Benzol


Strukturformel
Strukturformel des Benzols
Allgemeines
Name Benzol
Andere Namen

Benzen (IUPAC)

Summenformel C6H6
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 71-43-2
PubChem 241
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Eigenschaften
Molare Masse 78,11 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,88 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

5,5 °C[1]

Siedepunkt

80,1 °C[1]

Dampfdruck

100 hPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

schlecht in Wasser (1,77 g·l−1)[1]

Brechungsindex

1,5011 [2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225​‐​350​‐​340​‐​372​‐​304​‐​319​‐​315
P: 201​‐​210​‐​308+313​‐​301+310​‐​331​‐​305+351+338​‐​302+352 [1]
MAK

nicht festgelegt, da krebserregend[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Benzol (auch Benzen) ist eine flüssige organisch-chemische Verbindung mit einem charakteristischen aromatischen Geruch. Es ist das einfachste und zugleich klassische Beispiel für aromatische Kohlenwasserstoffe.

Die Summenformel ist C6H6. Benzol ist krebserregend und wurde deshalb als Lösungsmittel durch die weniger gefährlichen methylsubstituierten Benzole Toluol und Xylol weitgehend ersetzt. Benzol wird heute deshalb fast nur noch als Rohstoff zur Herstellung einiger Industriechemikalien wie Ethylbenzol, Cumol und weiterer Alkylbenzole, Cyclohexan sowie Nitrobenzol verwendet.[5] Als Erdölbegleitstoff darf es in Deutschland und der EU nach EN 228 mit bis zu ein Prozent im Autokraftstoff Benzin enthalten sein[6]; in den USA sind derzeit (2012) ebenfalls noch maximal ein Prozent erlaubt[7].

Geschichte

Der Name Benzol wurde im Jahr 1843 erstmals von Justus von Liebig gebraucht. Liebig änderte die Namensgebung von Eilhard Mitscherlich von 1833, der das Benzol als Benzin bezeichnet hatte, um.[8] Im angelsächsischen und französischen Sprachbereich wurde die adaptierte Bezeichnung (franz: benzène, engl: benzene) von Mitscherlich jedoch weiterhin benutzt.

In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Benzol von Johann Rudolph Glauber, der auch das Glaubersalz entdeckte, bei der Destillation von Steinkohleteer entdeckt. Die Zusammensetzung war für ihn jedoch unbekannt und so nannte er es ein „subtiles und liebliches Oleum“. Im Jahre 1825 wurde Benzol von dem englischen Physiker Michael Faraday im Leuchtgas entdeckt, nämlich dadurch, dass er dieses Öl aus flüssigen Rückständen isolierte, die sich beim Verbrennen von Walölen in den Londoner Straßenlaternen aus der Gasphase abschieden. Er schlug deshalb den Namen „Pheno“ (gr. phainein = leuchten) vor. Ein Jahr später erkannte man dieses Öl als Kohlenwasserstoff. Im Jahre 1834 erhielt der deutsche Chemiker Eilhard Mitscherlich Benzol aus Benzoesäure und Calciumoxid, des Weiteren setzte er Benzol zu Nitrobenzol, Azobenzol und Benzolsulfonsäure um. Er benannte den Stoff wegen seiner Verwandtschaft zu Benzoesäure als „Benzin“. Außerdem erstellte er die richtige Summenformel C6H6. Im gleichen Jahr wurde „Benzin“ von Justus von Liebig in Benzol umbenannt. 1845 isolierte der englische Chemiker Charles Mansfield während seiner Arbeit unter Leitung von August Wilhelm von Hofmann Benzol aus Steinkohleteer.

Historische Kekulé-Benzol-Formel aus der Originalpublikation.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang.

