Echtes Johanniskraut
Echtes Johanniskraut | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Hypericum perforatum | ||||||||||||
L. |
Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), auch Echt-Johanniskraut, Gewöhnliches Johanniskraut, Durchlöchertes Johanniskraut, Tüpfel-Johanniskraut oder Tüpfel-Hartheu genannt, ist eine Pflanze aus der Familie der Hypericaceae (früher Hartheugewächse). Volkstümlich wird es auch als Herrgottsblut bezeichnet.[1] Es findet Anwendung als Heilpflanze. Der englische Name St John's wort oder der spanische Name hierba de San Juan beziehen sich wie auch der deutsche Name auf Johannes den Täufer, da die Pflanze um den Johannistag (24. Juni) herum blüht.
Beschreibung
Merkmale
Das Echte Johanniskraut ist eine ausdauernde Pflanze mit stark verästelter, spindelförmiger, bis 50 cm Tiefe reichender Wurzel. Der 15 cm bis einen Meter hohe aufrechte Stängel ist durchgehend zweikantig und innen markig ausgefüllt (nicht hohl). Dadurch unterscheidet sich das Echte Johanniskraut von anderen Johanniskrautarten. Am oberen Stängelteil ist die Pflanze buschig verzweigt.
Die oval-eiförmigen bis länglich-linealischen Blätter sind mehr oder weniger sitzend, gegenständig angeordnet. Sie werden bis 3 cm lang und sind dicht mit durchsichtigen Öldrüsen besetzt. Am Rand sind die Blätter mit schwarzen Drüsen durchscheinend punktiert. Bei den zahlreichen Punktierungen handelt es sich um schizogene Ölbehälter, in denen das helle ätherische Öl der Pflanze konzentriert ist.
Der Blütenstand ist eine Trugdolde. Die Blüten sind homogene „Pollen-Scheibenblumen“ in zusammengesetzten Dichasien mit (zur Fruchtzeit gut erkennbaren) Schraubeln. Die fünf Kelchblätter sind bis 5 mm lang, länger als der Fruchtknoten, (ei)-lanzettlich, fein grannenartig zugespitzt, mit hellen und schwarzen Drüsen. Die fünf goldgelben Kronblätter sind bis 13 mm lang, nur auf einer Seite gezähnt und am Rande schwarz punktiert. Sie enthalten in Gewebslücken das blutrote Hypericin, das beim Zerreiben (am besten mehrere Blütenknospen nehmen) auf den Fingern eine Rotfärbung hinterlässt.
Die 50–60 manchmal bis 100 Staubblätter umgeben in drei Büscheln angeordnet den oberständigen, ovalen Fruchtknoten. Aus drei Staubblattanlagen entstehen drei Cluster mit insgesamt bis zu 80 einzelnen Staubblättern: ein zentrifugales Dedoublement, siehe Sekundäre Polyandrie. [2]
Der oberständige Fruchtknoten ist in drei Fächer unterteilt, die kürzer sind als die Kelchblätter. Statt Nektar ist ein anbohrbares Gewebe von unsicherer ökologischer Bedeutung vorhanden. Die Frucht ist eine schmal-eiförmige, bis 10 mm lange, geriefte dreifächrige Spaltkapsel.
Die Samen sind länglich, gebogen und fein netzförmig mit einer Länge von ca. einem Millimeter. Die Blütezeit ist Juni bis August.
Die Chromosomenzahl beträgt n = 16,24.[3]
Ökologie
Die Art tritt vorwiegend in größeren Gruppen auf, allerdings sind diese selten bestandsbildend. Als ökologische Zeigerwerte nach Ellenberg wird die Art als Halbschattenpflanze für mäßigwarme bis warme Standorte bei gemäßigtem Seeklima angegeben. Die angezeigte Bodenbeschaffenheit ist danach gleichmäßig trocken bis mäßig feucht und stickstoffarm, niemals jedoch stark sauer. Das Echte Johanniskraut ist eine sommergrüne Schaftpflanze (überwinternde Pflanze ohne Rosette) und zählt somit zu den Hemikryptophyten.
Fremdbestäubung erfolgt durch Pollen suchende Insekten. Besucher sind besonders Bombus-Arten und Bienen- und Schwebfliegen-Arten. Selbstbestäubung ist durch die räumliche Trennung von Griffelästen und Staubbeutelbündeln erschwert, ist aber beim Schließen der Blüten möglich, wenn die schrumpfenden Kronblätter die Blüte wieder einhüllen.
