Chronisches Schmerzsyndrom


Klassifikation nach ICD-10
F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
R52.1 Chronischer unbeeinflussbarer Schmerz
R52.2 Sonstiger chronischer Schmerz
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ein chronisches Schmerzsyndrom bzw. eine chronische Schmerzkrankheit entsteht, wenn Schmerz seine eigentliche Funktion als Warn- und Leithinweis verliert und einen selbständigen Krankheitswert erhält. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird dabei verkürzt von chronischen Schmerzen gesprochen.

Unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension ist davon auszugehen, dass ein chronisches Schmerzsyndrom entsteht, wenn Schmerzen länger als sechs Monate (heute eher: länger als 3 bis 6 Monate) bestehen. Alternativ wird chronischer Schmerz gelegentlich ohne konkreten Zeitrahmen definiert als Schmerz, der über die zu erwartende Zeitdauer zur Heilung anhält.[1]

Chronische Schmerzen führen in der Regel zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle sowie zwangsläufig zu psychopathologischen Veränderungen und einer Belastung des persönlichen sozialen Umfelds.

In Deutschland wurde 1996 die qualifizierte Behandlung einer chronischen Schmerzkrankheit nach Verhandlungen zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und Spitzenverbänden der Ersatzkassen erstmals verrechenbar. Die Zahl der Betroffenen wird in Deutschland auf 8 bis 10 Millionen geschätzt.

2009 wurde in der deutschen Ausgabe des ICD-10 die Diagnose F 45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren eingeführt, mit der wissenschaftliche Erkenntnisse über die vielfältigen Ursachen chronischer Schmerzen nicht nur auf körperlicher sondern auch auf psychischer Ebene abgebildet werden können.[2]

Formen

Gesondert hervorgehobene Schmerzsyndrome

  • genitales Schmerzsyndrom
  • komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
  • femoropatellares Schmerzsyndrom
  • myofasziales Schmerzsyndrom
  • Fibromyalgie
  • Schmerz als Begleitsymptom einer Gewebeschädigung oder -erkrankung (nozizeptiv-neuro-pathische Schmerzsyndrome)
  • Schmerz bei Gewebeschädigung/-erkrankung mit psychischer Komorbidität[3]

Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung

  • Gewebeschädigung bei psychischer Vorerkrankung
  • Schmerz im Rahmen einer depressiven Störung
  • Schmerz im Rahmen einer psychoreaktiven Störung je nach Ursache und Ausprägung
  • Schmerz im Rahmen einer Angst- oder Panikstörung
  • Schmerz bei im Vordergrund stehenden psychosozialen Faktoren
  • Schmerz in Verbindung mit psychotropen Substanzen
  • Schmerz bei anderen psychischen Erkrankungen[3]

Begutachtung

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutschen Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung hat eine S2k-Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen entwickelt, die Medizinischen Sachverständigen als Grundlage dient.

In der Zusammenarbeit zwischen Gutachtern verschiedener Fachdisziplinen sollen qualitätssichernde Maßnahmen für die Gutachtenerstellung und Grundlagen für einheitliche Einschätzungen schmerzkranker Menschen im Zivil-, allgemeinen Verwaltungs- und Sozialrecht ermöglicht werden.

In der gutachtlichen Situation sind vereinfacht 3 Kategorien von Schmerzen zu unterscheiden:

  • Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Störung mit den Untergruppen
    • „Übliche Schmerzen“ als Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Erkrankung bzw. einer Nervenschädigung.
    • „Außergewöhnliche Schmerzen“ z.B.
      • bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder
      • im Rahmen eines „komplexen regionalen Schmerzsyndroms“ (CRPS).
  • Körperlich zum Teil erklärbare Schmerzen mit psychischer Komorbidität als zahlenmäßig größte zur Begutachtung kommende Gruppe.
  • Schmerz als Ausdruck einer primären psychischen Erkrankung insbesondere im Rahmen depressiver Störungen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Turk DC und Okifuji A (2001). Pain terms and taxonomies. in Loeser D, Butler SH, Chapman JJ et al. Bonica's management of pain (3 ed.). Lippincott Williams & Wilkins. pp. 18–25. ISBN 0-683-30462-3
  2. Rief W., Treede R.-D., Schweiger U., Henningsen P., Rüddel H. & Nilges P.: Neue Schmerzdiagnose in der deutschen ICD-10-Version. In: Der Nervenarzt. Band 80, 2009, S. 340–342, doi:10.1007/s00115-008-2604-1.
  3. 3,0 3,1 AWMF - 2012 - S2k-Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen

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