Um die korrekte Strukturformel des Benzols schwelte ein langer Gelehrtenstreit. Erste Vorschläge wie die Prisman-Struktur, die des Benzvalen, des Dicyclopropenyl sowie das Dewar-Benzol (von James Dewar) stellten sich als falsch heraus. Erst im Jahre 1861 formulierte der österreichische Chemiker Johann Josef Loschmidt, damals noch Schullehrer, einige mögliche Strukturformeln des Benzols, die der deutsche Chemiker und Professor für Chemie August Kekulé dann 1865 – möglicherweise als Anregung für seine Kekulé-Strukturformel (siehe rechte untere Abbildung) – übernahm. Einer Legende nach kam Kekulé dieser Einfall im Traum. Er träumte von einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss. Kekulé beschreibt dies in seiner Rede zum 25-jährigen Jubiläum des Benzolrings 1890. Die sechs Affen, die sich abwechselnd entweder mit beiden oder mit einer Hand an den Füßen fassten und so die Ringstruktur bildeten, beruhen auf einem 1886 bei einem Bierabend der Deutschen Chemischen Gesellschaft gemachten Scherz.[9]

Sie trägt jedoch dem experimentellen Befund Rechnung, dass im Benzol alle Kohlenstoffatome gleichwertig sind. Mit dieser Formel konnten allerdings noch nicht alle Besonderheiten des Benzols erklärt werden, wie beispielsweise seine ungewöhnlich niedrige Reaktivität. Rätselhaft war insbesondere das Ausbleiben einer Additionsreaktion mit Bromwasser, wie sie nach der Kekulé-Strukturformel eigentlich zu erwarten wäre. Der Beweis der Gleichwertigkeit der Wasserstoffe im Benzolmolekül konnte von 1869 bis 1874 erbracht werden. Im Jahre 1872 formulierte Kekulé seine Oszillationshypothese eines dauernden Platzwechsels von Einfach- und Doppelbindungen.

Erst im 20. Jahrhundert konnte das Phänomen der delokalisierten Elektronenwolken, die dem Benzolmolekül eine besondere Stabilität verleihen, über Röntgenstrukturanalyse nachgewiesen werden. 1925 führten Armit und Robinson die vereinfachte Schreibweise mit dem mittigen Kreis in der Formel ein, welcher zum Ausdruck bringen soll, dass alle Bindungen absolut gleichwertig sind und keine lokalisierbaren Doppelbindungen existieren.[10]

Im Jahr 1849 begann die industrielle Herstellung des Benzols auf der Basis von Steinkohle. Es wurde sorglos mit ihm umgegangen, bis Kampagnen schließlich über 100 Jahre später über die Gefahren des Benzols aufklärten, als die Giftigkeit des Benzols bekannt wurde.

Strukturformel und Nomenklatur

Molekülgeometrie des Benzols
Mesomerie des Benzols

Das Erstellen der korrekten Strukturformel des Benzols stellte lange Zeit ein Problem dar (siehe Geschichte), was unter anderem an der Vielzahl der theoretisch möglichen Strukturformeln liegt. Zur Summenformel C6H6 lassen sich theoretisch 217 verschiedene Strukturformeln aufstellen.

Jedes Kohlenstoffatom verfügt über vier Valenzelektronen, von denen zwei das Atom mit den benachbarten C-Atomen verbinden. Ein Elektron bindet das zugehörige Wasserstoffatom. Die verbleibenden sechs π-Elektronen ergeben formal drei π-Bindungen, wie sie in der Strukturformel mit drei Doppelbindungen ausgedrückt wurden. In dem heute gültigen Orbitalmodell bilden die sechs π-Elektronen eine delokalisierte Ladungswolke (delokalisiertes 6-π-Elektronensystem) über und unter der Ebene des Kohlenstoffrings. Kekulé drückte diesen Umstand der Mesomerie durch zwei Strukturformeln aus, die jeweils nur die beiden Extrempunkte der Ladungswolke symbolisieren. Aufgrund der Mesomerie ist der Kohlenstoffring stabiler als das hypothetische Cyclohexatrien mit lokalisierten Doppelbindungen an festgelegten Positionen. In der vereinfachten Schreibweise wird der Kohlenstoffring heute als Sechseck und die Elektronenwolke als einbeschriebener Kreis dargestellt. Benzol ist ein planares Molekül, bei dem die Kohlenstoffatome alle sp2-hybridisiert sind. Die Delokalisierung der Elektronen begründet die Äquivalenz aller CH-Gruppierungen im Molekül und damit die hohe Symmetrie[11], weswegen Benzol der Punktgruppe D6h angehört, also mit einer sechszähligen Achse versehen ist.[12] Der Einfluss des π-Elektronensystems auf die Struktur ist jedoch nicht unumstritten.[13] Es ist das einfachste ungeladene aromatische Molekül. Benzol ist der Grundbaustein für viele Aromaten.

