Amidasen


Amidasen (auch: Amidohydrolasen) sind in der Enzymologie, einem Teilgebiet der Biochemie, Enzyme, welche eine chemische Reaktion zur Spaltung von Amidbindungen katalysieren. Die Enzyme bilden eine Unterfamilie der Hydrolasen. Sie erfüllen wichtige Funktionen in allen Lebewesen.[1]

Katalysierte Reaktionen

Ein Monocarbonsäureamid reagiert dabei mit Wasser unter dem Einfluss einer Amidase zu einer Monocarbonsäure und Ammoniak bzw. dem Ammoniumsalz der Monocarbonsäure:

$ \mathrm {R{\text{-}}CO{\text{-}}NH_{2}+H_{2}O\longrightarrow \;R{\text{-}}CO{\text{-}}OH+NH_{3}\;\;\rightleftharpoons \;\;R{\text{-}}COO^{-}+NH_{4}^{+}} $

Auch manche sekundäre Amide werden von Amidasen hydrolysiert, jedoch zeigt sich hier die Stabilität der meisten Amidbindungen, die so nicht gespalten werden können:

$ \mathrm {R{\text{-}}CO{\text{-}}NH{\text{-}}R'+H_{2}O\longrightarrow \;R{\text{-}}CO{\text{-}}OH+R'{\text{-}}NH_{2}} $
Sekundäres Amid wird zu Karbonsäure und Amin umgesetzt

Im besonderen Fall einer Peptidbindung heißt das spaltende Enzym Peptidase, diese gehören formal nicht mehr zu den Amidasen.

Zyklische Amidbindungen, beispielsweise in Lactamen, werden von Lactamasen gespalten, die ebenfalls zu den Amidasen gehören:

Öffnung des Lactamrings in Penicillin durch eine beta-Lactamase und anschließende spontane Abspaltung von CO2

Amidasen im Menschen

Im Menschen wurden mehrere Dutzend Amidasen identifiziert, die alle wichtige Funktionen erfüllen, darunter Ceramidasen, Histon-Deacetylasen und Sirtuine. Weitere wichtige Einzelenzyme dieser Gruppe sind die Arylformamidase, die Biotinidase, die Glutaminase und die Pantetheinase.

Pathologie

Von acht Amidasen des Menschen sind Polymorphismen bekannt, die zu seltenen Erbkrankheiten führen können.

Gen-Name Amidase OMIM Erbkrankheit
ACY1 Aminoacylase-1 609924 Enzephalopathie mit assoziiertem Aminoacylase-1-Mangel (ACY1D)[2]
AGA Glykosylasparaginase 208400 Aspartylglukosaminurie (AGU)[3]
ASAH1 Saure Ceramidase 228000 Farber-Syndrom
ASPA Aspartoacylase 271900 Canavan-Syndrom[4]
BTD Biotinidase 253260 Biotinidasemangel
HDAC4 Histon-Deacetylase 4 600430 Brachydaktylie mit assoziierter geistiger Behinderung (BDMR), auch 2q37-Mikrodeletionssyndrom[5]
PIGL N-Acetylglucosaminyl-N-deacetylase 280000 CHIME-Syndrom
UPB1 Beta-Ureidopropionase 613161 Beta-Ureidopropionase-Mangel (BUPD)[6]

Technische Anwendung zur Racematspaltung

Das Enzym L-Acylase zählt auch zu den Amidasen. Es findet technische Anwendung bei der Racematspaltung von Aminosäuren[7]. Aus der Acetylierung der Aminogruppe der racemischen Aminosäure DL-Methionin mit Essigsäureanhydrid resultiert N-Acetyl-DL-methionin. Enantiospezifisch wird dann unter katalytischen Einfluss der L-Acylase die Acetylgruppe des N-Acetyl-L-methionins abgespalten, es entsteht L-Methionin und Essigsäure. Das N-Acetyl-D-methionin bleibt unverändert. Dieses Verfahren wird auch kinetische Racematspaltung genannt. Nach demselben Trennprinzip ist die Racematspaltung vieler anderer α-Aminocarbonsäuren möglich.

Literatur

  • InterPro: Amidase
  • Lexikon der Biochemie, Spektrum Akademischer Verlag
  • K. Drauz, H. Gröger, O. May (Ed.): Enzyme Catalysis in Organic Synthesis, Volume 1. Wiley, 2012 (Volltext in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise

  1. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich, 2006, S. 450, ISBN 978-3-906390-29-1.
  2. OrphaNet: ACY1D
  3. OrphaNet: AGU
  4. OrphaNet: Canavan-S.
  5. OrphaNet: 2q37
  6. OrphaNet: BUPD
  7. Chibata I, Tosa T: Use of immobilized cells. In: Annu. Rev. Biophys. Bioeng. 10. Jahrgang, 1981, S. 197–216, doi:10.1146/annurev.bb.10.060181.001213, PMID 7020575.