Duloxetin


Strukturformel
Duloxetin von Strukturformel
Allgemeines
Freiname Duloxetin
Andere Namen
  • IUPAC: (+)-(S)-N-Methyl-3-(1-naphthyloxy)- 3-(2-thienyl)propylamin
  • Latein: Duloxetinum
Summenformel
  • C18H19NOS (Duloxetin)
  • C18H19NOS·C2H2O2 (Duloxetin·Oxalat)
  • C18H19NOS·HCl (Duloxetin·Hydrochlorid)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 116539-59-4 (Duloxetin)
  • 116817-77-7 (Duloxetin·Oxalat)
  • 136434-34-9 (Duloxetin·Hydrochlorid)
PubChem 60835
DrugBank DB00476
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AX21

Wirkstoffklasse

Antidepressivum

Wirkmechanismus

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Eigenschaften
Molare Masse 297,42 g·mol−1 (Duloxetin)
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Duloxetin ist ein chiraler Arzneistoff aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und wird in der Behandlung von Depressionen, generalisierten Angststörungen, diabetischer Polyneuropathie und Harninkontinenz eingesetzt. In den Studien wurden neben den psychischen Beschwerden auch begleitende körperliche Symptome (zum Beispiel Schmerzen) gelindert. Der analgetische Effekt bei Schmerzsymptomen in Verbindung mit Depression ist nach einer neueren Metaanalyse allerdings sehr gering.[3]

Duloxetin wird von der Firma Eli Lilly vermarktet.

Präparate und Indikationen

Seit August 2004 in der EU zugelassen:

  • Ariclaim zur Behandlung von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie bei Erwachsenen
  • Yentreve zur Behandlung von Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Belastungs(harn)inkontinenz

Seit Dezember 2004 in der EU zugelassen:

  • Cymbalta zur Behandlung von depressiven Erkrankungen, generalisierten Angststörungen und Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie
  • Xeristar (Doublette, gleiche Indikationen wie Cymbalta)

Als Arzneistoff wird ausschließlich das Hydrochlorid von Duloxetin eingesetzt.[4] European Public Assessment Reports (EPARs) zu allen Produkten: siehe Weblinks.

Behördliche Zulassung

Yentreve

Am 11. August 2004 erteilte die Europäische Kommission dem Unternehmen Eli Lilly Nederland B.V. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Yentreve in der gesamten Europäischen Union. Entgegen den Erwartungen der Partner (Eli Lilly und Boehringer Ingelheim) verlief der Umsatz von Yentreve enttäuschend, woraufhin sich Boehringer Ingelheim aus der gemeinsamen Kooperation mit Lilly im Bereich Belastungsinkontinenz verabschiedete. [5]

Im Januar 2005 wurde in den USA der Zulassungsantrag für Yentreve hingegen zurückgezogen, da die FDA schwere Sicherheitsbedenken hatte. In den US-Studien kam es zu einer deutlich erhöhten Anzahl von Suizidversuchen, die FDA sprach sogar von einem doppelt so hohen Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung. [6] Bereits zuvor kam es immer wieder zu Suiziden in Duloxetin-Studien, darunter der besonders tragische Fall der gesunden Probandin Tracy Johnson, die sich in einem Forschungslabor von Eli Lilly mit einem Schal erhängte. Johnson war kurz zuvor von Duloxetin auf Placebo umgestellt worden, als Grund wurde daher ein akutes Entzugssyndrom vermutet. [7] Sowohl Eli Lilly als auch die FDA wurden für ihre damalige Beschwichtigungspolitik heftig kritisiert. [8]

Cymbalta/Xeristar

Im Dezember 2004 bekamen auch Cymbalta und Xeristar eine EU-weite Zulassung, anfangs nur zur Behandlung von depressiven Episoden. Bereits 2005 wurde die Indikation um die Behandlung von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie bei Erwachsenen erweitert. 2008 kam die Behandlung der generalisierten Angststörung dazu und 2009 schließlich die Erweiterung zur Behandlung depressiver Erkrankungen (Major Depression). Einzig beim Versuch, auch Fibromyalgie den Indikationen hinzuzufügen, scheiterte die Firma 2008. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hatte Bedenken, dass die Wirksamkeit von Cymbalta/Xeristar bei der Behandlung der Fibromyalgie nicht hinreichend nachgewiesen worden war. [9]