Der Benzolring ist als Sonderzeichen ⌬ und ⏣ im Unicode-Block Verschiedene technische Zeichen vorhanden.

Da in der systematischen chemischen Nomenklatur die Endung -ol für Alkohole verwendet wird, ist die im Deutschen meist verwendete, historisch bedingte Bezeichnung Benzol irreführend; der Name Benzen wurde von der IUPAC als offizielle Nomenklatur für diesen Kohlenwasserstoff bestimmt.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Benzol ist eine farblose, klare, mit einem Brechungsindex von 1,5011 stark lichtbrechende, leicht flüchtige und leicht brennbare Flüssigkeit. Die Brechzahl von Benzol stimmt recht gut mit der von Fensterglas überein, ein Glasstab, der in Benzol eingetaucht ist, ist daher nahezu unsichtbar (siehe auch Immersionsmethode (Mineralogie)). Die Viskosität des Benzols ist geringer als die des Wassers (es ist dünnflüssiger). Es erstarrt bei 5,5 °C und siedet bei 80,1 °C. Bei Zimmertemperatur (20 °C) hat es eine Dichte von 0,88 Kilogramm pro Liter und einen Dampfdruck von 110 hPa. Die Eigenschaften von Reinbenzol sind durch die DIN-Norm 51633 festgelegt.

Mit unpolaren, organischen Lösungsmitteln wie Ether ist Benzol in jedem Verhältnis unbegrenzt mischbar, mit Wasser jedoch nur schlecht (maximal 1,7 Gramm Benzol pro Liter).

Eine Besonderheit ist, dass Benzol sechs gleich lange Bindungen von 139 pm besitzt. Dieser Wert liegt zwischen dem für eine Einfachbindung und eine Doppelbindung und ist ein Kennzeichen für den aromatischen Charakter von Benzol.

Der thermische Koeffizient γ flüssigen Benzols beträgt bei 20 °C 0,001187 K−1.

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei −11 °C.[14] Benzol bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Der Explosionsbereich liegt zwischen 1,2 Volumenprozent (39 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 8,6 Volumenprozent (280 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[14] Die Grenzspaltweite wurde mit 0,99 mm bestimmt.[14] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsklasse IIA.[1] Die Mindestzündenergie liegt bei 0,2 mJ.[14] Damit können auch energetisch schwächere Zündquellen wie Büschelentladungen und Schleif- bzw. Schlagfunken eine Entzündung von Dampf-Luft-Gemischen innerhalb der Explosionsgrenzen bewirken. Die Zündtemperatur beträgt 555 °C.[14] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1.

Chemische Eigenschaften

Benzol verbrennt mit gelber Flamme zu Wasser und Kohlendioxid, wobei die starke Rußentwicklung auf den hohen Kohlenstoffanteil der Verbindung hinweist. Der Heizwert des Benzols beträgt 40.580 kJ/kg, die Verbrennungsenthalpie 3257,6 kJ/mol bei flüssigem Benzol und 3301 kJ/mol bei gasförmigem. Benzol hat einen charakteristischen Geruch. Die Geruchsschwelle ist sehr niedrig und liegt bei 1,5 bis 900 Milligramm pro Kubikmeter Luft.

Ein wichtiges (Erkennungs-)Merkmal ist das Ausbleiben einer Additionsreaktion mit Bromwasserstoffsäure oder Bromwasser. Die steigende Reaktivität in der Reihe vom Aufbau her ähnlicher Verbindungen Cyclohexen, Cyclohexadien gegenüber der Addition von Bromwasserstoff würde eine noch größere Reaktivität von Benzol („Cyclohexatrien“) vermuten lassen, weil bei den ersten drei Verbindungen eine Zunahme der Reaktivität – bedingt durch eine höhere Anzahl der Kohlenstoffdoppelbindungen – festzustellen ist. Aufgrund seiner besonderen aromatischen Stabilität, die durch die Delokalisation der Elektronen entsteht, addiert Benzol Bromwasserstoffsäure nicht.