Die kleinen Samen der bei Trockenheit geöffneten Kapseln werden von Tieren verschleppt (Zoochorie) oder durch den Wind verbreitet (Ballonflieger). Vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelsprosse.
Die Pflanze ist leicht giftig. Die getrockneten Blüten des Behaarten Johanniskrauts enthalten bis zu 1,4 % des roten Farbstoffes Hypericin. Die Hypericin-Aufnahme führt bei nicht pigmentierten (weißen) Weidetieren (Pferde, Schafe, Ziegen etc.) nach der Bestrahlung durch Sonnenlicht zu Hämolyseerscheinungen.
Verbreitung und Standortansprüche
Das Echte Johanniskraut ist die in Europa am weitesten verbreitete Art seiner Gattung und in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch. In Ostasien, Nord- und Südamerika und in Australien ist es eingebürgert worden. Man findet es in tiefen bis mittleren Höhenlagen. Es wächst verbreitet in Gebüschsäumen, an Waldrändern, Wegen und Böschungen, in Magerwiesen und -rasen, in Ginster- und Heidekrautheiden, in Brachen und Waldverlichtungen oder auf Bahnschotter als Pionierpflanze.
Aufgrund der Verwendung als Heilpflanze wird das echte Johanniskraut landwirtschaftlich angebaut.[4] Gleichzeitig gilt es im übrigen landwirtschaftlichen Anbau als "Unkraut".
Systematik
Es werden vier Varianten unterschieden:
- Schmalblättriges Echtes Johanniskraut (var. angustifolium): Es hat schmalere Blätter und kleinere Blüten. Diese Variante enthält praktisch kein Rutin, was sie für die pharmazeutische Verwertung weitgehend unbrauchbar macht.[5]
- Breitblättriges Echtes Johanniskraut (var. latifolium): Es hat breitere Blätter und größere Blüten.
- Kleinblättriges Echtes Johanniskraut (var. microphyllum): Es hat kleinere Blätter und kleinere Blüten.
- Gewöhnliches Echtes Johanniskraut (var. perforatum)
Inhaltsstoffe
Johanniskraut guter Qualität enthält durchschnittlich 0,1–0,15 % Gesamt-Hypericine (Ph. Eur. 5.0, S. 2485), welche vor allem in den Exkretblättern der Blüten und Knospen lokalisiert sind. Diese setzen sich aus durchschnittlich 0,2–0,3 % Hypericin, Pseudohypericin und ähnlichen Substanzen zusammen. Für die Wirksamkeit sind des Weiteren 2–4 % Flavonoide und Bioflavone verantwortlich. Bisher ausschließlich in dieser Art nachgewiesen wurden das antibiotisch wirksame Hyperforin sowie das Adhyperforin in den Blüten (2 %) und Früchten (4 %).
Nachdem der Hypericingehalt bis 1995 zur Bestimmung der Wirksamkeit der Droge Hyperici herba benutzt wurde, geht man inzwischen davon aus, dass die therapeutische Wirksamkeit durch ein Zusammenwirken mehrerer Wirkstoffe und Wirkmechanismen zusammenkommt. Zur Arzneimittelherstellung werden Hypericingehalte von 0,15 % und hohe Flavonoidgehalte gefordert, zudem müssen Grenzwerte für Cadmium (0,5 mg/kg) und Blei (5,0 mg/kg) eingehalten werden.
Ein weiterer medizinisch wirksamer Inhaltsstoff ist mit bis zu 7,2 % Gehalt im ätherischen Öl das Sesquiterpen Spathulenol.[6]
Anbau
Für die Produktion verschiedener Präparate auf Johanniskrautbasis werden Kultursorten des Johanniskrauts unter Feldbedingungen angebaut. Steigender Bedarf, der durch Wildsammlung nicht mehr gedeckt werden konnte, führte zu einer Ausweitung des Anbaus seit den 1990er Jahren. Die Art zählt zu den wichtigsten in Deutschland angebauten und verarbeiteten Arzneipflanzen. 1999 wurde Johanniskraut in Deutschland auf 630 Hektar angebaut, vor allem in Thüringen. In Österreich (Waldviertel) wurden 1999 bis zu 240 Hektar kultiviert. Derzeit sind es immer noch etwa 50 Hektar (2009). Auch in Polen und Südamerika wird die Pflanze kultiviert.
