Kohlenstoffdisulfid


Strukturformel
Struktur von Kohlenstoffdisulfid
Allgemeines
Name Kohlenstoffdisulfid
Andere Namen

Schwefelkohlenstoff

Summenformel CS2
Kurzbeschreibung

farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit, die im Reinzustand angenehm aromatisch, auf Grund von Verunreinigung jedoch meist unangenehm riecht[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 75-15-0
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Eigenschaften
Molare Masse 76,14 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,26 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

−112 °C[2]

Siedepunkt

46,3 °C[2]

Dampfdruck

400 hPa (20 °C)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225​‐​361fd​‐​372​‐​319​‐​315
P: 210​‐​281​‐​305+351+338​‐​314 [4]
MAK

16 mg·m−3[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Kohlenstoffdisulfid (Trivialname: Schwefelkohlenstoff, CS2) ist ein Sulfid des Kohlenstoffs.

Gewinnung und Darstellung

Kohlenstoffdisulfid besitzt eine positive Standardbildungsenthalpie (für flüssiges CS2: ΔHf = + 89,7 kJ/mol), die Synthese aus den Elementen ist damit eine endotherme Reaktion. Beim Zerfall in die Elemente Schwefel und Kohlenstoff kann die Verbindung den entsprechenden Energiebetrag wieder abgeben. Der Zerfall erfolgt jedoch nicht spontan, da es sich um eine metastabile Verbindung handelt. Die Synthese aus den Elementen erfolgte bis in die 50er Jahre unter Luftausschluss durch Überleitung von Schwefeldämpfen über glühende Holzkohle bei 800–1000 °C. Heutzutage wird Kohlenstoffdisulfid aus meist ungereinigtem Erdgas (oder anderen Quellen für Alkane) und Schwefel bei 600 °C in Gegenwart von Katalysatoren synthetisiert. Bei dieser Reaktion entsteht außerdem Schwefelwasserstoff, der industriell weiterverarbeitet wird.

Eigenschaften

Kohlenstoffdisulfid ist eine farblose, stark lichtbrechende und äußerst leicht entzündliche Flüssigkeit (Flp. –30 °C); die Zündtemperatur beträgt 102 °C, womit sich Dämpfe bereits an mäßig heißen Oberflächen entzünden können[6]. In reinem Zustand riecht Schwefelkohlenstoff angenehm wie Ether; durch sehr unangenehm riechende Verunreinigungen ist dieser etherische Geruch meist nicht mehr wahrnehmbar.

Schwefelkohlenstoff ist ein gutes Lösungsmittel unter anderem für Iod, Schwefel, Selen und weißen Phosphor.
CS2 verbrennt mit einer sehr niedrigen Temperatur (Flammentemperatur unter 200 °C).

Toxikologie

Da Schwefelkohlenstoff gut fettlöslich ist, wird es über Lunge und Haut leicht aufgenommen. Eine längere Exposition führt zu Vergiftungserscheinungen: Die akute Schwefelkohlenstoffvergiftung äußert sich in Gesichtsrötung, euphorischen Erregungszuständen, dann Bewusstlosigkeit, Koma und Atemlähmung; die chronische Schwefelkohlenstoffvergiftung durch wiederholtes längeres Einatmen äußert sich in Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Gedächtnis-, Seh- und Hörstörungen, Nervenentzündungen und Gefäßschäden.

Verwendung und Reaktionen

Allgemein

Schwefelkohlenstoff wird in großen Mengen zur Herstellung von Cellulosefasern aus Zellstoff eingesetzt, wobei der Zellstoff zuerst mit Natronlauge zu Alkalicellulose umgesetzt und diese nach dem oxidativem Abbau mit Schwefelkohlenstoff zu dem in Natronlauge löslichem Xanthogenat verarbeitet wird. Die so entstandene Celluloselösung, auch Viskose genannt, wird in schwefelsauren Spinnbädern zu Regeneratcellulose versponnen. Es ist ein Lösungsmittel für Fette und wird in der Infrarot-Spektroskopie eingesetzt, da es keine störenden Wasserstoff- oder Halogenbanden besitzt. Außerdem zeigt Schwefelkohlenstoff einen starken Kerr-Effekt und wird daher als Kerrlinse in Festkörperlasern eingesetzt. Die gelben Kupferxanthogenate geben unter Zersetzung giftigen Schwefelkohlenstoff frei und werden zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Mit Ammoniak, primären und sekundären Aminen entstehen Dithiocarbamate.