Spektroskopische Eigenschaften

Im 1H-NMR-Spektrum zeigen die Wasserstoffatome eine ungewöhnlich starke Entschirmung (Singulett bei 7,28 ppm in CDCl3 für alle sechs Wasserstoffatome), die durch den vom Magnetfeld des Spektrometers induzierten Ringstrom verursacht wird.

Im 13C-NMR-Spektrum zeigt Benzol in CDCl3 ein Signal bei 128,5 ppm für alle sechs Kohlenstoffatome.

Im IR-Spektrum erscheint die Phenyl-Wasserstoffschwingung bei etwa 3.035 cm−1. Die C–C-Valenzschwingung erscheint bei 1.500 bis 2.000 cm−1. Bei 650 bis 1.000 cm−1 befinden sich die C–H-Deformationsschwingungen.

UV-spektroskopisch lässt sich Benzol noch in hoher Verdünnung an zwei typischen Absorptionen (π-π* Übergänge) im Bereich von 200 bis ca. 250 nm nachweisen.

Gesundheitsgefahren und Vorsichtsmaßnahmen

Benzolflasche

Benzoldämpfe sind beim Einatmen giftig; die Symptome akuter Vergiftungen treten erst bei relativ hohen Konzentrationen ein. Leichte Vergiftungen äußern sich in Schwindelgefühl, Brechreiz, Benommenheit und Apathie. Bei einer schweren Vergiftung kommt es zu Fieber und Sehstörungen bis hin zu vorübergehender Erblindung und Bewusstlosigkeit. Bei der so genannten Benzolsucht, die beim Einatmen von Benzol eintreten kann, kommt es zu Trunkenheits- und Euphoriegefühlen. Benzol kann bei längerer Einwirkung auf den Organismus zum Tod führen.

Die Giftwirkung ebenso wie die karzinogene Wirkung ist auf die Bildung eines karzinogenen Metaboliten zurückzuführen. Im Körper wird Benzol am Ring oxidiert. Das entstehende hochreaktive Epoxid reagiert mit zahlreichen biologischen Verbindungen und kann auch das Erbgut schädigen. Eine längerfristige Aufnahme kleinerer Benzolmengen führt vor allem zu Schädigungen der inneren Organe und des Knochenmarks. Letzteres resultiert in einer Abnahme der Zahl der roten Blutkörperchen (Anämie), was sich in Herzklopfen, Augenflimmern, Müdigkeit, Schwindel, Blässe und Kopfschmerzen äußert. Benzol wird im Gehirn, Knochenmark und Fettgewebe gespeichert. Es wird nur langsam über die Niere ausgeschieden. Der Abbau erfolgt über verschiedene Umbauprodukte wie das Brenzcatechin, Phenol, Hydrochinon und Benzochinon. Das Hauptausscheidungsprodukt ist schließlich die Phenylmercaptursäure (N-Acetyl-S-phenyl-cystein).

Bei zwei Prozent Luftvolumenanteil Benzol in der Atemluft kommt es nach fünf bis zehn Minuten zum Tod. Die akute letale Dosis (oral) beträgt beim Menschen 50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Zwischen einem Luftvolumenanteil von 1,4 bis 8 Prozent bildet Benzol explosive Gemische.

Benzol ist aufgrund dieser Gefahren mit besonderer Vorsicht zu handhaben. Benzol muss bei 15 °C bis 25 °C gelagert werden. Der TRK-Wert lag bei 1 Milliliter pro Kubikmeter Luft (bzw. 3,25 mg/m³ Luft). Jede Exposition gegenüber Benzol sollte möglichst vermieden oder verringert werden; vor dem Gebrauch von Benzol sind besondere Anweisungen einzuholen. Bei Unfall oder Unwohlsein sollte sofort ein Arzt hinzugezogen werden. Orte, an denen Benzol austritt oder austreten könnte, sollten sofort verlassen und nur in Vollschutzanzügen wieder betreten werden. Benzol ist stark wassergefährdend.