Pharmakologie

Duloxetin ist chiral und wird als stereochemisch einheitlicher (= reiner) Arzneistoff in der (S)-Konfiguration eingesetzt. Der Wirkstoff ist ein kombinierter Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer und zeigt eine geringe Wiederaufnahmehemmung von Dopamin, hat aber keine signifikante Affinität für Histamin-, Dopamin- und Acetylcholin-Rezeptoren sowie Adrenozeptoren. Die schmerzhemmende Wirkung von Duloxetin dürfte auf eine Verstärkung der absteigenden hemmenden Schmerzbahnen im zentralen Nervensystem zurückzuführen sein.

Pharmakokinetik

Die absolute orale Bioverfügbarkeit von Duloxetin schwankt enorm und kann je nach Patient zwischen 32 % und 80 % liegen. Dies ist auf den starken First-Pass-Effekt zurückzuführen, der großen interindividuellen Unterschieden unterliegt, bedingt durch u.a. Geschlecht, Alter, Raucherstatus (im Vergleich zu Nichtrauchern eine um nahezu 50 % reduzierte Plasmakonzentration), Nahrungsaufnahme und Enzymaktivität des Cytochrom P450 2D6. Auch Leber- und Nierenerkrankungen beeinflussen die Pharmakokinetik von Duloxetin. Der Abbau erfolgt gleichzeitig über das Cytochrom P450 Cytochrom P450 1A2 und CYP2D6. Eine Hemmung eines dieser Enzyme durch andere Arzneimittel kann zu gefährlichen Überdosierungen führen (siehe Wechselwirkungen). Die entstehenden beiden Hauptmetaboliten 4-Hydroxy-Duloxetin und 5-Hydroxy-6-Methoxy-Duloxetin sind beide inaktiv.[10]

Unerwünschte Wirkungen

Zu den beobachteten Nebenwirkungen gehören:

  • Übelkeit, trockener Mund, Halsentzündung und Obstipation
  • Durchfall, Erbrechen, Appetitverlust oder -abnahme
  • Kopfschmerzen, unscharfes Sehen, Schläfrigkeit und Zittern
  • Schlafstörungen, Angst und Nervosität
  • vermehrtes Schwitzen, Nachtschweiß und Hitzewallungen
  • Frieren
  • Müdigkeit, häufiges Gähnen
  • Sexualstörungen (z. B. Orgasmusunfähigkeit oder Erektionsprobleme)
  • Blutdruckerhöhung und Herzbeschwerden
  • verzögerte Miktion und Harnverhalt
  • Es wurde von Leberschäden berichtet - insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol.

Die unerwünschten Effekte treten insbesondere in den ersten Tagen nach dem Beginn der Einnahme auf, können aber auch mehrere Wochen andauern. Im direkten Vergleich ist Duloxetin dem Venlafaxin unterlegen: mehr Patienten brachen die Therapie wegen Nebenwirkungen ab. Sowohl Duloxetin als auch Venlafaxin schnitten bezüglich dieses Kriteriums schlechter als SSRI ab.[11][12]

Wenn die Einnahme von Duloxetin abrupt beendet wird, können Absetzsymptome auftreten. Es können Schwindel, Hyperhidrose, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, sensorische Störungen, Reizbarkeit und Angst auftreten. Daher wird empfohlen, die Behandlung ausschleichend zu beenden.[13]

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Duloxetin zusammen mit anderen Antidepressiva ist Vorsicht geboten. Die gleichzeitige Anwendung von Duloxetin und irreversiblen Monoaminooxidase-Hemmern (MAO-B-Hemmern) wie Selegilin und Tranylcypromin ist kontraindiziert. Ebenfalls kontraindiziert ist die Kombination mit CYP1A2-Inhibitoren, wie Fluvoxamin, Ciprofloxacin oder Enoxacin, da erhöhte Plasmaspiegel von Duloxetin resultieren.[13] Die Kombination von Duloxetin mit reversiblen MAO-Hemmern wie Moclobemid wird nicht empfohlen. Duloxetin sollte nicht zusammen mit Johanniskraut eingenommen werden.[14]

