Würmer sehr unterschiedlich auf die beiden Bakterienstämme“, erklärt Senior-Autorin Dr. Katja Dierking, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik.

Konkret bedeutet dies, dass das experimentelle Ausschalten des GATA-Transkriptionsfaktors dafür sorgt, dass das Immunsystem jeweils zwei stark unterschiedliche Abwehr-Strategien in Gang setzt: „Der Wurm wird durch das Deaktivieren tolerant gegenüber dem einen, aber resistent gegenüber dem anderen Bakterienstamm“, erklärt Dierking, deren Arbeit von einer Projektförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) unterstützt wurde. „Das einfache angeborene Immunsystem ist also in der Lage auch auf nah verwandte Bakterien spezifisch zu reagieren. Im einen Fall stellt es sich auf ein Überleben mit einer gewissen Last an Krankheitserregern ein. Im anderen Fall geht es dazu über, den Keim abzutöten“, so Dierking weiter. Daraus leiteten die Kieler Forschenden ab, dass der GATA-Transkriptionsfaktor als zentraler Schalter fungiert, der bei C. elegans die Immunantwort auf nah verwandte Krankheitserreger reguliert.

Neue Perspektive

Die nun veröffentlichte Forschungsarbeit liefert damit am Beispiel des Fadenwurms neue Erkenntnisse über die Regulation und Funktionsweise des angeborenen Immunsystems. Möglicherweise deuten die Erkenntnisse darauf hin, dass auch das angeborene Immunsystem des Menschen spezifischer reagieren kann als bisher bekannt war. Zusätzlich werfen sie ein Schlaglicht auf die verschiedenen Strategien, mit denen die Antwort des Immunsystems bakteriellen Infektionen begegnet: Die Mechanismen der Resistenz gegenüber Pathogenen - also die Fähigkeit des Immunsystems, einen Krankheitserreger erfolgreich zu bekämpfen - sind in der Immunologie gut erforscht und auf ihnen beruhende Therapien gehören zum medizinischen Alltag. Die Mechanismen des Immunsystems hingegen, die zur Toleranz eines Organismus beispielsweise gegenüber einer dauerhaft bestehenden Bakterienlast führen, sind wesentlich weniger erforscht. „Ein Ziel künftiger Forschungsarbeit wird es sein, die immunologischen Mechanismen der Toleranz gegenüber Krankheitserregern genauer zu untersuchen“, betont Professor Hinrich Schulenburg, KEC-Sprecher und Leiter der CAU-Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik. „Ein besseres Verständnis der Anpassung eines Organismus an das Leben und Überleben mit einem Krankheitserreger könnte dabei auch neue Perspektiven in der


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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