Vorkommen und Benzolemissionen

Größere Mengen an Benzol kommen in Steinkohlenteer und Erdöl vor. Beim Rauchen von Zigaretten werden kleine Mengen Benzoldampf (10–100 µg pro Zigarette) freigesetzt, auch bei Vulkanausbrüchen und Waldbränden sowie bei unvollständiger Verbrennung von organischem Material entstehen Spuren von Benzol. In der Atmosphäre wird nach zwei bis fünf Tagen die Hälfte des vorhandenen Benzols abgebaut, da dieses mit Hydroxyl-Radikalen (freie OH-Gruppen) reagiert. Hauptsächlich wird Benzol durch Abgase von Benzinmotoren freigesetzt. 75 Prozent der Emissionen gehen auf Kraftfahrzeuge zurück. Der Benzolanteil des Motorenbenzins ist ab dem Jahr 2000 europaweit nach DIN EN 228 auf maximal ein Volumenprozent begrenzt worden; der Durchschnitt im Jahre 2003 betrug ~0,7 Volumenprozent. Der aktuelle Grenzwert liegt derzeit (2010) in den USA bei fünf Volumenprozent[7][15]. Ab 2013 soll der US-Durchschnitt des Benzolanteils im Benzin zwar auf 0,62 Prozent[16] reduziert werden, eine Begrenzung des Maximalanteils unter fünf Prozent ist aber immer noch nicht vorgesehen.[17]

Die durchschnittliche Belastung der Bevölkerung beträgt im Mittel zirka 2 µg/m3 Luft, dieser Wert kann je nach Umgebung jedoch wesentlich höher sein (zum Beispiel an Tankstellen, in schlecht belüfteten Garagen etc.). Um 1980 gab es einen starken Rückgang der Benzolemissionen, der sich in den 1990er Jahren fortsetzte. So reduzierte sich die Benzolbelastung zwischen 1997 bis 2005 sowohl an den städtischen, verkehrsnahen Messstationen als auch an den städtischen Hintergrundstationen erheblich, so dass schon im Jahr 2005 die erst seit dem Jahr 2010 geltenden Grenzwerte von 5 µg/m³ unterschritten wurden.[18]

Herstellung

Benzol kann durch Steamcracken oder katalytisches Reforming von Naphtha gewonnen werden. Hierbei wird meist Hexan zu Cyclohexan und dann zu Benzol dehydriert. Ein weiteres Verfahren zur Benzolherstellung ist die thermische Entalkylierung. Hierbei wird bei 780 °C und einem Druck von 40 bar die Methylgruppe des eingesetzten Toluols abgespalten. Trägergas im Reaktor ist hierbei 90-prozentiger Wasserstoff. Nach Abkühlung und der Gas-Flüssigkeits-Trennung sowie Reinigung wird so Reinstbenzol gewonnen. Auch aus Ethinmolekülen lässt sich in Anwesenheit eines Katalysators Benzol herstellen, was nach dem deutschen Chemiker Walter Reppe als Reppe-Chemie bezeichnet wird.[19]

Von ungefähr 1930 bis 1960 entstand das meiste Benzol als Nebenprodukt bei der Erzeugung von Leuchtgas auf Basis von Steinkohle. Für die Suche nach Verwertungsmöglichkeiten wurde schon 1918 der Benzol-Verband gegründet. Es erwies es sich als geeigneter Benzinzusatz, um dessen Klopffestigkeit zu erhöhen; so entstand das „Super“-Benzin aus aromatischen und aliphatischen Bestandteilen und führte zum Unternehmensnamen B. V. ARAL. Seit 1950 wird es auch aus Erdöl gecrackt. 1992 wurden in Westeuropa rund 90 Prozent des Benzols aus Erdöl gewonnen, (65 Prozent aus Pyrolysebenzin, 17 Prozent aus Reformatbenzin, neun Prozent durch Entalkylierung) und zehn Prozent aus Kohle und Kohlenteer. Jährlich werden weltweit etwa 35 Millionen Tonnen Benzol hergestellt.

