Ökologischer Imperialismus


Als ökologischer Imperialismus oder Umweltimperialismus werden allgemein von Staaten oder Organisationen beschlossene und anderen Staaten auferlegte Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt verstanden.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen verstehen darunter die zunehmende ökologische Schädigung in Entwicklungsländern, deren Ursache im übermäßigen Ressourcenverbrauch in den Industrieländern und im ungerechten Welthandelssystem zu suchen sei, das eine Verlagerung von Umweltschäden begünstige.

Eine andere Bedeutung beinhaltet primär den Vorwurf, mit Mitteln der Umweltpolitik macht- oder wirtschaftspolitische Interessen zu Lasten der sogenannten Dritten Welt durchzusetzen.

Historischer Imperialismus

Der Begriff ökologischer Imperialismus wurde 1986 von Alfred W. Crosby in seinem Buch Ecological Imperialism: The Biological Expansion of Europe, 900-1900 geprägt.[1] Darin vertritt Crosby die These, dass die europäische Kolonisierung Amerikas vornehmlich mit ökologischen Faktoren wie eingeschleppten Krankheiten und mitgebrachten Tier- und Pflanzenarten einherging und nicht, wie häufig zu lesen, vor allem auf überlegene Waffen oder Technologie zurückzuführen ist. Crosbys Konzept des ökologischen Imperialismus findet bis heute Resonanz in der Forschung und wurde unter anderem auf Kanada angewendet.[2]

Imperialismus als Herrschaft über Umweltgüter

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen haben ein ganz anderes Verständnis von der Bedeutung des ökologischen Imperialismus. Sie setzen voraus, dass eine intakte Umwelt und entsprechende Gesetze zu ihrem Schutz zur Sicherstellung von Wohlstand erforderlich seien. Umweltgruppen und andere Nichtregierungsorganisationen erheben die Klage, dass Umweltbelange bei der Entwicklungs- und Handelspolitik nicht genug berücksichtigt werden. Derartige Thesen werden zum Beispiel von Vandana Shiva, Anil Agarwal oder Arturo Escobar vertreten. Neben Vertretern von Entwicklungsländern und groß angelegten Forschungsberichten wie dem Millennium Ecosystem Assessment betonen auch einzelne Autoren wie Jared Diamond die Bedeutung intakter Umweltressourcen für die Entwicklung eines Landes. Unter anderem vergleicht Diamond die nebeneinander auf der Karibik-Insel Hispaniola gelegenen Länder Haiti und die Dominikanische Republik. Während Haiti nahezu vollständig entwaldet und gleichzeitig extrem arm sowie politisch instabil ist, lässt sich in der Dominikanischen Republik das Gegenteil beobachten. Dort wurde der existierende Urwald mit rigiden Gesetzen geschützt, so dass die wirtschaftliche Entwicklung deutlich gefestigter ist als im Nachbarstaat.[3]

Das Wuppertal Institut beschreibt in seinem Buch Fair Future das Phänomen, dass viele der besonders schmutzigen industriellen Produktionsschritte mittlerweile von den Industrie- in Schwellenländern verlagert worden seien. Während die fertig produzierten Güter nach wie vor in den reichen Ländern konsumiert werden, entstehe die damit verbundene Umweltverschmutzung jetzt weit vom Ort des Konsums entfernt an den Produktionsstätten.[4] Eine solche Form des Exports von Umweltschäden kann auch in der globalen Erwärmung gesehen werden. Während der Großteil der Treibhausgasemissionen in den Industrieländern entsteht, werden Entwicklungsländer am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Solche Prozesse können als imperialistische Aneignung von Umweltgütern und -ressourcen durch reiche Staaten verstanden werden, so Christoph Görg.[5] Weitere Beispiele sind der Export giftiger Abfälle oder die Zerstörung von kleinbäuerlichen Strukturen durch „moderne“ Agrartechniken (Monokultur) und neoliberale Handelsstrukturen. Durch die Regeln der Welthandelsorganisation werde der Öffnung von Märkten der Vorzug vor lokalen Umweltschutzzielen gegeben. Eine Folge sei die zunehmende Zerstörung von Umweltgütern und damit Wirtschaftschancen und Lebensqualität.

