Gregor Horstius


Gregor Horstius, Kupferstich aus den „Opera medica“, 1661

Gregor Horstius (* 5. November 1578 in Torgau; † 9. August 1636 in Ulm) (in der nicht-latinisierten Form auch Gregor Horst) war ein deutscher Mediziner und Anatom an der 1607 gegründeten Universität Gießen (Academia Ludoviciana). Aufgrund seiner herausragenden Tätigkeit als Mediziner und seiner für die Zeit sehr frühen Rationalisierung der medizinischen Wissenschaft, wurde er von seinen Zeitgenossen als „Practicus prudens“ (erfahrener Praktiker) und als „Äskulap der Deutschen“ tituliert. Er unternahm den Versuch, die hermetische Medizin des Paracelsus mit der klassischen hippokratischen Medizin zu vereinigen. Im Laufe seines Wirkens tritt eine Mathematisierung seiner Lehre der Physiologie und Anatomie ein, die in dieser Form erst die rationale Medizin des 18. Jahrhunderts bestimmen sollte. Er gilt damit neben Andreas Vesalius als Wegbereiter der Anatomie in der Neuzeit. Sein in Porträts genannter Wahlspruch war „Ratio et experientia“ (Vernunft und Erfahrung).

Leben

Horstius wurde als Sohn des Torgauer Bürgers und Baumeisters Georg Horst (1534–1584) und seiner Ehefrau Anna geb. Bornitius geboren. Aus der zweiten Ehe der früh verwitweten Anna ging Horstius Halbbruder Jakob Müller (1594–1637) hervor, der später ebenfalls als Professor der Medizin in Gießen wirkte. Horstius studierte Medizin und Philosophie ab 1597 an der Universität Helmstedt und ab 1600 an der Universität Wittenberg. Nach Studienreisen in die Schweiz und nach Österreich promovierte er 1606 in Basel zum Doktor der Medizin. Im gleichen Jahr wurde er Professor für Medizin in Wittenberg.

Titelblatt der Dissertation De natura motus von Jakob Müller unter dem Vorsitz seines Halbbruders Gregor Horstius, Gießen 1617

Da er bereits durch seine Schriften hohes Ansehen genoss, wurde er 1608 als Professor secundus der Fakultät auf den Lehrstuhl für Anatomie und Botanik in Gießen berufen. Im Jahr darauf wurde er Leibarzt des Universitätsgründers Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, wodurch er erheblichen politischen Einfluss gewann. 1615 heiratete er die Gießener Professorentochter Hedwig Stamm. Gemeinsam hatten sie sechs Kinder, von denen Georg Horstius (1626–1661) ebenfalls Anatom und aufgrund seiner Bearbeitung des zoologischen Monumentalwerkes von Conrad Gesner zu einem in seiner Zeit bekannten Zoologen wurde. Ein weitere Sohn von Gregor Horstius, Johann Daniel Horstius (1616–1685) wurde 1637 Professor der Medizin in der nach Marburg verlegten Gießener Universität.

Berechnung einer Muskelkontraktion durch ein Parallelogramm, (De natura motus 1617)

Gregor Horstius führte in Gießen, dem Brauch der neuzeitlichen Anatomie folgend, die ersten öffentlichen Sektionen durch. So wurde ihm mit Genehmigung des Landgrafen 1615 die weibliche Leiche einer hingerichteten Kindsmörderin aus Nidda für eine Sektion zur Verfügung gestellt, 1617 folgte die Sektion einer männlichen Leiche in der „Anatomia publica“. Zu diesen Sektionen wurden durch öffentlichen Plakataushang „alle Liebhaber der Selbsterkenntnis“ eingeladen. Horstius beschäftigte sich auch mit Fragen der Leichenkonservierung und stellte neue Techniken dazu vor.[1]

1608 richtete er den noch heute existierenden medizinischen Lehrgarten (Hortus medicus) ein, der als der älteste botanische Universitätsgarten an unveränderter Stelle gilt.

Mit seiner 1612 in Wittenberg erschienen Gießener Schrift „De Natura Humana“ legt er sein Lehrbuch der Anatomie vor. Es ist noch inspiriert von der Basler Schule des Vesalius, jedoch mit der Absicht der Verwendung im anatomischen Unterricht an Universitäten geschrieben. Er befasste sich neben der lehrenden Anatomie auch mit den Ursachen des Skorbut, wichtigen Infektionskrankheiten wie den Masern, Röteln, Pocken und der Pest. Er kritisierte seine Kollegen, die Medizin nicht-empirisch, ohne Untersuchung betrieben.