Derzeit legen Produktion und Verbrauch von Benzol im Mittleren Osten am stärksten zu. Man rechnet dort bis zum Jahr 2018 mit einem Anwachsen des Anteils am Weltmarkt von 3,7 und 3,3 Prozentpunkten bei Angebot bzw. Nachfrage. Die Region Asien-Pazifik wird jedoch auch in Zukunft den Markt dominieren und fast die Hälfte der globalen Nachfrage generieren. China wird zum weltweit größten Benzol-Verbraucher aufsteigen und voraussichtlich im Jahr 2014 die USA auf Rang Zwei verweisen.[5]

Reaktionen

Vollständige Oxidation (Verbrennung) des Benzols:

$ 2\ \mathrm {C} _{6}\mathrm {H} _{6}+15\ \mathrm {O} _{2}\ \rightarrow \ 12\ \mathrm {CO} _{2}+6\ \mathrm {H} _{2}\mathrm {O} $
Mit Sauerstoff reagiert Benzol zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.

Beispiel für eine Elektrophile aromatische Substitutionsreaktion (Nitrierung):

$ \mathrm {C} _{6}\mathrm {H} _{6}+\mathrm {HNO} _{3}\ \rightarrow \ \mathrm {C} _{6}\mathrm {H} _{5}\mathrm {NO} _{2}+\mathrm {H} _{2}\mathrm {O} $
Mit Salpetersäure reagiert Benzol (in Gegenwart des Katalysators Schwefelsäure) zu Wasser und Nitrobenzol.

Beispiel für eine Radikalische Additionsreaktion (Chlorierung):

$ \mathrm {C} _{6}\mathrm {H} _{6}+3\ \mathrm {Cl} _{2}\ \rightarrow \ \mathrm {C} _{6}\mathrm {H} _{6}\mathrm {Cl} _{6} $
Mit Chlor reagiert Benzol zu Lindan.

Friedel-Crafts-Acylierung:

Beispiel für die Friedel-Crafts-Acylierung von Benzol mit einem Carbonsäurechlorid

Radikalische Substitutionen am Benzol finden im Vergleich zu Alkenen aufgrund der Stabilisierung durch die Aromatizität nicht statt. Ausnahme bildet hierbei die so genannte Sandmeyer-Reaktion, bei der aus Diazoniumsalzen in einer durch Kupfer katalysierten homolytischen Abspaltung von molekularem Stickstoff ein Phenyl-Radikal entsteht. Dieses ist aber hochreaktiv und reagiert sofort weiter.

Etliche Valenzisomere des Benzols und ihre Derivate, wie Bicyclo[2.2.0]hexa-2,5-dien („Dewar-Benzol“), Prisman („Ladenburg-Benzol“) oder Benzvalen sind hergestellt worden. Die Valenzisomeren lassen sich thermisch oder photochemisch ineinander umwandeln:[20]

Valenzisomere von Benzol

Benzol als Ligand

Strukturformel von Bis(benzol)chrom

Bis heute wurden in der metallorganischen Chemie viele Komplexe synthetisiert, die Benzol als Ligand enthalten. Die bekannteste Verbindung ist wohl das erstmals 1955 von Ernst Otto Fischer und Walter Hafner dargestellte Bis(benzol)chrom, ein sogenannter Sandwichkomplex.

Benzolderivate und wichtige Substituenten

Viele wichtige Chemikalien sind Benzolderivate, haben also einen Benzolring als Grundgerüst. Dazu gehören beispielsweise:

Alkylsubstituenten:

  • Methylsubstituierte Benzole: Toluol, Xylol, Mesitylen (Lösungsmittel)
  • C2-Benzole Ethylbenzol
  • C3-Benzole Cumol
  • C4-Benzole

andere funktionelle Gruppen:

