Abstillen
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Abstillen (Ablaktation) ist das Entwöhnen des menschlichen Säuglings von der Brusternährung mit Muttermilch bei möglichst gleichzeitigem Unterbinden der Milchsekretion der Mutter. Der allgemeiner auf Tiere bezogene Begriff ist „Absetzen“. Beim Menschen unterscheidet man primäres und sekundäres Abstillen. Primäres Abstillen bezeichnet, dass nach der Geburt nicht mit dem Stillen begonnen wird. Sekundäres Abstillen bezeichnet das Abstillen nach einem Zeitraum, in dem gestillt wurde.
Zeitpunkt des Abstillens
Der richtige Zeitpunkt des Abstillens ist individuell verschieden und muss von jeder Mutter und ihrem Kind selbst bestimmt werden. Der Zeitpunkt schwankt vom Wochenbett bis zu vier oder mehr Jahren.[1] Wird der Säugling nach Bedarf gestillt und darf er den Zeitpunkt des Abstillens selbst bestimmen, so liegt der Zeitpunkt des Abstillens häufig erst nach dem zweiten oder dritten Geburtstag. Ein echtes Abstillen von Seiten des Kindes im ersten Jahr kommt so gut wie nie vor. Betrachtet man das Säugeverhalten von Säugetieren und passt die Daten an den Menschen an, so würde sich ein Abstillalter zwischen 2,5 und 7 Jahren ergeben. Der Vergleich des Abstillalters von 64 traditionellen Kulturen, wie er von Katherine Dettwyler und Stuart McAdam in „Breastfeeding: Biocultural Perspectives“, 1995, angestellt wird, kommt zu einer Kurve, deren Scheitelpunkt kurz vor dem 3. Geburtstag liegt. Der früheste Abstillzeitpunkt der untersuchten Kulturen liegt kurz vor dem ersten Geburtstag, der späteste bei etwa 5 ½ Jahren.
Ein Baby ist bereit für Beikost, wenn:
- der Zungenstoßreflex, durch den feste Nahrung automatisch aus dem Mund befördert wird, verschwunden ist,
- es Interesse an der Nahrung hat und diese selbst zum Mund befördern kann,
- es alleine sitzen kann,
- es ein gesteigertes Stillbedürfnis zeigt, das sich nicht nach wenigen Tagen wieder normalisiert und nicht auf andere Gründe, wie z. B. Zahnen, Erkrankung, Stress, Wachstum zurückzuführen ist.
In jedem Fall sollte ein sanftes, d. h. ausschleichendes Abstillen angestrebt werden, gleichgültig, ob dies vom Kind oder von der Mutter ausgeht. Dadurch werden Verlustängste beim Säugling und gesundheitliche Probleme – wie Milchstau bei der Mutter – vermieden. Beim natürlichen Abstillen nach Bedarf des Kindes wird das Kind mit steigender Entwicklung und Reife immer weniger und seltener gestillt werden wollen. Bei einem von der Mutter eingeleiteten Abstillen sollte nur langsam, über Wochen hinweg, eine Stillmahlzeit nach der anderen durch eine Beikostmahlzeit ersetzt werden.
Ein frühzeitiges Abstillen kann verschiedene Ursachen haben: Bei ungenügender Sekretion oder Entzündungen der Brüste, bei allgemein zehrenden Krankheiten (zum Beispiel Tuberculose) und seelischen Störungen der Wöchnerin. In medizinisch angezeigten Fällen kann es medikamentös unterstützt werden.
Die Empfehlung, ab wann Beikost eingeführt werden soll, variiert je nach Land, bzw. nach den lokalen hygienischen Standards. In Deutschland sind die Empfehlungen beispielsweise: Beikost darf ab vollendetem 4. Lebensmonat eingeführt werden. Zwischen vollendetem 4. und vollendetem 6. Lebensmonat sollte begonnen werden.[2]
Sanfte Einführung von Beikost
Diese Methode (englisch: responsive feeding) wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) propagiert. Die WHO empfiehlt generell eine ausschließliche Ernährung durch Stillen bis zum Alter von 6 Monaten und danach ein Weiterstillen bis 2 Jahre und darüber hinaus. Nach dem 6. Monat soll mit 2 bis 3 kleinen Portionen von Beikost gestartet werden. Danach soll die Menge je nach Appetit des Kindes gesteigert werden, während weiterhin nach Bedarf gestillt wird.[3]
Beikost nach Bedarf
Babygeführtes Abstillen, (auch: babygeführtes Abstillen, englisch: Baby-led weaning – BLW), ist eine mögliche Abstillmethode, die basierend auf den Empfehlungen der WHO entwickelt wurde.[4] Dabei soll der Abstillvorgang und der Wechsel zu fester Nahrung im Wesentlichen von dem Baby selbst gesteuert werden. Dies wird erreicht, indem das Baby sich vom Beginn des Abstillvorgangs selbst füttert.
