Über 11.000 bekannte Vogelarten morphologisch und ökologisch erfasst



Bio-News vom 15.03.2022

Der frei zugängliche Datensatz AVONET bietet erstmalig eine umfangreiche Beschreibung der morphologischen Merkmalsvielfalt der über 11 Tausend Vogelarten. Insgesamt erfasste das Team dafür Daten von mehr als 90 Tausend Vögeln und zeigt, dass die erfassten Merkmale mit der Ernährung, der Umwelt und der Lebensweise der Vögel zusammenhängen. So belegt beispielsweise eine der ersten Arbeiten auf Grundlage von AVONET, dass weltweit die Schnabelweite von fruchtfressenden Vögeln einer Region mit der Größe von Palmfrüchten aus demselben Gebiet zusammenhängt.

Eine Stockente und ein Wanderfalke bringen jeweils zwischen 0,7 und 1,6 Kilogramm auf die Waage – bezüglich ihrer Lebensweise verbindet die beiden Vögel bis auf ihre Körpermasse aber nicht viel. „Wir haben für nahezu alle beschriebenen Vogelarten weltweit neun Merkmale zusammengetragen, z.B. zu ihrer Schnabel- und Flügelform. Hierfür haben wir in einem globalen Konsortium mehr als 90.000 individuelle Vögel aus 11.000 Arten und 181 Ländern vermessen“, erklärt Prof. Dr. Susanne Fritz vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) und der Goethe-Universität Frankfurt und fährt fort: „Diese funktionellen Merkmale korrelieren mit wichtigen ökologischen Eigenschaften der Vogelarten, beispielsweise mit deren Nahrung und Fortbewegungsweise. In früheren Studien wurden meist nur weit gefasste Kategorien wie der Lebensraum, die Hauptnahrung oder das Körpergewicht verwendet – dies sagt aber oft wenig über die spezifische Rolle der Vögel im Ökosystem aus.“

Zielsetzungen der bislang umfassendsten, weltweiten Zusammenstellung funktioneller Merkmale einer Organismengruppe sind die Überprüfung ökologischer Theorien zur Entstehung der biologischen Vielfalt sowie das Erstellen einer besseren Datenbasis für Vorhersagen zum Verlust dieser Vielfalt angesichts sich verändernder Lebensräume und Klimabedingungen.


Der relativ breite Schnabel dieses Maskentrogon-Weibchens, das sich im kühlen Morgengrauen aufplustert, erlaubt das Fressen von größeren Früchten.

Publikation:


Tobias, J.A., Sheard, C., Pigot, A.L., Devenish, A.J.M., Yang, J., Sayol, F., et al.
AVONET: morphological, ecological and geographical data for all birds
Ecology Letters, 25, 581– 597 (2022)

DOI: 10.1111/ele.13898



Außerdem werden die Merkmalsdaten genutzt, um wichtige Prozesse und Wechselwirkungen in Ökosystemen neu zu entschlüsseln. Dr. Matthias Schleuning, ebenfalls SBiK-F, erläutert: „Zum Beispiel haben wir AVONET mit einer Datenbank von Palmenmerkmalen kombiniert und konnten so zeigen, dass es global eine Beziehung zwischen der Schnabelweite von Vögeln und der Größe von Palmfrüchten gibt.“ Für diese Analyse wurde anhand von Merkmalsdaten zu 1.100 fruchtfressenden Vogel- und 2.000 Palmenarten eine weltweite Karte erstellt, welche das Vorkommen dieser Tiere und Pflanzen kombiniert. Schleuning fasst zusammen: „Je breiter ein Schnabel, desto größere Palmfrüchte kann ein Vogel verzehren. Da viele Vogelarten die Früchte von Palmen fressen, hat sich aus diesem Zusammenspiel eine enge Verflechtung zwischen der Morphologie von Vögeln und Palmen entwickelt: Denn die Vögel brauchen die Früchte als Nahrung und die Palmen brauchen die Vögel zur Ausbreitung ihrer Samen.“


Schnäbel zeigen oft deutlich, was und wie der Vogel frisst. Kolibris wie die Langschwanzsylphe nutzen ihren langen Schnabel, um Nektar aus Blüten zu saugen.

Publikation:


McFadden, I.R., Fritz, S.A., Zimmermann, N.E., Pellissier, L., Kissling, W.D., Tobias, J.A., et al.
Global plant-frugivore trait matching is shaped by climate and biogeographic history
Ecology Letters, 25, 686– 696 (2022)

DOI: 10.1111/ele.13890



Unter der Federführung von Dr. Joseph Tobias vom Imperial College London und von Senckenberg-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 115 Autorinnen und Autoren aus 106 Einrichtungen in 30 Ländern mit ihrem Fachwissen und ihren Daten zu AVONET beigetragen. Die untersuchten Vögel stammen aus einer Vielzahl von naturhistorischen Sammlungen, insbesondere aus Naturmuseen wie den Senckenberg-Museen in Frankfurt und Dresden. Darunter finden sich auch viele historische Vogelbälge – zum Beispiel gesammelt von Berühmtheiten wie Charles Darwin, Alfred Russel Wallace oder Ernest Shackleton. „Diese Daten aus vergangenen Jahrhunderten sind unersetzlich. Etwa um zu verstehen, ob der steigende menschliche Einfluss auf Lebensräume zu langfristigen morphologischen und ökologischen Veränderungen bei Vögeln geführt hat“, führt Fritz aus.

„Auch wenn wir uns bei AVONET ausschließlich auf Vögel konzentriert haben, hoffen wir, dass unser Projekt eine Blaupause für ähnliche Bemühungen in anderen Organismengruppen sein kann. Unser gemeinsames Ziel ist es, nach und nach Datenbanken zu den funktionellen Merkmalen ganz unterschiedlicher Organismengruppen zusammenzustellen und diese auch miteinander zu verknüpfen. Dies wäre ein Meilenstein, um den Verlust von biologischer Vielfalt besser verstehen und vorhersagen zu können“, gibt Schleuning einen Ausblick.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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