  • Hydroxygruppe (–OH) Phenole: Phenol (Antiseptikum)
  • Aminogruppe (–NH2): Anilin (zur Farbstoffproduktion)
  • Alkoxygruppe (–OCnH2n+1): Anisol (in Parfüm)
  • Alkene (–CnH2n−1): Styrol (wichtiges Monomer zur Herstellung von Kunststoffen und Kunstharzen)
  • Halogene: Chlorsubstituierte Benzole, Fluorsubstituierte Benzole
  • Säuregruppe (-COOH): Benzoesäure, Benzoldicarbonsäuren

Häufig sind auch mehrere dieser Substituenten in Kombination vorhanden zum Beispiel in disubstituierten Benzolen

Produkte aus Benzol:

Weitere aromatische Ringe führen zu polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs) wie:

  • Naphthalin
  • Anthracen
  • Phenanthren
  • Pyren
  • Benzpyren

Anwendungen

Motoren-Benzol
Kurzbeschreibung Super-Ottokraftstoff der 1910er und 1920er Jahre für Motoren mit hoher Kompression oder für hohe Leistungsanforderungen (PKW und Jagdflugzeuge)
Herkunft

fossil

Charakteristische Bestandteile

Benzol

CAS-Nummer

71-43-2

Eigenschaften
Aggregatzustand flüssig
Dichte

0,88 kg/L [1]

Heizwert

9,76 kWh/L = 11,1 kWh/kg

Brennwert

36,8 MJ/L = 41,8 MJ/kg

Oktanzahl

99 ROZ

Schmelzbereich 5,5 °C [1]
Siedebereich

80,1 °C [1]

Flammpunkt

−11 °C [1]

Zündtemperatur 555 °C [1]
Explosionsgrenze 1,2–8,6 Volumenprozent[1]
Temperaturklasse T1 [1]
Explosionsklasse IIA [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Heute sind aufgrund der schwerwiegenden Gefahren Stoffe mit einer Benzol-Konzentration von über 0,1 Prozent in Deutschland verboten. Eine Ausnahme bilden hier Treibstoffe: Benzol erhöht die Klopffestigkeit von Benzin, weshalb es in der Entwicklung der Ottokraftstoffe eine wichtige Rolle einnahm, heute als Benzinbegleitstoff jedoch nur noch in einer Konzentration von einem Prozent zulässig ist. In größeren Mengen darf es nur in geschlossenen Systemen und zu industriellen oder Forschungszwecken verwendet werden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts diente es als Treibstoff für die sogenannten Benzol-Loks wie auch pur (selten) oder im Gemisch mit Benzin (Bibo) zum Antrieb von Autos und Jagdflugzeugen des Ersten Weltkriegs.

Benzol wird in der chemischen Industrie für die Synthese vieler Verbindungen gebraucht, vorwiegend Ethylbenzol (52 Prozent), Cumol (20 Prozent), Cyclohexan (13 Prozent) und Nitrobenzol (neun Prozent)[21], aber auch Anilin, Styrol, Nylon, Synthesekautschuk, Kunststoffe, waschaktive Stoffe, Insektizide, Farbstoffe und viele weitere Stoffe. Des Weiteren werden durch Substitution viele Aromaten wie zum Beispiel Phenol, Nitrobenzol, Anilin, Chlorbenzol, Hydrochinon und Pikrinsäure gewonnen.

Früher wurde Benzol als gutes Lösungs- und Reinigungsmittel in vielen Bereichen verwendet. Als Lösungsmittel für Kautschuklacke, Wachse, Harze und Öle wird Benzol zunehmend durch weniger giftige Stoffe wie das nichtkarzinogene Toluol verdrängt. Als gutes Lösungsmittel kommt es als „Universalreiniger“ in Laboratorien trotz Warnhinweisen immer noch zum Einsatz, ist aber in dieser Rolle weitgehend von Aceton ersetzt worden. Im normalen Haushalt wird es dagegen aufgrund seiner Toxizität und krebserregenden Wirkung nicht benutzt. Benzol gehört neben Toluol und Xylol zu den so genannten BTX-Aromaten, für die strenge Grenzwerte bei industrieller Anwendung gelten.

