Flussbifurkation


Bifurkation der Hase (links) und Else (rechts) bei Melle
Bifurkation des Krollbaches (links) und Schwarzwasserbach (rechts) in Hövelhof

Eine Bifurkation (von lat. furca = die Gabel) kann von einem fließenden Gewässer gebildet werden, wenn es in ein flaches Gebiet einer Wasserscheide gelangt und sich dabei in die Einzugsgebiete zweier benachbarter Flusssysteme verzweigt. Das Wasser erreicht somit über zwei verschiedene Ströme das Meer.

Typen von Bifurkationen

Von Pseudobifurkation spricht man, wenn Sümpfe oder Seen nach verschiedenen Flusssystemen hin entwässern.

Man unterscheidet auch zwischen ständigen und periodischen oder ephemeren Fluss- und Seebifurkationen, die nur bei hohen Wasserständen aktiv werden. So verbindet sich im Seengebiet von Minnesota das Mississippi-System mit dem Red River und dem Lake Superior.

In Karstgebieten treten unterirdische Bifurkationen in phreatischen oder aktiv vadosen Höhlen (Wasserhöhlen) auf. Bekanntes Beispiel ist etwa die Versickerung der Donau mit unterirdischer Verbindung zur Aachquelle und damit zum Einzugsgebiet des Rheins.

Bei Gletschern wird die entsprechende Stromteilung als Diffluenz bezeichnet - im Gegensatz zur Konfluenz, dem Zusammenfluss. In den Fließwasserströmen innerhalb des Gletschers treten auch die Formen der Wasserhöhlen auf.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche künstliche Bifurkationen zur Wasserversorgung von Bewässerungsgebieten, Städten und Schifffahrtskanälen, sowie im Kraftwerksbau, die hydrographisch bedeutende Wassermengen transportieren können.

Beispiele

Bifurkationen

  • Bei hohem Wasserstand führt der Brazo Casiquiare vom Orinoco zum Rio Negro und damit zum Amazonas-System.
  • Der North Two Ocean Creek in Wyoming teilt sich am Two Ocean Pass auf in den Pacific Creek, der über den Snake River und Columbia River zum Pazifik fließt, und den Atlantic Creek, der über Yellowstone River und Missouri dem Golf von Mexiko zufließt.[1]
  • Die Chiana verbindet den Arno mit dem Tiber-System.
  • Der Torneälv zwischen Schweden und Finnland verliert die Hälfte seines Wassers durch den Tärendöälven in den Kalixälv.
  • Die Else zweigt von der Hase ab und fließt über die Werre der Weser zu. Die Hase fließt der Ems zu. Die Bifurkation bei Melle-Gesmold (52° 12′ 10″ N, 8° 15′ 19″ O) war ursprünglich vermutlich nur periodisch und wurde im 15. oder 16. Jahrhundert von einem Müller oder von den Besitzern des Schlosses Gesmold zur Nutzung des Wassers zu einer ständigen Bifurkation ausgebaut. In der Folge wurde bei Kriegen und Streitereien der eine oder andere Arm wiederholt zugeschüttet.[2]
  • Die Mündung der Datze (s.u.) in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landgraben, der von dort westwärts in Richtung Peene und ostwärts in Richtung Zarow fließt.
  • Der Krollbach in Hövelhof teilt sich in den Krollbach und in den Schwarzwasserbach. Der Krollbach fließt über den Haustenbach, die Lippe und den Rhein in die Nordsee. Der Schwarzwasserbach ergießt sich über die Ems ebenfalls in die Nordsee.
  • Der Mühlegraben bei Blumberg gabelt sich am Rande des Riedes im Scheitelbereich des Aitrachtales. Von hier fließt die Aitrach in die Donau und das Schleifebächle in die Wutachschlucht, also in Richtung Rhein. Das Gewässernetz des Blumberger Riedes ist gleichzeitig eine Pseudobifurkation (s.u.).
  • Das Flüsschen Nerodimja (albanisch auch Nerodime, serbisch: Неродимка) in Kosovo gabelt sich auf dem Gebiet der Gemeinde Ferizaj in einen über die Flüsse Lepenc und Vardar der Ägäis und in einen über die Sitnica, den Ibar, die Morava und die Donau dem Schwarzen Meer zufließenden Teil. Eine Fläche von 13 ha rund um die Bifurkation ist als Wildschutzgebiet ausgezeichnet.[3][4] Die Bifurkation wurde im 14. Jahrhundert künstlich angelegt. Der künstliche Kanal versandete immer mehr, so dass er kaum mehr Wasser führte. Vor wenigen Jahren wurde dies ausgebessert.[5]
  • In Rothenburg/Oberlausitz in Sachsen gibt es im Ortsteil Geheege eine Bifurkation eines kleinen Bachs ohne Namen, der aus dem Biehainer Torfstich herausfließt. Ein Teil des Wassers gelangt über Spree und Elbe in die Nordsee, der andere über Neiße und Oder in die Ostsee.
  • Am Zeinisjoch zwischen Tirol und Vorarlberg teilt sich der vom Fädner herabfließende Bach. Die westliche Hälfte geht zur Ill und über den Rhein zur Nordsee, die östliche Hälfte über die Trisanna und den Inn zur Donau und zum Schwarzen Meer.

