Vendobionten


Fossil des Vendobionten Dickinsonia

Die Vendobionten sind eine Gruppe ausgestorbener Lebewesen, die im Erdzeitalter des Ediacariums (früher auch Vendium genannt) lebten. Sie waren die zahlenmäßig häufigsten Vertreter der Ediacara-Fauna. Ihre charakteristischen Fossilien, die in relativ grobkörnigen Sandsteinen gefunden wurden, lassen sich kaum den Formen heutiger Lebewesen zuordnen. Der Begriff „Vendobionten“ wurde von dem deutschen Geologen Adolf Seilacher geprägt, der sie als riesige Einzeller interpretierte.

Merkmale

Vendobioten waren überwiegend flache Organismen mit einer fiedrigen Struktur. Ihre fossilen Abdrücke erinnern an Farne oder Fischfilets. Wenngleich Vendobionten nur wenige Millimeter dick waren, so konnten sie eine Länge von teilweise über einen Meter erreichen. Sie besaßen keine Hartteile, wie beispielsweise ein Skelett oder einen Panzer. Über den inneren und äußeren Aufbau der Vendobioten gibt es zahlreiche Spekulationen. Häufig wird das Aussehen dieser Organismen mit dünnen flüssigkeitsgefüllten Luftmatratzen verglichen. Die fiedrige Struktur wird von den Anhängern der Einzeller-Theorie als eine Kammerung angesehen, mit der die Organismen die Größenbeschränkung von einzelligen Lebewesen umgingen.[1]

Lebensweise

Über die Lebensweise der Vendobionten gibt es nur wenige Hinweise. Aus einem weitgehenden Mangel an fossilen Bewegungsspuren wurde geschlossen, dass ihre meisten Vertreter immobil waren. Vermutlich weideten sie über einen zur damaligen Zeit auf dem Meeresgrund verbreiteten Rasen aus Mikroorganismen (Biomatte) und verdauten diesen. Alternativ dazu wird eine symbiotische Lebensweise mit Mikroorganismen diskutiert. Aus dem absoluten Fehlen von Bissspuren an Fossilien des Ediacariums wurde geschlossen, dass weder die Vendobionten Prädatoren waren noch diesen ausgesetzt waren.

Ihr praktisch vollständiges Verschwinden zu Beginn des Kambriums gibt den Forschern viele Rätsel auf. Möglicherweise wurden sie leichte Opfer der ersten Beutejäger. Ihre Lebensgrundlage, die Biomatte, wurde möglicherweise auch von Organismen, welche sich im sandigen Meeresboden vor den Beutejägern versteckten, zerstört (Verdun-Syndrom).[2]

Systematik

Die systematische Einordnung der Vendobioten ist unsicher und wird kontrovers diskutiert. Von einigen Paläontologen wird bezweifelt, dass die Vendobionten überhaupt mit heutigen Lebewesen verwandt sind. Sie sehen die Vendobionten als ein ausgestorbenes Reich oder zumindest als einen ausgestorbenen Tierstamm an. Adolf Seilacher ordnete sie den Protozoen zu und bezeichnete sie als „einzellige Dinosaurier“.[1] Andere Wissenschaftler ordnen sie jedoch überwiegend dem Reich der Vielzelligen Tiere (Metazoa) zu. Basierend auf ihren Merkmalen wurden sie mit Nesseltieren, Vielborstern oder Strudelwürmern verglichen. Auch eine Zuordnung zum Tierstamm der Placozoen wird diskutiert.[3]

Auch eine Zuordnung zu anderen Reichen der Lebewesen wurde diskutiert. Möglicherweise waren sie Pilze, die optional unter Symbiose mit Photosynthese betreibenden Mikroorganismen als Flechten lebten.[4]

Den Vendobionten wurden unter anderem folgende Gattungen zugeordnet:

  • Charnia
  • Charniodiscus
  • Dickinsonia
  • Ernietta
  • Glaessneria
  • Paracharnia
  • Phyllozoon
  • Protechiurus
  • Pteridinium
  • Rangea
  • Spriggina
  • Yorgia

Entdeckungsgeschichte

Die Entdeckung der Vendobioten geht auf den australischen Geologen Reginald Claude Sprigg zurück. Bei Exkursionen in den Ediacara-Hügeln nördlich der australischen Stadt Adelaide entdeckte er Fossilien einzigartiger urzeitlicher Weichkörperorganismen, die er zunächst in das frühe Kambrium datierte.[5] Der Begriff „Vendobionten“ geht im Wesentlichen auf den deutschen Geologen Adolf Seilacher zurück, der zunächst diese Lebewesen zu einem eigenen Reich („Vendozoa“)[6] und später zu einem eigenen Tierstamm zusammenfasste.[7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Seilacher A, Grazhdankin D, Legouta A: Ediacaran biota: The dawn of animal life in the shadow of giant protists. In: Paleontological Research. 7. Jahrgang, Nr. 1, 2003, S. 43–54.
  2. Dzik J: The Verdun Syndrome: simultaneous origin of protective armour and infaunal shelters at the Precambrian Cambrian transition. In: Geological Society, London, Special Publications. 286. Jahrgang, 2007, S. 405–414.
  3. Sperling EA, Vinther J: A placozoan affinity for Dickinsonia and the evolution of late Proterozoic metazoan feeding modes. In: Evolution & Development. 12. Jahrgang, Nr. 2, 2010, S. 201–209, doi:10.1111/j.1525-142X.2010.00404.x.
  4. Retallack GJ: Were the Ediacaran Fossils Lichens? In: Paleobiology. 20. Jahrgang, Nr. 4, 1994, S. 523–544.
  5. Sprigg RC: Early Cambrian (?) jellyfishes from the Flinders Ranges, South Australia. In: Transactions of the Royal Society of South Australia. 71. Jahrgang, 1947, S. 212–224.
  6. Seilacher A: Vendozoa: Organismic construction in the Proterozoic biosphere. In: Lethaia. 22. Jahrgang, Nr. 3, 1989, S. 229–239, doi:10.1111/j.1502-3931.1989.tb01332.x.
  7. Buss WL, Seilacher A: The Phylum Vendobionta: A Sister Group of the Eumetazoa? In: Paleobiology. 20. Jahrgang, Nr. 1, 1994, S. 1–4.

Die News der letzten Tage