Siehe auch

  • Phenylgruppe

Einzelnachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 1,16 Eintrag zu Benzol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. Heinz G. O. Becker, Werner Berger und Günter Domschke: Organikum. 22. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 978-3-527-31148-4, S. 732.
  3. 3,0 3,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens ESIS wurde kein Text angegeben.
  4. Eintrag zu Benzol in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  5. 5,0 5,1 Marktstudie Benzol von Ceresana Research vom Juli 2011.
  6. Thomas Hillenbrand, Frank Marscheider-Weidemann, Manuel Strauch, Kerstin Heitmann, Dora Schaffrin: Emissionsminderung für prioritäre und prioritäre gefährliche Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie. Stoffdatenblätter 29-07 des Umweltbundesamts, Abschnitt 16.3, ISSN 1862-4804.
  7. 7,0 7,1 James W. Weaver, Linda R. Exum, Lourdes M. Prieto: Gasoline Composition Regulations Affecting LUST Sites. Veröffentlichung der EPA, Januar 2010, S. 18.
  8. Ann. d. Ch., 9, 43 (1843).
  9. Stephan Kekule von Stradonitz: Zwei chemische Visionen. In: Zeitschrift für Angewandte Chemie. 1927, 40, 25, S. 736–737, doi:10.1002/ange.19270402505.
  10. Alan R. Katritzky: Advances in heterocyclic chemistry. Band 17, 1974, S. 7.
  11. Eric D. Glendening, Rudiger Faust, Andrew Streitwieser, K. Peter C. Vollhardt, Frank Weinhold: The role of delocalization in benzene. In: Journal of the American Chemical Society. 1993, 115, 23, S. 10952–10957, doi:10.1021/ja00076a061.
  12. E. Cox: Crystal Structure of Benzene. In: Reviews of Modern Physics. 1958, 30, 1, S. 159–162, doi:10.1103/RevModPhys.30.159.
  13. Philippe C. Hiberty, David Danovich, Avital Shurki, Sason Shaik: Why Does Benzene Possess a D6h Symmetry? A Quasiclassical State Approach for Probing π-Bonding and Delocalization Energies. In: Journal of the American Chemical Society. 1995, 117, 29, S. 7760–7768, doi:10.1021/ja00134a022.
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 14,4 E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenndaten – Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  15. Sicherheitsdatenblatt firstfuelbank Stand: Februar 2003
  16. EPA: Summary and Analysis of the 2009 Gasoline Benzene Pre-Compliance Reports. November 2009.
  17. Felicity Barringer: E.P.A. Limits the Benzene in Gasoline by 2011. Artikel in der New York Times vom 10. Februar 2007.
  18. Umweltbundesamt: Benzolbelastung der Luft in Ballungsgebieten Stand: November 2011.
  19. Walter Reppe, Walter Joachim Schweckendiek: Cyclisierende Polymerisation von Acetylen. III Benzol, Benzolderivate und hydroaromatische Verbindungen. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie. 1948, 560, 1, S. 104–116, doi:10.1002/jlac.19485600104.
  20. Siegfried Hauptmann: Organische Chemie, 2. Auflage, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1985, S. 266–267, ISBN 3-342-00280-8.
  21. Thomas Hillenbrand, Frank Marscheider-Weidemann, Manuel Strauch, Kerstin Heitmann, Dora Schaffrin: Emissionsminderung für prioritäre und prioritäre gefährliche Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie. Stoffdatenblätter 29-07 des Umweltbundesamts, Abschnitt 18.2, ISSN 1862-4804.

Literatur

  • E. Heilbronner, J. Jacques: Paul Havrez und seine Benzolformel, in: Chemie in unserer Zeit, 1998, 32, S. 256–264; doi:10.1002/ciuz.19980320505.
  • Elke Schimming: Die Belastung des Menschen durch Benzol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe unter besonderer Berücksichtigung des Beitrages der Innenraumluft, Cuvillier Verlag, Göttingen 1998, ISBN 3-89712-195-6.
  • C. J. Estler: Pharmakologie und Toxikologie, Schattauer Verlag, Stuttgart 1992/2005, ISBN 3-7945-2295-8.

Weblinks

Commons: Benzol – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Benzol – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen