Wo ist das Wasser während einer Dürre?
Bio-News vom 17.07.2020
Wenn bereits kaum Niederschlag fällt – wo und wie verteilt sich das wenige Wasser und welche Möglichkeiten gibt es, den Rückhalt im Boden und in der Landschaft zu verbessern? Dörthe Tetzlaff und ihr Team vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben herausgefunden, dass die Vegetation darauf einen großen Einfluss hat. Die Forschungsgruppe analysiert die Speicherung, Verteilung und Qualität des Wassers in der Landschaft. Am Beispiel des dürreempfindlichen Demnitzer Mühlenfließes in Brandenburg, einem Teileinzugsgebiet der Spree, quantifizierten sie die sichtbaren und unsichtbaren Wasserflüsse während und kurz nach der großen Trockenheit 2018.
Brandenburg ist mit einem Jahresniederschlag von nur 560 Litern pro Quadratmeter das niederschlagsärmste Bundesland. Im Jahr 2018 fielen sogar nur 390 Liter Wasser pro Quadratmeter, also ca. 40 Prozent weniger Niederschlag als gewöhnlich. Schon unter „normalen“ klimatischen Bedingungen werden etwa 90 Prozent des Niederschlags wieder in die Atmosphäre abgegeben und fließen nicht in Grundwasser oder Flüssen ab. Die Grundwasserstände im Gebiet zeigen heute, dass die Defizite aus dem Jahr 2018 zwischen den Wachstumsperioden nicht ausgeglichen werden konnten.
Publikation:
Kleine, L., Tetzlaff, D., Smith, A., Wang, H., and Soulsby, C.
Using isotopes to understand evaporation, moisture stress and re-wetting in catchment forest and grassland soils of the summer drought of 2018
Hydrol. Earth Syst. Sci. 2020
DOI: 10.5194/hess-2020-81
Landmanagement von kritischer Bedeutung für Verteilung von Wasserressourcen:
Dörthe Tetzlaff ist Forscherin am IGB und Professorin für Ökohydrologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie und ihr Team untersuchten, wie sich der Zeitpunkt und der Prozess der Verdunstung und der Grundwasserneubildung unter verschiedenen Böden und Landnutzungen unterscheiden. „Aufgrund der aktuellen Klimakrise mit zunehmenden Dürren müssen wir wissen, wie viel Wasser verschiedene Pflanzen nutzen. Wir als Forschende fragen uns: Kann man über nachhaltige Landnutzung den Wasserverbrauch steuern und ganze Landschaften widerstandsfähiger gegenüber Klimaextremen gestalten? Diese Erkenntnisse sind die Basis, um die Bedarfe für die Lebensmittelproduktion und die Wasserversorgung erfüllen zu können“, erläutert Dörthe Tetzlaff ihre Motivation für ihr Forschungsthema.
Waldboden trockener als Grasland:
Das Team untersuchte im Demnitzer Mühlenfließ zwei Standorte mit regionaltypischen Landnutzungen: einen Mischwald mit sandigen Böden und einer tief wurzelnden Zone und Grünland mit lehmigeren Böden und einer flacher wurzelnden Zone. Der Waldboden war wesentlich trockener, was auf Eigenschaften von Boden und Pflanzen zurückzuführen ist.
Wasser in der Landschaft – blaues und grünes Wasser
Forschende unterscheiden das sogenannte blaue Wasser, das Seen, Flüsse und das Grundwasser füllt und unmittelbar für die Wasserversorgung zur Verfügung steht; und das grüne Wasser, welches direkt von der Vegetation beeinflusst wird und durch Verdunstung und Transpiration nach der Aufnahme durch die Pflanzen in die Atmosphäre zurückgeführt wird. Dörthe Tetzlaff und ihr Team erforschen die Wechselwirkungen zwischen blauem und grünem Wasser. Dabei analysieren sie detailliert, was in der sogenannten kritischen Zone geschieht und welchen Einfluss die Vegetation auf den gesamten Wasserhaushalt hat.
So waren während der Dürre im obersten Meter des sandigen Bodens im Wald nur 37 Liter Wasser pro Quadratmeter und unter Grünland immerhin 146 Liter Wasser pro Quadratmeter vorhanden. Das Blätterdach des Waldes schirmte bereits einen Teil des Regens ab, der direkt von den Blättern verdunstete und den Boden nie erreichte. Zudem war der sandige Waldboden kaum in der Lage, Wasser zu speichern. Niederschläge drangen tiefer in den Boden ein, wurden allerdings während der Wachstumsperiode vor Erreichen des Grundwassers wieder von den Bäumen aufgenommen.
Unter der Grünlandfläche sickerte das Wasser kontinuierlich in Richtung Grundwasser. Der Boden konnte mehr Wasser speichern. Da die Pflanzen nur Wasser aus dem oberen Boden entnahmen führte dies zu „älterem“ Bodenwasser.
„Wir konnten zeigen, wie schlecht die Landschaften in Brandenburg in der Lage sind, Niederschlagswasser im Gebiet zu halten, um Perioden mit weniger Regen zu überbrücken. Die Landschaften und ihre Nutzungen, die wir untersucht haben, sind typisch für die Nordeuropäische Tiefebene. Es war erschreckend festzustellen, wie stark selbst ein natürlicher Mischwald unter der Dürre leidet. Für wirtschaftsorientierten Forst, mit im Bestand dominierenden Nadelbäumen, ist die Situation noch schlimmer. Tatsächlich ist das Baumsterben in Brandenburg mittlerweile offensichtlich“, sagt Lukas Kleine, Doktorand in Tetzlaffs Team.
„Wasser pflanzen“ – wie die Landwirtschaft die Forschungsergebnisse nutzt:
Die Forschenden arbeiten mit der Land- und Forstwirtschaft zusammen, um ihre Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen. Einer ihrer wichtigsten Partner ist Benedikt Bösel. Dessen Betrieb „Gut & Bösel“ testet und entwickelt multifunktionale Landnutzungskonzepte der regenerativen Land- und Forstwirtschaft. Der Landwirt bestätigt die Beobachtungen der IGB-Forschenden: „Die Regeneration unserer Böden und der Bodengesundheit ist die größte und wichtigste Aufgabe unserer Generation. Dafür braucht es systemische Innovation, die uns hilft, die Ursachen unserer Probleme zu verändern anstatt nur die Symptome zu bekämpfen. Nur so können wir der Komplexität von Ökosystemen gerecht werden. Diese Lösungen versuchen wir u.a. basierend auf den Erkenntnissen des Teams von Frau Tetzlaff zu entwickeln“.
„Unsere Untersuchungen in unserem ökohydrologischen Feldlabor laufen nun seit 2018 kontinuierlich, und wir werden sie fortführen. Wir sehen, dass nach den weiteren Trockenzeiten in 2019 und bisher in 2020 die Grundwasserspiegel weiter sinken. Die Vegetation konnte sich trotz der wenigen Niederschläge in den Wintermonaten immer noch nicht erholen. Wir sind leider weit von „normalen“ Bedingungen entfernt. Um die Widerstandsfähigkeit der brandenburgischen Ökosysteme gegenüber Dürren und anderen Klimaveränderungen zu verbessern, müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die die Grundwasserneubildung fördern und Böden schaffen, die mehr Wasser speichern können. Unsere Ergebnisse unterstreichen die zentrale Rolle der Vegetation in der Entwicklung solcher Strategien.“ fasst Dörthe Tetzlaff zusammen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischenrei (IGB) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.