Das babygeführtes Abstillen kann etwa ab dem 5. bis 7. Lebensmonat starten, wenn die kindliche Entwicklung darauf hinweist, dass das Baby nun mit fester Nahrung umgehen kann. Das Baby muss in der Lage sein, aufrecht zu sitzen, es muss an den Mahlzeiten teilnehmen wollen und vielleicht schon anfangen, nach Essen zu greifen und es in den Mund zu nehmen. Der von der WHO zur Verfügung gestellte 6-Monate-Leitfaden basiert auf Forschungsergebnissen, die zeigen, dass das interne Verdauungssystem zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat ausreift. Es scheint schlüssig, dass das Verdauungssystem parallel mit den motorischen Fähigkeiten des Babys, sich selbst zu füttern, ausreift. Um das Interesse des Kindes zu wecken, werden verschiedene Speisen angeboten. Das Baby lernt zunächst, das Essen in die Hand zu nehmen und davon zu probieren. Zunächst nimmt das Baby nur wenig feste Nahrung zu sich, hauptsächlich entdeckt es die Beschaffenheit und den Geschmack. Bald jedoch beginnt es damit, das ihm angebotene Essen zu schlucken und zu verdauen. Es wird weiterhin gestillt und Milch wird im ersten Lebensjahr immer vor dem Essen fester Nahrung angeboten.[5]
Es gibt keine Forschungsergebnisse, die die Einführung fester Nahrung zusammen mit Babybrei unterstützen. BLW-Befürworter argumentieren, dass Babys durcheinander kommen, wenn nach dem Brei Nahrung mit Stückchen eingeführt wird.[6] Laut der Studie von Clara M. Davis von 1939 sind Babys im Alter von sechs Monaten fähig, mithilfe ihres Geschmackssinnes diejenigen Lebensmittel zu wählen, welche die Nährstoffe enthalten, die sie zurzeit benötigen[7][8]. Das Baby lernt am effektivsten, wenn es andere beobachten und imitieren kann. Ihm zu erlauben, dasselbe und zur gleichen Zeit zu essen wie alle anderen Familienmitglieder, trägt dazu bei, dass es positive Umgewöhnungserfahrungen macht.
Abruptes Abstillen
Ein plötzliches Abstillen kann erforderlich sein, wenn die Mutter erkrankt oder vom Kind getrennt werden muss. Wird die Brust plötzlich nicht mehr geleert, so sollte diese von Hand ausgestrichen oder abgepumpt werden. Diese ersatzweise Entleerung kann langsam verringert werden, um die Milchbildung nicht weiter anzuregen. Es kann ein Milchfieber entstehen, das in der Regel innerhalb von drei bis vier Tagen unproblematisch abklingt. Eine medikamentöse Behandlung zur Unterstützung des Abstillens wird außer bei zusätzlichen medizinischen Indikatoren wegen der Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen.[9]
Literatur
- Christine Mändle, Sonja Opitz-Kreuter (Hrsg.): Das Hebammenbuch: Lehrbuch der praktischen Geburtshilfe. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 978-3-7945-2402-0, S. 773 ff.
- Márta Guóth-Gumberger, Elizabeth Hormann: Stillen. Gräfe und Unzer, 2008, ISBN 978-3-8338-0405-2, S. 117 ff.
Einzelnachweise
- ↑ Abstillen – wann und wie? Artikel im Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP)
- ↑ Einführung von Beikost Informationsseite des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund, abgerufen am 3. Juni 2012
- ↑ Guiding principles for complementary feeding of the breastfed child Broschüre der WHO. Kurzbeschreibung mit Link zur PDF-Datei (in Englisch, Französisch und Spanisch)
- ↑ Der Säugling braucht keinen Babybrei Artikel auf Welt-Online vom 21. Juni 2007
- ↑ * Gill Rapley: Baby-led Weaning: Helping Your Baby to Love Good Food. Vermilion, 6. November 2008, ISBN 978-0-091923-80-8.
- ↑ Rapley, G. 2006. Baby-led weaning, a developmental approach to the introduction of complementary foods. In Hall Moran, V and Dykes, F. eds. Maternal and Infant Nutrition and Nurture: Controversies and Challenges. Quay Books, London. pp 275-298.
- ↑ Davis, Clara M. Results of the self-selection of diets by young children. Can Med Assoc J 1939 41: 257-61
- ↑ Strauss, Stephen. Clara M. Davis and the wisdom of letting children choose their own diets. Can Med Assoc J 2006 175: 1199
- ↑ Der Abstillprozess, Artikel im Still-Lexikon, siehe Weblinks
Weblinks
- Abstillen auf kindergesundheit-info.de, Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
- Der Abstillprozess Artikel im Still-Lexikon von Dr. Zsuzsa Bauer
- Kein Säugling schreit nach der Flasche Artikel des Schweizerischen Beobachters vom 5. Dezember 2007