Zum Anbau eignen sich magere, humose Böden in sonniger Lage, ideal sind unkrautarme Flächen mit guter Wasseraufnahme. Da Johanniskraut bei saurer Bodenreaktion verstärkt das für Menschen giftige Cadmium aufnimmt und daher als Akkumulatorpflanze zählt, sollte der pH-Wert des Bodens neutral oder leicht basisch sein, zudem sind Standorte mit erhöhter Cadmiumbelastung (z.B: Schieferverwitterungsböden) ungeeignet.
Bei der Züchtung geeigneter Sorten spielt die Anfälligkeit gegenüber der Pilzkrankheit Rotwelke eine wesentliche Rolle. Es stehen mehrere Sorten zur Verfügung (Stand: 26. April 2004[7]): Anthos, Hyperixtrakt, Motiv, Uperikon, Hyperimed, Hyperiflor, Vitan, Hyperipharm und Hyperisol.
Die Aussaat erfolgt im Frühjahr oder Herbst, auch eine Pflanzung vorgezogener Setzlinge im Frühjahr ist möglich. Gedüngt wird nur wenig, vor allem hohe Stickstoffgaben senken den Hypericingehalt in der Droge. Unkraut muss per Striegel sowie mit Maschinen- und Handhacke reguliert werden, gegen die Rotwelke darf nach der Ernte ein Fungizid eingesetzt werden.
Die Kultur erfolgt über zwei bis drei Jahre, geerntet wird ein bis zwei mal jährlich. Dabei werden die Knospen, Blüten und Zweigspitzen zur Blütezeit geerntet. Für Frischware wird das Kraut von Hand oder mit einer Pflückmaschine geerntet. Zur Trocknung vorgesehenes Gut wird mit Spezialmaschinen oder umgebauten herkömmlichen Erntemaschinen (Mähdrescher, Feldhäcksler) eingebracht. Die Krauterträge schwanken stark und liegen zwischen 4 und 26 t Frischmasse pro Hektar.
Dem Erntegut wird unmittelbar nach der Ernte bei 40–60 °C auf Satz-, Horden- oder Bandtrocknern das Wasser bis auf 10 % Restfeuchte entzogen.
Krankheiten
- Rotwelke (Erreger: Colletotrichum gloeosporioides)
Schädlinge
- Johanniskraut-Blattkäfer (Chrysomela hyperici)
- Schattenwickler (Cnephasis sp.)
- Blattwespenlarven (Tenthredinidae)
Medizinische Anwendung
Bereits in der Antike wurde Johanniskraut als Heilpflanze verwendet. Heute wird es als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von leichten bis mittelstarken depressiven Verstimmungen oder nervöser Unruhe eingesetzt. Äußerlich werden ölige Zubereitungen angewendet.
