Dickinsonia



Dickinsonia

Dickinsonia (Rekonstruktion)

Zeitliches Auftreten
Ediacarium
560 bis 555 Mio. Jahre
Fundorte
  • Flinderskette, Australien
  • Weißes Meer, Russland
  • Ural, Russland
  • Podolien, Ukraine
  • Rajasthan, Indien
Systematik
Reich: Vielzellige Tiere
incertae sedis
Gattung: Dickinsonia
Wissenschaftlicher Name
Dickinsonia
Sprigg, 1947
Arten
  • Dickinsonia costata
  • Dickinsonia tenius
  • Dickinsonia rex
  • Dickinsonia lissa
  • Dickinsonia menneri

Dickinsonia ist eine Gattung ausgestorbener Lebewesen. Ihre Vertreter lebten im Ediacarium vor über 555 Millionen Jahren und sind nur schwer mit heutigen Lebewesen zu vergleichen. Im Allgemeinen wird Dickinsonia als ein früher Vertreter vielzelliger Tiere (Metazoa) angesehen. Seine systematische Einordnung wird auf Grund der zahlreichen oft einzigartigen und daher nur schwer zu interpretierenden Merkmale der Fossilien von Dickinsonia kontrovers diskutiert. Auch eine Einordnung in das Reich der Pilze und die Zuordnung zu einem ausgestorbenen Reich wurden erörtert.

Merkmale

Reliefstrukturen von verschiedenen Dickinsonia-Arten

Fossilfunde von Dickinsonia weisen eine große Variabilität der Größe auf. Basierend auf diesen Funden waren die Vertreter dieser Gattung zwischen 4 mm und 1,40 m groß und nur wenige Millimeter dick.[1] Die meisten Vertreter hatten eine ovale Gestalt. Charakteristisch ist das Relief der Dickinsonia-Fossilien. Ausgehend von einer Zentralfurche ist der Körper von zahlreichen weiteren Furchen durchzogen.

Die gefundenen Fossilien lassen einen großen Spielraum für Interpretationen. Einige Paläontologen um Adolf Seilacher gehen davon aus, dass Dickinsonia ein besonders einfach gebautes, möglicherweise einzelliges Lebewesen war, das einer „flüssigkeitsgefüllten Luftmatratze“ ähnelte.[2] Andere Wissenschaftler gehen von einem komplexer gebauten Organismus aus. Die Zentralfurche wurde so beispielsweise als ein Darm interpretiert. Frühere Interpretationen, nach denen Dickinsionia sowohl einen Mund als auch einen Anus besaß, werden heute kaum noch geteilt. Die von der Zentralfurche ausgehenden Furchen deuten auf eine mögliche Segmentierung des Körpers. Der Körper selbst weist – je nach Interpretation – eine Bilateral- oder Gleitspiegelsymmetrie auf. Seine Enden, die als A-Ende und B-Ende bezeichnet werden, können voneinander unterschieden werden. Die gelegentliche Verwendung der Bezeichnung „anterior“ (vorn) für das B-Ende und „posterior“ (hinten) für das A-Ende gilt als umstritten.

Die Körperform und die Segmentierung wird auch zur Unterscheidung der Dickinsonia-Arten verwendet. Dickinsonia lissa unterscheidet sich von allen anderen Vertretern der Gattung durch ihre längliche Form. Fossilien von Dickinsonia tenius und Dickinsonia costata sind insbesondere anhand der Dichte der Furchen voneinander abgrenzbar. Dickinsonia menneri weist als einziger Vertreter der Gattung ein ausgeprägtes Kopfsegment auf. Dickinsonia rex ist der mit Abstand größte Vertreter der Gattung.

Lebensweise

Wenngleich die Existenz von Muskelgewebe angenommen wird, existiert mangels aussagekräftiger fossiler Spuren kein Hinweis auf eine aktive Fortbewegung. Vielmehr wird angenommen, dass sich Dickinsonia passiv mit Hilfe der Meeresströmung bewegte. Darüber hinaus verfügten diese Meeresorganismen vermutlich über die Fähigkeit zur Verankerung auf dem Meeresboden.