Wohl aufgrund der heraufziehenden Wirren des Dreißigjährigen Krieges verließ Horstius 1622 die Gießener Universität, bevor diese 1625 aufgehoben und nach Marburg verlegt wurde. Er wurde Erster Stadtphysicus in Ulm, wo er 1636 an der Gicht starb. Seine Schriften erfuhren auch nach seinem Tod weitere Auflagen, eine Sammlung seiner bedeutenden Werke (Opera Medica) erschien 1661 in den Niederlanden.

Schriften

  • De Mixtis in genere, in qua proponuntur propria principia mistorum, ipsa mistio, et ea, quae misti naturam in genere consequuntur. Meißner, Wittenberg 1603.
  • Nobilium Exercitationum De Humano Corpore Et Anima Libri duo. Berger/Gorman, Wittenberg 1607.
  • Decas problematum medicorum, ad precipuarum febrium cognitionem et curationem inserviens. Crato, Wittenberg 1608.
  • Disputationum medicarum viginti, continentes universae medicinae delineationem locis Hippocratis et Galenicis ut plurimum illustr. Berger, Wittenberg 1609.
  • Büchlein Von dem Schorbock. Hampelius, Gießen 1611.
  • Decas pharmaceuticarum exercitationum, add. totidem casibus specialibus. Chemlin, Gießen 1611.
  • Dissertatio de natura amoris. Chemlin, Gießen 1611.
  • De Natura Humana Libri duo, Quorum prior de corporis structura, posterior de anima tractat. Ultimò elaborati, Commentariis aucti … Cum præfactione de Anatomia vitali & mortuâ pro concilatione Spagyricorum & Galenicorum plurimum inseruiente'* Bergerus, Wittenberg 1612.
  • De Morbis, eorumque casis liber. Chemlin, Gießen 1612.
  • De Anatomia vitali et mortua. Gießen 1612.
  • De Natura motus animalis et voluntarii. Exercitatio singularis ex principiis physicis, medicis, geometricis et architectonicis deducta. Chemlinus, Gießen 1617.
  • Dissertatio De causis similitudinis et dissimilitudinis in foetu, respectu parentum …: Cvi annexa est Resolvtio Quæstionis De diverso partus tempore, inprimis´q; quid de septimestri & octimestri partu sentiendum. Chemlin, Gießen 1618.
  • Kurtzer Bericht Von den Verschlechten oder Kindsblattern/ wie auch Masern/ Röteln oder Kindsflecken. Chemlin, Gießen 1621.
  • Centuria problematum medicorum therapeutichon, continens gravissimorum affectuum cognitionem et curationem, juxta principia Hippocratica, Galenica et hermetica deductam. Endter, Nürnberg 1636.
  • Gregor. Horstii: Opera medica. Nürnberg 1660, Gouda und Amsterdam 1661 (posthume Sammlung seiner Schriften)
  • Gregorii Horstii, D. Dissertatio De Natura Thermarum. Giessae 1618, Online-Ausgabe der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

Literatur

  • Jost Benedum: Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät. In: Festschrift zum 375. Jubiläum der Medizinischen Fakultät Gießen. 1982.
  • Ulrike Enke: „… für uns das feinste Parfüm“ – Historische Anmerkungen zu Anatomie und anatomischen Unterricht an den hessischen Universitäten vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Hessisches Ärzteblatt. Nr. 12, 2005, S. 819–824.
  • Claudia Ragheb: Die Pathologie des Gregor Horstius im Vergleich zu den Galenisten seiner Zeit, erläutert am Beispiel Jean Fernels. Dissertation. Gießen 1996.
  • Ulf Eisenreich: Die „contagiösen“ Krankheiten im Werk des Gregor Horstius (1578–1636). Dissertation. Gießen 1995.
  • Ortwin Schuchardt: Anima rationalis und höhere Sinnesfunktionen: Theorien des „deutschen Äskulap“ Gregor Horstius. Dissertation. Gießen 1994.
  • Isabel Wilhelm: Krankheiten von Gehirn und Sinnesorganen in Kasuistiken des Gießener Arztes Gregor Horstius (1578–1636). Dissertation. Gießen 1994.
  • Horstius, Greg. ein berühmter Teutscher Medicus. In: Zedlers Universal-Lexicon. Band 13, Leipzig 1735, Spalte 950 f.

Einzelnachweise

  1. Magdalena Hawlik-van de Water: Der schöne Tod. Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis zwischen 1640 und 1740, Freiburg/Wien 1989, S. 203-211 (über "Die Methoden des Einbalsamierens vom Altertum bis zur Neuzeit").

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