Pseudobifurkationen

  • Der größte See der Welt, der nach zwei Richtungen entwässert, ist der Wollaston Lake in Saskatchewan, Kanada. Aus ihm entspringen der Fond du Lac River, der zum Nördlichen Eismeer entwässert, und der Cochrane River, der zur Hudson Bay und damit zum Atlantik fließt.
  • Der Bergsee Etang des Dougnes resp. Estany de les Dugues in den Pyrenäen entwässert zur Têt und zum Segre, damit zum Ebro.[6]
  • Grimnitzsee: Das Wasser fließt natürlich in Richtung Norden über die Welse in die Oder und künstlich über einen Graben und den Werbellinsee nach Süden in die Havel.
  • Das (obere und untere) Ried im Oberen Aitrachtal bei Blumberg entwässert sowohl durch das Schleifebächle zur Wutach und damit zum Rhein, als auch über die Aitrach zur Donau.
  • Zahlreiche Gewässer mit stehendem Scheitelbereich in Urstromtälern:
    • Datze, fließt südwärts in die Tollense und nordwärts in die Richtung Landgraben.
    • Kleiner Landgraben, fließt südwärts in die Tollense und nordwärts in den Großen Landgraben.
    • Randow, fließt nordwärts in die Uecker und südwärts in die Welse (stehender Scheitelbereich nahe der Welse).
    • Das Drainagenetz des Roten Luchs bei Müncheberg entwässert ostwärts durch den Stöbber zur Oder und damit zur Ostsee und westwärts durch Stobberbach und Löcknitz in die Spree, also letztlich in die Nordsee.
    • Ziese, fließt in Richtung Dänische Wiek und in Richtung Peenestrom.
  • Pseudobifurkationen im gleichen Flusssystem:
    • Die Müritz hat außer dem ursprünglich natürlichen Ablauf Elde in Richtung Westen einen künstlichen nach Osten durch die Alte Müritz-Havel-Wasserstraße (Bolter Kanal, Carpsee, Woterfitzsee …) zur Havel
    • Ruppiner See mit Wustrauer Rhin und Altem Rhin als Ausflüssen: Durch verschiedene Rhin-Arme und Kanäle fließt ein Teil des Wassers in die Unterhavel, nahe vor deren Mündung in die Elbe, ein anderer Teil über Kremmener Rhin und Ruppiner Kanal in die Oberhavel bei Oranienburg.
    • Der See Jezioro Chobienickie in Westpolen, der von der Obra, einem Nebenfluss der Warthe durchflossen wird, gibt auch Wasser an die Faule Obra ab, die in die Oder mündet.
  • Der Selenter See in Schleswig-Holstein hat zwei verschiedene Abflüsse zur Ostsee.

Künstliche Bifurkationen

  • Panamakanal, bestehend aus dem System Río Chagres, Lago Gatún. Diese künstliche Pseudobifurkation stellt den wichtigsten Schifffahrtskanal der Welt dar.
  • Kraftwerk Kaprun in Österreich: Die abgegriffene Pasterze am Großglockner entwässert nach Süden, die Krafthäuser selbst auf die Alpennordseite.
  • Das im Lac de l’Hongrin in den Waadtländer Alpen gestaute Wasser wird zum Genfersee abgeleitet und fließt somit ins Mittelmeer, während der Zu- und Abfluss Hongrin zum Flusssystem des Rheins gehört.
  • Río Fenix Grande teilt sich bei der Stadt Perito Moreno auf. Ein künstlicher Kanal führt zum Río Deseado und damit zum Atlantik. Der Río Fenix Chico läuft weiter zum Lago Buenos Aires/Lago General Carrera und damit über den Río Baker zum Pazifik. Interessant sind die politischen Hintergründe, die zum Bau dieses Kanals geführt haben (siehe Río Deseado).
  • Der künstlich angelegte Altmühlüberleiter bei Gunzenhausen in Bayern leitet das Wasser aus der Altmühl (Flusssystem Donau) zur Schwäbischen Rezat (Flusssystem Rhein).
  • Der künstlich angelegte Schiffgraben entwässert westwärts in die Ilse und über die Oker und Aller zur Weser sowie ostwärts über den Großen Graben in die Bode und über die Saale zur Elbe.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Flussbifurkation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. There are some interesting "holes" in the Continental Divide. Abgerufen am 17. Oktober 2009.
  2. Die Geschichte der Bifurkation in Gesmold. Abgerufen am 7. September 2012.
  3. Hydrological heritage in the system of natural values and its protection in Kosova. Abgerufen am 7. September 2012.
  4. Vlerat e trashëgimisë natyrore të Kosovës. In: Agjensioni për Mbrojtjen e Mjedisit të Kosovës. Abgerufen am 7. September 2012 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value), mit Bild und Karte).
  5. Ferizaj Municipality: Strategy for Local Economic Development
  6. geoportail.fr