Die Reduktion mit Natrium in Dimethylformamid ergibt das Dinatriumsalz von DMIT, Kurzbezeichnung für Dimercaptoisotrithion, einer Ausgangsverbindung zur Herstellung schwefelreicher Heterocyclen und von substituierten Tetrathiafulvalenen. Beim Kochen mit wässrigen Sulfid-Lösungen entstehen Trithiocarbonate. Bei der Reaktion mit Grignard-Verbindungen entstehen durch eine Insertionsreaktion Magnesiumsalze, deren Hydrolyse Dithiocarbonsäuren (R-CSSH) ergibt.

Spuren von Schwefelkohlenstoff (ca. 1 mg / L) werden dem Elektrolytbad bei der galvanischen Silberabscheidung als Glanzbildner hinzugegeben. Es verursacht einen sofortigen, vorübergehenden Abfall der kathodischen Polarisation. Dadurch ist es möglich, nahezu spiegelglänzende Silberschichten abzuscheiden.[7] Diese Wirkung als sogenannter Glanzbildner ist bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt.[8]

Kohlenstoffdisulfid hat die gleiche Brechzahl wie Glas, daher ist in Kohlenstoffdisulfid eingetauchtes Glas praktisch unsichtbar. Dies wird beispielsweise zum Erkennen von gefälschten Diamanten verwendet. Echte Diamanten bleiben, anders als Glas, auch beim Eintauchen gut sichtbar. Oftmals entsteht Schwefelkohlenstoff auch auf natürliche Art und Weise, zum Beispiel bei Fäulnisprozessen.

Historische Anwendung

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gab es mehrere erfolglose Versuche, Kohlenstoffdisulfid als Arbeitsflüssigkeit für Dampfmaschinen einzusetzen.[9] Schwefelkohlenstoff wurde auf Grund seiner hohen Toxizität auch zur Vernichtung von Ratten[10] und Wühlmäusen[11] eingesetzt. Die toxische Wirkung wurde 1866 beschrieben.[12] In Schwefelkohlenstoff gelöster weißer Phosphor wurde in Phosphorbomben verwendet.

Reblausbekämpfung mit dem Schwefelkohlenstoff-Injektor, 1904.

Die Bodeninjektion mit Schwefelkohlenstoff war eine wirksame, arbeitsaufwändige und teure Reblausbekämpfungsmethode. Man brachte den flüssigen, leicht verdunstenden, giftigen Schwefelkohlenstoff mit Handinjektoren in den Hauptwurzelbereich von befallenen Rebstöcken. Durch die Veredlung der Edelsorte mit einer widerstandsfähigen Unterlagsrebe ist diese Möglichkeit längst verschwunden und verboten.

Nachweis

Kohlenstoffdisulfid gibt mit Diethylamin in Gegenwart von Kupfersalzen (Cu2+) einen gelben Dithiocarbamat-Komplex:

$ \mathrm {[Cu^{II}{(SC(S)N(C_{2}H_{5})_{2})}_{2}]} $

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009..
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Datenblatt Kohlenstoffdisulfid bei AlfaAesar (PDF) (JavaScript erforderlich)..
  3. 3,0 3,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens ESIS wurde kein Text angegeben.
  4. Datenblatt Carbon disulfide bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  5. Eintrag zu CAS-Nr. 75-15-0 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  6. http://userpage.chemie.fu-berlin.de/~tlehmann/unterweisung/zuendtemperatur.html
  7. Neuzeitliche galvanische Metallabscheidung, 1953, Carl Hanser Verlag München.
  8. Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 517-519.
  9. The Museum of RetroTechnology: Carbon Disulphide Engines.
  10. Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, 1905–1909, Eintrag Ratten
  11. Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, 1905–1909, Eintrag Wühlmaus
  12. S. Cloëz, Ueber die giftigen Eigenschaften des Schwefelkohlenstoffs und über die Anwendung dieser Flüssigkeit zur Vertilgung der Ratten und der in der Erde lebenden schädlichen Thiere, Polytechnisches Journal, LXIII, S. 185, Juli 1866.