Öko-Imperialismus als aufgedrückte Umweltregulation

Eine weitere Bedeutung des Begriffs wurde hauptsächlich durch den amerikanischen Autor Paul Driessen geprägt.[6] Er vergleicht den imperialistischen Kolonialismus der Europäer im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert mit den Aktivitäten und der Einflussnahme „ökologistischer“ Gruppierungen in Entwicklungsländern. Statt des eigentlichen Umweltschutz-Gedankens stünden politische oder wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, viele „grüne“ Kampagnen führten in Entwicklungsländern zu Verhinderung und Rückschritt, wodurch der wirtschaftliche Aufschwung in diesen Ländern klein gehalten würde. In manchen Fällen ist sogar Umweltzerstörung die Folge - wie zum Beispiel das Abholzen von Urwäldern in Indonesien zum Pflanzen von Palmöl-Plantagen für Biotreibstoffe. Ähnliche Thesen werden vom dänischen Autor und Dozenten für Politikwissenschaft an der Copenhagen Business School Bjørn Lomborg vertreten. Roy Innis, dem Vorsitzenden der Bürgerrechtsbewegung Congress of Racial Equality zufolge liegt Öko-Imperialismus dann vor, wenn das "Wohl der Umwelt" über das "Wohl der Menschen" gestellt wird. "Wir kämpfen immer noch denselben Kampf für die Befreiung der schwarzen Bevölkerung. Früher hieß das, sich mit den alten Rassisten und Kolonialisten anzulegen – heute heißt es auch, den Umweltschützern den Kampf anzusagen." Als Beispiel führt er an, dass afrikanische Staaten gedrängt würden, kein DDT zur Malariabekämpfung einzusetzen.[7]. Ein ähnliches Beispiel ist die Ausübung politischen Drucks gegen die Einfuhr von gentechnologisch angebautem Getreide in Länder der dritten Welt.

Umweltorganisationen halten dieser Kritik entgegen, dass eine "gesunde Umwelt" und entsprechende Gesetze zum Schutz der Umwelt und zur Sicherstellung eines globalen Wohlstandes erforderlich seien. Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung sei in den 1970er Jahren vor allem für Entwicklungsländer entwickelt worden, um deren Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Bewahrung der Umwelt zu ermöglichen. Zudem erheben Umweltgruppen und andere Nichtregierungsorganisationen die Klage, dass die Umweltbelange in den Entwicklungsländern bei der Entwicklungs- und Handelspolitik nicht genug berücksichtigt würden.

Einzelnachweise

  1. Alfred W. Crosby: Ecological Imperialism: The Biological Expansion of Europe, 900-1900, Studies in Environment and History, Cambridge University Press, ISBN 978-0521320092. Reissue 1995, ISBN 978-0521456906. 2. Auflage 2004, ISBN 978-0521837323
  2. Liza Piper und John Sandlos: A Broken Frontier: Ecological Imperialism in the Canadian North, in: Environmental History, Vol. 12, Nr. 4, 2007, S. 759-795
  3. Jared Diamond: Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen, Fischer (Tb.), Frankfurt 2006, ISBN 978-3596167302
  4. Wuppertal Institut (Hrsg.): Fair Future - Begrenzte Ressourcen und Globale Gerechtigkeit, C.H. Beck, Wuppertal 2005, ISBN 978-3406527883
  5. Christoph Görg: Ökologischer Imperialismus? Ressourcenkonflikte und ökologische Abhängigkeiten in der neoliberalen Globalisierung, in: Widerspruch, Nr. 24 (47), 2004, S. 95-107
  6. Paul K. Driessen: Öko-Imperialismus - Grüne Politik mit tödlichen Folgen, Thuß und van Riesen GbR, 2006
  7. http://www.novo-magazin.de/84/novo8424.htm

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