Wirksamkeit bei der Behandlung der Depression
Der Einsatz von Johanniskraut wird in der S3-Leitlinie Unipolare Depression als Möglichkeit eines ersten Therapieversuchs bei einer leichten bis mittelschweren Depression angeführt.[8]
Die Wirksamkeit von Johanniskraut in der Therapie der Depression ist allerdings umstritten. Es gibt sowohl klinische Studien, die eine Wirksamkeit belegen, als auch solche, die keine Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen. Eine Cochrane-Review kam 2005 zu dem Schluss, die Datenlage sei „inkonsistent und verwirrend“.[9] Eine aktuelle Metaanalyse schließt, die Wirkung von Johanniskraut sei noch am besten bei milder oder mittelgradiger Depression nachgewiesen, habe aber auch ein erhebliches Nebenwirkungspotential.[10]
Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 wertete 29 Studien mit zusammen mehr als 5000 Patienten aus, bei denen nach DSM- oder ICD-10-Kriterien eine Depression (major depressive disorder) vorlag. Die Wirksamkeit von Johanniskraut war gegenüber Placebo leicht überlegen und erwies sich vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva bei besserer Verträglichkeit und geringeren Abbruchraten.[11]
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen geht davon aus, dass Johanniskraut einen Effekt bei leichten Depressionen hat. Generell gab es jedoch eine deutliche Abhängigkeit des Effektschätzers von der Studienqualität: je schlechter die Qualität der Studien, desto größer stellt sich das Ausmaß der aufgezeigten Effekte dar und umgekehrt. Bei Betrachtung allein derjenigen Studien mit der besten methodischen Qualität zeigt Johanniskraut nur einen sehr geringen Effekt. Weiterhin geht das Institut davon aus, dass Johanniskraut bei schweren Depressionen nicht hilft. Es erwies sich bei schweren Depressionen in keiner Studie als dem Placebo überlegen.[12]
Die jetzigen Studien liefern noch nicht genügend Daten, um unterschiedliche Johanniskraut-Extrakte miteinander vergleichen zu können oder die optimale Dosis zu ermitteln.[13] Bei leichten Depressionen konnte jedoch in einer Studie eine Dosis-Wirkungsbeziehung experimentell nachgewiesen werden.[14]
Wirkungsmechanismen und Wirklatenz
Als Hauptwirkstoff des Johanniskrauts gilt Hyperforin. Standardisierter Johanniskrautextrakt erhöht durch eine Wiederaufnahmehemmung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin deren Konzentration an den Synapsen. Ebenfalls steigt auch die Konzentration von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Dopamin und L-Glutamat an, was in dieser Form kein Antidepressivum vermag. In der Folge vermindert sich die Anzahl der (noradrenergen) β-Rezeptoren, außerdem bewirkt es eine Downregulation der 5-HT2-Rezeptoren.[15]
Die Wirkung der Johanniskraut-Präparate soll auf die chemisch definierten Substanzen Hyperforin und Hypericin zurückzuführen sein. Diese bewirken eine geringe bis mittelstarke cerebrale Wiederaufnahmehemmung von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin; dies sind bekannte Wirkmechanismen synthetischer Antidepressiva. Das Verhältnis der Wiederaufnahmehemmung beträgt in tierexperimentellen Untersuchungen Serotonin:Dopamin:Noradrenalin:GABA:Glutamat = 2:1:5:1:11.[16] Eine MAO-Hemmung wurde immer wieder behauptet, konnte aber nie nachgewiesen werden. Andere Rezeptoren werden nicht beeinflusst.
Wie synthetische Antidepressiva zeigen auch Johanniskraut-Arzneimittel eine gewisse Wirklatenz, d. h., man spürt erst nach mehreren Wochen der Einnahme eine Verbesserung der depressiven Symptome.
Die behauptete antivirale Wirkung gegen das Hepatitis-C-Virus beim Menschen existiert jedenfalls in den üblichen Dosen nicht, vielmehr wird eine zusätzliche Schädigung der Leber hervorgerufen, die bei höheren Dosen zum akuten Leberversagen führen kann. Da wirksame Arzneimittel für die durch Viren ausgelöste Erkrankung zugelassen sind, wurden alle Experimente bei erkrankten Menschen als unvertretbar abgebrochen.
Nebenwirkungen
Johanniskraut-Arzneimittel sind im Allgemeinen gut verträglich, unerwünschte Nebenwirkungen sind gering oder treten selten auf.[17] In Einzelfällen wird von manischen Episoden berichtet, die von Johanniskraut induziert wurden.[18] Außerdem kann Johanniskraut geringe Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Erregung und Müdigkeit und eine phototoxische Reaktion der Haut (Sonnenbrandneigung) hervorrufen. In hoher Dosierung wirkt es u. U. stark phototoxisch. Hellhäutige Menschen, die Johanniskraut regelmäßig einnehmen und sich in Solarien oder auf Urlaubsreisen bräunen wollen, sollten ein Absetzen des Johanniskrautpräparates 14 Tage vor der ersten Licht-/Sonneneinstrahlung in Erwägung ziehen. Da Hypericin die Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht erhöht (Photosensibilitätsreaktion), sollten insbesondere hellhäutige Personen intensive Sonnenbestrahlung oder Solarien meiden. Bei bekannter Lichtempfindlichkeit ist Johanniskraut zu meiden. Selten kann es zu allergischen Hautreaktionen kommen. Auch Rinder und Pferde, die zu viel Johanniskraut fressen, zeigen die genannten Symptome.
