Johanna Decker


Johanna Maria Katharina Decker (* 19. Juni 1918 in Nürnberg; † 9. August 1977 vor dem St. Paul’s Buschhospital) war eine deutsche katholische Missionsärztin. Sie wurde während des Bürgerkriegs in Rhodesien (heute: Simbabwe) am 9. August 1977 von Terroristen ermordet.

Leben

Johanna (Rufname: Hanna) Decker wurde als Tochter des Zoll-Finanzrats Ignaz (1876–1947) und Maria-Anna Decker, geb. Jäger (* 1884) in Nürnberg geboren. 1922 wurde ihr Vater nach Amberg versetzt, wo sie Volksschule und das Lyzeum der Armen Schulschwestern besuchte, das heute ihren Namen trägt: Dr.-Johanna-Decker-Schulen. Sie war eine überdurchschnittlich gute Schülerin, war künstlerisch begabt, konnte gut zeichnen und spielte Klavier.

Decker war in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv. Seit diesem Zeitpunkt muss bei ihr der Gedanken gereift sein, in den Missionärztlichen Dienst einzutreten, mit dem sie in Würzburg in Kontakt kam. Am Fest Epiphanias (6. Januar) 1946 legte sie das eidliche Versprechen ab, „nach Vollendung der medizinischen Studien sich mindestens 10 Jahre lang den Missionen in den Heidenländern zu widmen“.

Nach dem Medizinstudium in Würzburg und München folgte eine Fortbildung als Fachärztin für Neurologie in Mainz. 1950 wurde sie vom Missionsärztlichen Institut in Würzburg nach Rhodesien (heute: Simbabwe) entsandt. Zunächst absolvierte sie eine längere Eingewöhnungsphase im Hospital der Fatima-Mission. Anschließend wurde sie 1960 mit der Einrichtung des neuen Busch-Krankenhauses St. Paul’s im Lupane-Bezirk des südwestlichen Zimbabwes (nördliches Matabeleland) beauftragt.

In Zusammenarbeit mit den Mariannhiller Missionaren, die die pastorale und wirtschaftliche Betreuung übernahmen, kümmerte sich Decker um das Hospital. Als einzige Ärztin im Umkreis von 100 km betreute sie mit ihrem Team auch die sieben Außenstationen. Ihre Anwesenheit am Ort bedeutete auch gleichzeitig Dienst in der Klinik, ein Privatleben gab es praktisch nicht. Binnen weniger Jahre wurde ein modernes Krankenhaus mit der dazugehörigen Infrastruktur (Wohnungen für die Angestellten und Schwesternschülerinnen) errichtet.

Am Dienstag, 9. August 1977 am frühen Nachmittag ereignete sich der Überfall im Krankenhaus. Zwei schwer bewaffnete Terroristen drangen durch das Hauptportal des Krankenhauses ein. Zuvor hatten die zwei alkoholisierten Schwarzen auf dem Weg ins Hospital einen Häuptling ermordet, einem Mann die Augen ausgestochen und auf dem Hospitalgelände Patienten geschlagen. Im Ambulanzraum stellten sie Decker, die gerade Patienten untersuchte und behandelte. Sie wurde dabei von der in Österreich geborenen Sr. Ferdinanda Ploner CPS (53), die einen südafrikanischen Pass hatte, unterstützt. Die beiden Guerilleros forderten Geld, und Decker gab ihnen den Inhalt der Kasse. Allerdings war dies den beiden Aufständischen nicht genug. Decker sagte ihnen, dass sie mehr Geld in ihrem Haus habe und wollte es holen. Auf dem Weg zu ihrem Haus eröffneten die Rebellen ohne Vorwarnung aus ihren Kalaschnikows das Feuer. Decker und Sr. Ferdinanda brachen sofort tot zusammen. Decker hatte nur einen tödlichen Schuss abbekommen, während Sr. Ferdinanda von acht Kugeln getroffen wurde.

Sie liegt auf dem Stadtfriedhof in Bulawayo begraben.

Hintergrund und Folgen der Tat

Decker war stets ihrer Berufung treu geblieben und nicht vom Weg abgewichen. Allerdings muss sie von den schrecklichen Ereignissen eine dunkle Vorahnung gehabt haben. Wie von vielen Leuten bezeugt wurde, hat sie bei ihrem letzten Abschied von Europa im Herbst 1976 auf dem Flughafen in Rom sehr geweint.

Dies hing mit der Ermordung des Diözesanbischofs von Bulawayo Adolph Gregor Schmitt im Dezember 1976 zusammen. Im Bürgerkrieg waren die Einrichtungen der (weißen) Missionäre bevorzugtes Ziel von Terroranschlägen. Der Missionsorden der Mariannhiller verzeichnete im Zeitraum von bis 1985 insgesamt neun getötete Ordensschwestern.