Es wird angenommen, dass Dickinsonia sich eines Mechanismus der Nahrungsaufnahme bediente, der heute nur noch von Vertretern des Stamms der Placozoa genutzt wird. Fossile Spuren deuten darauf hin, dass Dickinsonia auf dem Meeresgrund über Rasen aus Mikroorganismen weidete, diese extern verdaute und mit Hilfe der gesamten ventralen Oberfläche aufnahm.[3]

Systematik

Auch wenn die systematische Einordnung von Dickinsonia problematisch ist, wird diese Gattung zumeist dem Reich vielzelliger Tiere zugeordnet. Innerhalb dieses Reiches wurde Dickinsonia insbesondere mit heutigen Nesseltieren, Vielborstern oder Strudelwürmern in Verbindung gebracht. Alternativ dazu wurde Dickinsonia auch als ein früher Vorfahre der Chordatiere interpretiert. Die Art der Nahrungsaufnahme lässt eine Verwandtschaft mit Placozoa vermuten.[3]

Auch eine Zuordnung von Dickinsonia zu anderen Reichen der Lebewesen wurde diskutiert. Unter Annahme einer Symbiose mit Photosynthese betreibenden Mikroorganismen wurde Dickinsonia auch als eine Gattung Flechten bildender Pilze vermutet.[4] Häufig wird Dickinsonia dem hypothetischen und ausgestorbenen Stamm der Vendobionten zugeordnet, welche unter anderem als gigantische einzellige Organismen interpretiert und den Protozoen zugerechnet werden.[2]

Entdeckungsgeschichte

Fossil von Dickinsonia costata

Dickinsonia wurde durch den Entdecker der Ediacara-Fauna, den australischen Geologen Reginald Claude Sprigg in fossiler Form entdeckt und 1947 wissenschaftlich beschrieben.[5] Sprigg benannte das Fossil nach Ben Dickinson, dem damaligen Direktor der Minen von South Australia. Die Entschlüsselung des Fossiles stellte die Wissenschaft vor zahlreiche Probleme. Sprigg selbst bezeichnete es als das Fossil einer Qualle und Harrington und Moore ordneten Dickinsonia 1956 dem Stamm der Nesseltiere zu.[6]. Glaessner und Wade hingegen sahen 1966 eine Verwandtschaft mit den Ringelwürmern.[7] Zwar zeigen die Fossilien kaum Ähnlichkeit mit typischen Ringelwürmern, aber dafür mit aberranten Ringelwurmformen wie Spinther. S. Manton wies diese Interpretation bereits 1967 entschieden zurück [8], trotzdem blieb sie bis heute in den Lehrbüchern. Aufgrund ihrer Unsicherheit entwickelte sich jedoch eine anhaltende Diskussion über die wissenschaftliche Einordnung von Dickinsonia.

Literatur

  • Xiao S, Laflamme M: On the eve of animal radiation: phylogeny, ecology and evolution of the Ediacara biota. In: Trends Ecol. Evol. (Amst.). 24. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2009, S. 31–40, doi:10.1016/j.tree.2008.07.015.
  • Brasier MD, Antcliffe JB: Dickinsonia from Ediacara: A new look at morphology and body construction. In: Paleo. 270. Jahrgang, 2008, S. 311–323, doi:10.1016/j.palaeo.2008.07.018.

Weblinks

Commons: Dickinsonia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Retallack GJ: Growth, decay and burial compaction of Dickinsonia, an iconic Ediacaran fossil. In: Alcheringa: an Australasian Journal of Palaeontology. 31. Jahrgang, Nr. 3, 2007, S. 215–240, doi:10.1080/03115510701484705.
  2. 2,0 2,1 Seilacher A, Grazhdankin D, Legouta A: Ediacaran biota: The dawn of animal life in the shadow of giant protists. In: Paleontological Research. 7. Jahrgang, Nr. 1, 2003, S. 43–54.
  3. 3,0 3,1 Sperling EA, Vinther J: A placozoan affinity for Dickinsonia and the evolution of late Proterozoic metazoan feeding modes. In: Evolution & Development. 12. Jahrgang, Nr. 2, 2010, S. 201–209, doi:10.1111/j.1525-142X.2010.00404.x.
  4. Retallack GJ: Were the Ediacaran Fossils Lichens? In: Paleobiology. 20. Jahrgang, Nr. 4, 1994, S. 523–544.
  5. Sprigg RC: Early Cambrian (?) jellyfishes from the Flinders Ranges, South Australia. In: Transactions of the Royal Society of South Australia. 71. Jahrgang, 1947, S. 212–224.
  6. Harrington HJ, Moore RC: Treatise on Invertebrate Paleontology, Part F: Coelenterata. Hrsg.: Moore RC. GSA and University of Kansas Press, Kansas 1956, Medusa of the Hydroidea, S. 77–80.
  7. Glaessner MF, Wade M: The late Precambrian fossils from Ediacara, South Australia. In: Palaeontology. 9. Jahrgang, 1966, S. 599–628.
  8. Manton SM: The polychaete Spinther and the origin of the Arthropoda. In: Journal of Natural History. 1. Jahrgang, 1967, S. 1–22.