Wechselwirkungen
Ende der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu einem verstärkten Abbau von anderen Wirkstoffen führt. Deshalb wurde das zuvor frei erhältliche Johanniskraut 2003 der Apothekenpflicht unterstellt. Ausgenommen von der Apothekenpflicht sind Zubereitungen, die in einer Tagesdosis bis zu 1 g Drogenäquivalent und bis zu 1 mg Hyperforin enthalten, Tee und zur äußeren Anwendung bestimmter Frischpflanzensaft oder ölige Zubereitungen (Rotöl). Aufgrund der Wechselwirkungen wurde Johanniskraut in der Republik Irland schon vor einigen Jahren der Verschreibungspflicht unterworfen. Johanniskrautpräparate mit der Indikation „mittelschwere Depression“ unterliegen seit dem 1. April 2009 auch in Deutschland der Verschreibungspflicht.
Johanniskraut induziert das Abbauenzym Cytochrom P450, Subtyp 3A4, in der Leber. Die Abbaurate einer Vielzahl von Wirkstoffen steigt somit an, und sie können ihre Wirkung verlieren.[19] Cytochrom P450, Subtyp 3A4 verstoffwechselt u. a. Hormone. So kann Johanniskraut die Wirkung der Anti-Baby-Pille und anderer hormoneller Verhütungsmittel beeinträchtigen. Es bestehen auch Wechselwirkungen mit bestimmten AIDS-Medikamenten (HIV-Proteaseinhibitoren), Antibiotika wie Clarithromycin und einigen Antidepressiva. Die HIV-Proteasehemmer und das Antibiotikum können ihre Wirkung ganz oder teilweise verlieren, was bei den zugrunde liegenden ernsten Erkrankungen schwerwiegende Folgen haben kann. Auch Immunsuppressiva, die zum Beispiel nach Transplantationen gegen die Abstoßungsreaktion des Körpers gegeben werden, werden abgeschwächt. Es sind Todesfälle bei Johanniskrauteinnahme mit gleichzeitiger Immunsuppression beschrieben worden. Betroffen sind weiterhin Herzglykoside, Antikoagulantien (Phenprocoumon), Methadon, Buprenorphin, Antiepileptika (z. B. Carbamazepin, Valproinsäure), Benzodiazepine (z. B. Diazepam, Alprazolam, Lorazepam) und benzodiazepinähnliche Substanze (z. B. Zolpidem und Zopiclon) sowie etliche andere Wirkstoffgruppen.[20]
Mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern wie Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram etc. besteht die Möglichkeit einer Verstärkung serotoninerg bedingter Nebenwirkungen (Übelkeit, Durchfall, Blutdruckschwankungen, Erregung) bis hin zur Auslösung des lebensgefährlichen Serotonin-Syndroms (starke Blutdruckschwankungen, Fieber, Bewusstseinseintrübung, Verwirrtheit, Krämpfe).[20] Andererseits können einige der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer durch die Beschleunigung ihres Abbaus auch in ihrer Wirkung abgeschwächt werden. Bei Einnahme solcher Kombinationen ist die Wirkung schlecht vorhersehbar.
Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit
Beim Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit ist Vorsicht geboten.[21] Johanniskraut wurde in der Volksmedizin als Abtreibungsmittel genutzt.[22]
Verwendung in der Volksmedizin
Volksmedizinisch wird Johanniskraut als Tee und Tinktur auch bei Menstruationsbeschwerden und pubertätsbedingten Verstimmungen verwendet.
Das „Rotöl“ wird als Einreibemittel bei Hexenschuss, Gicht, Rheuma, zur Schmerzlinderung und Wundheilung nach Verrenkungen und Verstauchungen, bei Blutergüssen und Gürtelrose verwendet, kann aber auch innerlich angewandt werden. Man gewinnt es, indem man Johanniskrautblüten zwei Monate lang in kaltgepresstes Oliven- oder Sonnenblumenöl einlegt, gelegentlich kräftig schüttelt und ansonsten in der Sonne stehen lässt. Diesen Vorgang nennt man Mazeration.
Mit einem Ansatzschnaps aus Blüten und Kraut werden Einschlafstörungen und innere Unruhe behandelt.
