Kleptoplastid

Die Schlundsackschnecke Oxynoe olivacea

Kleptochloroplasten oder Kleptoplastiden sind Chloroplasten, die von Organismen aufgenommen werden und entweder photosynthetisch genutzt oder später bei Nahrungsmangel verdaut werden. Sie werden im Gegensatz zu den Plastiden der Grünalgen und höheren Pflanzen, die ihre Plastiden durch Endosymbiose erlangt haben, nicht an die Nachkommen weitergegeben.

Die Art der Verwendung und die Stabilität der aufgenommenen Chloroplasten variiert stark zwischen den Organismengruppen. Die höchste beobachtete Stabilität zeigen die Kleptochloroplasten der kräftig grün gefärbten Meeresschnecke Elysia chlorotica. Das Tier nimmt die Alge Vaucheria litorea auf, verdaut den Großteil des Zellkörpers und integriert die Plastiden durch Phagozytose in die Epithelzellen ihres Verdauungstraktes. Das Organell exprimiert sogar weiterhin plastidäre Gene. Im Aquarium überlebt die Schnecke ohne Nahrung, nur durch Zufuhr von Licht acht bis neun Monate, was auch der typischen Lebensdauer in freier Wildbahn entspricht[1]. Auch andere Schnecken der Familien Conchoidea, Stiligeroidea und Elysioidea können auf diese Art Chloroplasten aufnehmen, jedoch ist die Stabilität der Kleptoplasten von E. chlorotica bisher unerreicht.

Die Schlundsackschnecken des Pazifiks können ebenfalls Chloroplasten aus Algen aufnehmen und lagern diese in ihre Mitteldarmdrüse oder ihre Haut ein. Einige andere Meeresschnecken fressen Korallen, die ihrerseits Photosynthese treibende Algen tragen.

Weitere Beispiele für Kleptoplastidie lassen sich bei den einzelligen Dinoflagellaten finden. Die heterotrophen Arten der Gattung Dinophysis beispielsweise nutzen die Chloroplasten ihrer Beute [2]. Die selektive Erhaltung der Kleptoplastiden wird im Rahmen der Endosymbiontentheorie benutzt, um die Entstehung der Chloroplasten aus ursprünglich freilebenden Cyanobakterien, Cryptophyceen oder Haptophyta zu erklären.[3]

Einzelnachweise

  1. Mujer et al. Chloroplast genes are expressed during intracellular symbiotic association of Vaucheria litorea with the sea slug Elysia chlorotica. Proc Natl Acad Sci US A (1996)
  2. Kiyotaka Takishitaa, Kazuhiko Koikeb, Tadashi Maruyamaa and Takehiko Ogatab (2002) Molecular Evidence for Plastid Robbery (Kleptoplastidy) in Dinophysis, a Dinoflagellate causing Diarrhetic Shellfish Poisoning. Protist, Vol. 153, 293–302. (Abstract)
  3. Charles F. Delwiche: Tracing the Thread of Plastid Diversity Through the Tapestry of Life in The American Naturalist, Vol. 154, Supplement: Evolutionary Relationships Among Eukaryotes (Oct., 1999), pp. S164-S177 (Online)

Die News der letzten Tage

18.09.2023
Mikrobiologie
Stinkender Schleim: Wohlfühlort für Würmer und Mikroben
Kieler Forschungsteam untersucht am Beispiel von Fadenwürmern in einem naturnahen Kompost-Experiment, welchen Beitrag Wirtslebewesen und Mikroorganismen zur gemeinsamen Anpassung an einen neuen Lebensraum leisten.
18.09.2023
Anthropologie | Evolution | Neurobiologie
Evolution der sprach-relevanten Hirnstrukturen aufgedeckt
Sprache ist ein Aspekt, der uns zu Menschen macht.
18.09.2023
Mikrobiologie | Taxonomie
Darmmikrobe produziert stinkendes Giftgas, schützt aber vor Krankheitserregern
Taurin abbauende Bakterien beeinflussen das Darmmikrobiom, so ein internationales Team von Wissenschafter*innen unter der Leitung des Mikrobiologen Alexander Loy von der Universität Wien.
17.09.2023
Insektenkunde | Ökologie
Dieselabgase schädigen Insekten: erstmals Auswirkungen auf Hummeln erforscht
Der Rückgang der Insekten bedroht weltweit viele Ökosysteme - Während die Auswirkungen von Pestiziden gut erforscht sind, fehlte es bisher an Erkenntnissen über die Folgen anderer anthropogener Schadstoffe.
17.09.2023
Mikrobiologie | Toxikologie
Wie man Giftschlangen auf den Zahn fühlt
Nicht nur in den Tropen führen Schlangenbisse zu gefährlichen Vergiftungen – auch Bisse europäischer Giftschlangen können ernste körperliche Beschwerden hervorrufen.
16.09.2023
Evolution | Paläontologie
Langzeitseen als Motor für die Evolution von Süßwasserschnecken
In Millionen Jahre existierenden Langzeitseen entwickelten Süßwasserschnecken im Laufe der Erdgeschichte eine besonders große Vielfalt an Arten.
13.09.2023
Biodiversität | Ökologie
Neue Bienenart aus dem Osten in Regensburg aufgetaucht
Neben der allseits bekannten Honigbiene sind aus Deutschland nach neuestem Stand 604 Wildbienenarten bekannt.
12.09.2023
Biochemie | Entwicklungsbiologie | Physiologie
Neues zur Bildung von Wurzelhaaren
Wurzelhaare sind ein wichtiger Bestandteil der Wurzeloberfläche, über die Pflanzen Nährstoffe aufnehmen: Bekannt ist, dass es bei einem leichten Stickstoffmangel zu einer Verlängerung der Haupt- und Seitenwurzeln kommt.
11.09.2023
Fischkunde | Physiologie
Große Fische werden kleiner und kleine Fische immer zahlreicher
Organismen werden im Laufe der Zeit weltweit immer kleiner – das liegt zum einen am Austausch der Arten untereinander und zum anderen an Veränderungen innerhalb der Arten selbst.
08.09.2023
Klimawandel | Paläontologie
Als üppige Laubwälder die Arktis bedeckten
Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht das Pflanzenwachstum im nördlichen Polargebiet vor rund 50 Millionen Jahren – Paläoklima mit Parallelen zur aktuellen globalen Erwärmung.
07.09.2023
Fischkunde | Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft | Meeresbiologie
Fast zwei Drittel aller Korallenriffe werden überfischt
Ein internationales Team von Forschenden hat mit einem umfangreichen Datensatz aus über 2000 Korallenriff-Standorten ermittelt, wie es um die Fischbestände und Vielfalt der Fischarten in den Riffen der Weltmeere bestellt ist.
06.09.2023
Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft | Ökologie
Ackerbau-Studie zu Zwischenfrucht-Mischungen mit unerwartetem Ergebnis
Nach der Ernte im Herbst werden meist sogenannte Zwischenfrüchte angebaut, denn diese verhindern die Erosion und die Auswaschung von Nährstoffen.