Die Tat selbst konnte nie aufgeklärt werden, und die Täter wurden nie gefasst. Berichten zufolge sollen bei dem Überfall R$ 400 (ungefähr £ 400) gestohlen worden sein. Während des Überfalls soll es zu Übergriffen auf das schwarze Krankenhauspersonal gekommen sein. Auch soll den Schwestern mit Vergewaltigung gedroht worden sein und rund 130 Patienten aus ihren Betten getrieben worden sein. Nach der Unabhängigkeit Simbabwes im Jahre 1980 wurde für alle Untaten während des Bürgerkrieges im Lancaster-House-Abkommen eine allgemeine Amnestie vereinbart. Der Terroranschlag wurde also nie gesühnt.

Nach ihrer Ermordung musste das Krankenhaus geschlossen werden. Einige Monate später wurde es geplündert und zerstört. Danach lag das Gelände für längere Zeit brach. Heute wird St. Paul's als Außenstation des Missionskrankenhauses St. Luke's geführt. Es soll Pläne geben, die von Decker erbaute Kirche auf dem Gelände wieder aufzubauen.

Bedeutung / Auszeichnungen / Ehrungen

Sie erwarb sich durch ihr jahrelanges außergewöhnliches Engagement und die große Umsicht, mit der sie das Krankenhaus führte, einen hervorragenden Ruf. In der Literatur wird sie auch als Märtyrerin der Medical Missions bezeichnet. Ihr Tod hatte aber weder medizinische noch theologische Ursachen. Sie hat ihren Beruf als Missionsärztin mit dem Leben bezahlt, weil sie um ihrer Aufgabe willen in einer Güterabwägung ein kalkuliertes Risiko eingegangen ist: die (medizinische) Sorge für die ihr anvertrauten Menschen wog für sie schwerer als ihre eigene Sicherheit. Sie gilt heute noch als großes Vorbild für alle angehenden Missionsärzte und ist über die Grenzen Simbabwes und Deutschlands hinaus bekannt.

Decker erwarb sich auch als Wissenschaftlerin durch eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln in angesehenen medizinischen Fachzeitschriften in Südafrika, Großbritannien und Deutschland einen Namen. Am 29. November 1979 wurde ihr posthum der Noristan Preis des Wissenschaftrates von Pretoria verliehen. Die Universitäten von Salisbury (heute: Universität Harare) und Bulawayo schickten regelmäßig junge Ärzte und Famuli zur Aus- und Weiterbildung in ihr Hospital.

1981 wurde in ihrem Heimatort Heimstetten/Kirchheim bei München eine Straße nach ihr benannt. 2006 wurde ein Gebäude des Missionsärztlichen Instituts in Würzburg offiziell in Hanna-Decker-Haus umbenannt.

Quellen

Tagebücher, Briefe und andere Dokumente aus dem Nachlass von Decker werden im Archiv der Mariannhiller Missionare in Rom aufbewahrt, darunter zahlreiche Gespräche und Interviews mit Personen, die Decker kannten (aufgezeichnet von Adalbert Ludwig Balling und hinterlegt im CMM-Archiv in Rom).

Werke von und über Decker

  • Johanna Decker: Zentrale Nervenerkrankungen nach peripheren Verletzungen - unter besonderer Berücksichtigung der Syringomylie, spinalen Muskelatrophie und amyotr. Lateralsklerose. Diss. Uni. München, 1942.
  • Johanna Decker: Der Missionsarzt. In: Hippokrates 14/1963.
  • Adalbert Ludwig Balling: Dr. Johanna Decker. in: H. Moll., Bd. II, 1229-1233, Paderborn. 3. Auflage 2001
  • Adalbert Ludwig Balling: Johanna Decker. In: Hummel/Strohm (Hrsg.): Zeugen einer besseren Welt / Christliche Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Hrsg. i. A. der DBK und der ev. Kirche in Deutschland, Leipzig/Kevelaer, 2000, S. 459-472
  • Adalbert Ludwig Balling, Heinrich Karlen: Johanna Decker. In: Missionsmagazin „mariannhill“, 6/1977
  • Adalbert Ludwig Balling, Helmut Holzapfel: Johanna Decker. In: Würzburger Sonntagsblatt', August 1977
  • Adalbert Ludwig Balling: Keine Götter, die Brot essen, sondern Brückenbauer zwischen Schwarz und Weiß. Missionsverlag Mariannhill, Würzburg 2001

Weblinks

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