Verwendung in Lebensmitteln
Johanniskraut-Zubereitungen sind auch vereinzelt in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden: dort als Johanniskrautöl („Rotöl“), dem allerdings die innerlichen arzneilichen Wirkungen nicht zugeschrieben werden dürfen.
Weblinks
- Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Johanniskraut-Präparate
- Echtes Johanniskraut. FloraWeb.de
- Arealkarte bei "Den virtuella floran" (schwedisch)
Literatur
- Adam Michael Birkholz: Das Johanniskraut. Böhme, Leipzig 1781 (Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
- Franz-C. Czygan: Kulturgeschichte und Mystik des Johanniskrauts. In: Pharmazie in unserer Zeit. 32(3) (2003), ISSN 0048-3664, S. 184–191.
- De Smet PAGM: Herbal Remedies. Review Article. N Engl J Med 2002;347:2046–2056. PMID 12490687
Einzelnachweise
- ↑ Decheniana: Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens, Bände 22-23, Seite 284. Bonn 1865, abgefragt am 10. Januar 2012
- ↑ Derivate bei Johanniskraut
- ↑ G. Tischler: Die Chromosomenzahlen der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. S-Gravenhage, Junk. 1950.
- ↑ Informationssystem Nachwachsende Rohstoffe Steckbrief, 12. Februar 2008.
- ↑ Elke Wolf: Johanniskraut: Bei der Qualität liegt einiges im Argen. In: Pharmazeutische Zeitung. 27 (2001).
- ↑ K. H. C. Baser, T. Ozek, H. R. Nuriddinov, A. B. Demirci: Essential Oils of two Hypericum Species from Uzbekistan. Chemistry of Natural Compounds, Vol. 38, No. 1, 2002, S. 54–57.
- ↑ geschützte / zugelassene Sorten.
- ↑ S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression
- ↑ Linde K, et al.: St John’s wort for depression. Cochrane Database Syst Rev. 2005 (2):CD000448. PMID 15846605.
- ↑ Andreescu C, et al.: Complementary and alternative medicine in the treatment of bipolar disorder – A review of the evidence. J Affect Disord, Epub 2. Mai 2008. PMID 18456339.
- ↑ Linde K, Berner mm, Kriston L. St John’s wort for major depression. Cochrane Database Syst Rev. 8. Oktober 2008;(4):CD000448. PMID 18843608.
- ↑ Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Leitliniensynopse zum Thema "Depression". IQWiG-Berichte – Jahr: 2009 Nr. 34, S. 121.
- ↑ IQWiG: Depressionen: Können Mittel aus Johanniskraut (Hypericum) helfen?
- ↑ Kasper et al.: Efficacy of St. John's wort extract WS 5570 in acute treatment of mild depression: a reanalysis of data from controlled clinical trials. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. 2008 Feb;258(1), S. 59-63. (abstract)
- ↑ Wolfgang P. Kaschka, Rolf Kretzschmar, Martin Jandl: Psychopharmaka kompakt (Klinik- und Praxis-Guide). Schattauer Verlag, 2008, ISBN 978-3-7945-2591-1, S. 77.
- ↑ Walter E. Muller: St. John's Wort and its active principles in depression and anxiety. 1. Auflage. Birkhäuser, 2005, ISBN 3-7643-6160-3, S. 34.
- ↑ E. Ernst, J.I. Rand, J. Barnes, C. Stevinson: [http://dx.doi.org/10.1007/s002280050519 Adverse effects profile of the herbal antidepressant St. John's wort (Hypericum perforatum L.). In: Eur J Clin Pharmacol. 54 (8) 1998, S. 589–594.
- ↑ C. Stevinson, E. Ernst: Can St. John's wort trigger psychoses? In: Int J Clin Pharmacol Ther. 2004 (42), S. 473–480. PMID 15487805.
- ↑ Izzo AA, Ernst E: Interactions between herbal medicines and prescribed drugs: an updated systematic review. Drugs. 2009;69(13):1777-98. PMID 19719333
- ↑ 20,0 20,1 Henderson L, Yue QY, Bergquist C, Gerden B, Arlett P: St John's wort (Hypericum perforatum): drug interactions and clinical outcomes. Br J Clin Pharmacol. 2002 Oct;54(4):349-56. Review. PMID 12392581
- ↑ Mai 2007: Arkocaps Johanniskraut - Fachinformationen
- ↑ St. John's Wort