Wie Dohlen sich merken, was sie wann wo getan haben
Bio-News vom 16.04.2019
Krähenvögel sind zu Gedächtnisleistungen im Stande, die denen von Menschen nahekommen. Wie ihr Gehirn, das ganz anders als das menschliche aufgebaut ist, diese komplexen Leistungen erbringt, wollen Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) herausfinden. Seit einem Jahr trainieren sie zwei Dohlen in einem komplexen Verhaltensversuch, in dem die Vögel lernen, sich zu merken, was sie wann wo getan haben. Neurophysiologische Untersuchungen sollen später Aufschluss über die zugrunde liegenden Prozesse im Gehirn geben.
Über die Forschung der Arbeitsgruppe Avian Cognitive Neuroscience, geleitet von Dr. Jonas Rose, berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der RUB.
Orte merken
Für den Versuch lernen die Tiere, sich eine Sequenz von Orten zu merken, die sie besucht haben, sowie welche Farben sie dort gesehen haben. Diese Information müssen sie dann an einem anderen Ort wieder abrufen; machen sie das richtig, erhalten sie eine Futterbelohnung. Mit dieser Aufgabe wollen die Forscher die Basis für das sogenannte episodische Gedächtnis untersuchen. Es speichert einzigartige Erlebnisse und beruht darauf, dass Individuen sich merken können, was sie wann wo getan haben. In einer Reihe von Verhaltensversuchen zeigten andere Gruppen bereits, dass Krähenvögel dazu in der Lage sind. Die neuronale Basis für dieses Können ist bislang jedoch unerforscht.
Publikation:
Ruhr-Universität Bochum, Julia Weiler
Wie Dohlen sich merken, was sie wann wo getan haben
Rubin 1/2019
Die Dohlen absolvieren den Versuch an der RUB in einer sechseckigen Voliere, in der sie rund zweieinhalb Stunden pro Tag seit einem Jahr trainieren. Die Voliere enthält an vier Seiten einen Touchscreen. An dreien davon tauchen nacheinander farbige Punkte auf, die das Tier anpicken muss. Erst wenn der erste Punkt angepickt ist, erscheint der nächste und so weiter. An einem vierten Ort muss der Vogel dann abrufen, welche Farbe er an welchem Ort gesehen hat.
In einem Monat gelernt
Um die Reihenfolge der Orte abfragen zu können, haben die Tiere zunächst gelernt, den Orten Symbole zuzuordnen: einen Campingplatz, ein Toilettenhäuschen und einen Hafen. Die Symbole wurden allerdings nie an den Orten selbst präsentiert. Die Dohlen sehen sie nur auf dem vierten Touchscreen, auf dem sie ihre Antwort geben müssen. Anfangs pickten sie einfach zufällig auf die Symbole; nur wenn die Reihenfolge stimmte, gab es eine Futterbelohnung. So lernten sie, Campingplatz, Toilettenhäuschen und Hafen einem der drei anderen Touchscreens zuzuordnen.
„Wir waren uns nicht sicher, ob die Tiere in der Lage sein würden, das zu lernen“, erklärt Jonas Rose. „Es ging dann relativ schnell, innerhalb von einem Monat.“ In 60 bis 80 Prozent aller Versuchsdurchgänge geben die Tiere alle drei Orte korrekt an. Die Wahrscheinlichkeit, durch Raten richtig zu antworten, liegt bei diesem Versuchsdesign bei knapp 17 Prozent.
Arbeitsgedächtnis überlastet?
Nun trainieren die Vögel, sich zu merken, an welchem Ort sie welche Farbe gesehen haben, wobei die Reihenfolge der Orte und die Zuordnung der Farben sich in jedem Versuchsdurchgang ändern. Anfangs hatten die Dohlen damit große Probleme. „Wir versuchen gerade, herauszufinden, ob es einfach zu viele Informationen für das Arbeitsgedächtnis der Tiere sind“, erklärt Rose, „oder ob sie ein Problem mit der Farbaufgabe an sich haben.“
Dazu fragen die Forscherinnen und Forscher nicht in jedem Durchgang die Zuordnung der Farben zu den Orten ab; in manchen Durchgängen müssen die Dohlen auch nur die Reihenfolge der Orte oder nur die Reihenfolge der Farben angeben. Mittlerweile antworten die Tiere in 20 Prozent der Versuchsdurchgänge richtig, in denen sie Orte und Farben angeben sollen; damit liegen sie über der Rate-Wahrscheinlichkeit, die 5,5 Prozent betragen würde. Noch sind die Bochumer Biopsychologen daher zuversichtlich, dass die Tiere die Aufgabe lernen können. Falls nicht, würden sie den Versuch schrittweise vereinfachen.
Förderung
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Ruhr-Universität Bochum erstellt.