Candidatus (Biologie)


Kultur eines Bakteriums aus einem marinen Schwamm in einer Petrischale mit einem Nährboden aus Agar-Agar

Candidatus ist ein Begriff, der in der wissenschaftlichen Nomenklatur dem Namen einer Bakterienart vorangestellt wird, wenn diese Art noch nicht kultiviert werden konnte. Die Schreibweise ist dann beispielsweise "Candidatus Desulforudis audaxviator" für ein Bakterium, dessen Erbgut (DNA) aus dem Wasser in einer Tiefe von mehr als 1500 m in südafrikanischen Minen isoliert wurde oder für "Candidatus Thiobios zoothamnicoli" für ein auf den Kolonien eines Wimpertierchens lebendes, sulfidreduzierendes Bakterium, das bisher nur zusammen mit den Kolonien kultiviert werden konnte.

Verwendung

Für die gültige Beschreibung und Publikation einer Bakterienart ist es nötig, diese Art von anderen zu isolieren und zu kultivieren. Ein solcher Bakterienstamm wird dann in einer Sammlung von Bakterienkulturen, wie der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen, gehalten. Die Physiologie und Lebensweise der Bakterien kann dadurch studiert werden. Bei vielen Arten ist diese Kultivierung unter Laborbedingungen nicht möglich, da sie als Parasiten oder Endosymbionten in den Zellen oder in den Organen anderer Organismen leben oder in der Tiefsee unter extremen ökologischen Bedingungen vorkommen.

Der Status Candidatus wird also verwendet, wenn eine Mikrobenart zwar gut charakterisiert ist, vor allem durch molekulargenetische Analyse des Erbmaterials, aber nicht unter Laborbedingungen ohne die Anwesenheit anderer Zellen isoliert und dauerhaft in einer Bakterienkultur gehalten werden konnte.[1]

Geschichte

1994 schlugen Murray und Schleifer vor, solche ungenügend beschriebene Bakterientaxa anstatt als Art oder Gattung als Candidatus ohne taxonomischen Rang zu bezeichnen. Candidatus ist also die Vorstufe zu einem möglichen Taxon. Es wurde empfohlen, eine Liste dieser Kandidaten für ein Taxon in einer Liste im International Journal of Systematic Bacteriology (heute International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology) zu veröffentlichen. 1995 wurde von Murray und Stackebrandt die Implementierung des Status Candidatus für unvollständig beschriebene Bakterientaxa empfohlen und gewann zunehmend an Bedeutung. Die Kategorie Candidatus soll nach diesem Vorschlag für die Beschreibung prokaryotischer Lebewesen verwendet werden, von denen mehr als eine DNA-Sequenz bekannt ist, wenn die Bedingungen für eine vollständige Beschreibung nach dem International Code of Nomenclature of Bacteria nicht erfüllt sind. Außer der genetischen Information soll eine solche Beschreibung auch alle verfügbaren Informationen über morphologische Merkmale und Ultrastruktur, den Stoffwechsel, und die Reproduktion enthalten.

Einzelnachweise

  1. B. J. Tindall, P. Kämpfer, J. P. Euzéby, A. Oren: Valid publication of names of prokaryotes according to the rules of nomenclature: past history and current practice. Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 56 (11), S. 2715-20, November 2006 PMID 17082418. DOI: 10.1099/ijs.0.64780-0)

Weblinks

Literatur

  • R. G. E. Murray und Karl-Heinz Schleifer: Taxonomic notes: a proposal for recording the properties of putative taxa of procaryotes. In: Int. J. Syst. Bacteriol. 44, S. 174–176, 1994
  • Judical Commission of the International Committee on Systematic Bacteriology: Minutes of the meetings. 2. und 6. Juli 1994, Prague, Czech Republic. In: Int. J. Syst. Bacteriol. 1995, 45, 195–196.
  • R. G. E. Murray und E. Stackebrandt: Taxonomic Note: implementation of the provisional status Candidatus for incompletely described procaryotes. In: Int. J. Syst. Bacteriol. 45, S. 186–187, 1995
  • E. Stackebrandt, W. Frederiksen, G. M. Garrity, P. A. D. Grimont, P. Kämpfer, M. C. J. Maiden, X. Nemse, R. Rossello-Mora, J. Swings, H. G. Trüper, L. Vauterin, A. C. Ward und W. B. Whitman: Report of the ad hoc committee for the re-evaluation of the species definition in bacteriology. In: Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 52, S. 1043–1047, 2002