Anwendung während der Schwangerschaft

Das potenzielle Risiko für den Menschen ist unbekannt. Auch wenn keine Daten über die Anwendung von Duloxetin vorliegen, ist darauf hinzuweisen, dass Entzugssymptome bei Neugeborenen aufgetreten sind, wenn die Mutter kurz vor dem Entbindungstermin andere serotonerge Arzneimittel angewendet hat. Duloxetin sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist klar notwendig. Die Einnahme von Duloxetin ist jedoch kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Frauen, die während der Behandlung schwanger werden oder beabsichtigen, schwanger zu werden, sollten ihren Arzt darüber unterrichten.[13] Im Tierversuch führte Duloxetin zu Schäden bei den Nachkommen trächtiger Tiere, denen es verabreicht wurde (siehe auch: Präklinik). Es ist unklar, ob dies auf den Menschen übertragen werden kann.

Präklinik

Bei Nachkommen trächtiger Mäuse, die Duloxetin erhielten, wurde eine Wachstumsverzögerung der Jungen beobachtet. Bei den Nachkommen trächtiger Kaninchen konnte in einer Studie eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer und das Skelett betreffender Missbildungen festgestellt werden, in einer anderen Studie jedoch nicht. Wurde Duloxetin trächtigen Ratten verabreicht, so traten Verhaltensauffälligkeiten bei deren Jungen auf.[15]

Unterschiede in der Kosten-Nutzen-Relation

Einige Medikamente zur Behandlung von Depressionen haben im Verhältnis zu ihrem Nutzen deutlich höhere Preise als andere. So lautet der Befund der ersten Kosten-Nutzen-Bewertung des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für die Wirkstoffe Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin.[16]

Handelsnamen

Monopräparate

Ariclaim (EU), Cymbalta (EU, CH)[17] Yentreve (EU), Xeristar (EU)

Einzelnachweise

  1. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. Eintrag zu Duloxetin in der DrugBank der University of Alberta.
  3. Psychother Psychosom. 2008;77(1):12-6, PMID 18087203.
  4. ROTE LISTE 2008, Verlag Rote Liste Service GmbH, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-939192-20-6.
  5. Änderung des Abkommens bezüglich Yentreve/Ariclaim Unternehmensbericht 2005.
  6. J Lenzer FDA warns that antidepressants may increase suicidality in adults BMJ 2005;331:70, PMID 16002878.
  7. J Lenzer, N Pyke Was Traci Johnson driven to suicide by anti-depressants? That's a trade secret, say US officials The Independent, 19. Juni 2005.
  8. J Lenzer What the FDA isn't telling Slate Magazine, 27. Sept. 2005.
  9. Withdrawal EPAR Duloxetin (Cymbalta).
  10. Kassenärztliche Bundesvereinigung; Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Duloxetin (Cymbalta®). (PDF, 77 KB) In: Wirkstoff AKTUELL - Ausgabe 03/2009. 20. Februar 2009, abgerufen am 22. Juni 2010 (Kopieren von Inhalt zulässig): „Duloxetin ist kein Mittel der ersten Wahl bei der Akutbehandlung depressiver Erkrankungen“.
  11. Antidepressiva: Nutzen von SNRI belegt, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Pressemitteilung vom 18. August 2009, abgerufen am 21. März 2010.
  12. SNRI bei Patienten mit Depressionen, S.3, Tabelle 2, Abschlussbericht A05-20A, Kurzfassung, Version 1.0, 17. Juni 2009, IQWiG 111kB, abgerufen am 21. März 2010.
  13. 13,0 13,1 13,2 Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Cymbalta; Stand: Februar 2008.
  14. Fachinformation Yentreve, Stand Juli 2004.
  15. Fachinformationen "Cymbalta"; Stand: April 2009.
  16. Kosten-Nutzen-Bewertung von Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin im Vergleich zu weiteren verordnungsfähigen medikamentösen Behandlungen Übersicht zum Verfahren des IQWiG
  17. European Public Assessment Reports (EPARs): CYMBALTA, INN-duloxetine. (PDF, 387 kB) European Medicines Agency, 10. November 2009, abgerufen am 21. Juni 2010 (deutsch): „ZUSAMMENFASSUNG DER MERKMALE DES ARZNEIMITTELS: Cymbalta 30 mg magensaftresistente Hartkapseln“.

Weblinks

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