Harz (Material)
Harze sind, je nach Temperatur und Alter, mehr oder weniger flüssige Produkte, die sich aus verschiedenen chemischen Substanzen zusammensetzen und zum Beispiel zur Herstellung von Lacken, Seifen, Arzneistoffen und Terpentin dienen. In natürlicher Form werden Harze als Naturharz von Tieren und Pflanzen, insbesondere Bäumen abgesondert und dienen in erster Linie zum Verschließen von Wunden an der Pflanze. Im süddeutschen Raum und in Österreich wird Naturharz auch als (Baum)pech bezeichnet. Im industriellen Bereich werden heute mengenmäßig vorwiegend Kunstharze verwendet, Naturharze sind von Bedeutung für Naturfarben und Spezialanwendungen.
Definition
Die Begriffsbestimmung ist unscharf. Die DIN-Norm beschreibt „Harz“ als Sammelbegriff für feste bis flüssige organische Stoffe. In der Regel wird der Begriff verstanden für gelbliche bis bräunliche, klare bis trübe, klebrige und nichtkristalline Materialien, die in den gängigen organischen Lösungsmitteln löslich sind, jedoch unlöslich in Wasser. Daneben wird der Begriff auch benutzt für synthetische Materialien, die als Ersatz für natürliche Harze verwendet werden. In der Kunststoffindustrie bezeichnet „Harz“ generell Polymere als Grundstoff für Kunststoffe.[1]
Verwendung
Entsprechend der Vielzahl unterschiedlicher Harztypen existiert ein ebenso breites Anwendungsspektrum. Typisch sind Anwendungen, welche die festigkeitsgebenden, adhäsiven Eigenschaften nutzen, wie für Leime und Klebstoffe. Weiter typisch ist der Einsatz zur Oberflächenveredlung und Oberflächenversiegelung, aber auch zur Formherstellung.
Harze werden unter anderem in folgenden Anwendungsbereichen verwendet:
- als Ionenaustauscher
- als Bestandteil von Vergussmassen/Gießharzen
- zur Herstellung von Klebstoffen
- zur Herstellung von Schaumstoffen
- als Imprägnierharze (zum Beispiel für Elektromotoren)
- zur Herstellung von Faser-Kunststoff-Verbunden (Glasfaserverstärkter Kunststoff GfK, Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff CFK,..)
- zur Herstellung von Holzfaserwerkstoffen
- zum Umpressen von integrierten Schaltkreisen durch härtbare Formmassen
- in Lacken und Beschichtungen; siehe auch Acrylharz
- als Bestandteil von Polymerbeton
- zur Konsumierung, zum Beispiel Haschisch, das Harz von der Hanfpflanze
- zur Gebäude- und Fußbodenanhebung durch Injektion in den Baugrund, z. B. nach Setzungen
- zur Sicherung geologischer Strukturen durch Lackabzüge
- zur Herstellung von Zahnprothesen
- zur Herstellung von Injektionspräparaten
- zur Verbesserung der Ballhandhabung z.B. bei Handball
- als Lampen- oder Kerzenbrennstoff[2]
Naturharz
Natürliches Harz oder Naturharz ist eine Sammelbezeichnung für eine von Pflanzen oder Tieren abgesonderte zähe, nicht wasserlösliche Flüssigkeit. Pflanzen, vor allem Bäume, produzieren diese Ausscheidungen (Exsudate) unter anderem nach Verletzungen, um mit der meist klebrigen Masse die Wunde zu verschließen. Als einziger tierischer Lieferant gilt die in Süd- und Südostasien beheimatete Lackschildlaus (Kerria laccifera), welche den Schellack liefert. Historisch wurden diese Materialien vielseitig verwendet, unter anderem in der Kunst, Medizin und im Schiffbau. Heute werden Naturharze, vor allem in der Industrie, weitestgehend durch Kunstharze ersetzt, die zu den Kunststoffen zählen.
Zusammensetzung, Eigenschaften und Abgrenzung
Naturharze sind eine Mischung verschiedener chemischer Substanzen. Die mengenmäßig vorherrschenden Verbindungen sind Harzsäuren, die zu den Carbonsäuren zählen. Frische Harze bestehen weiterhin zu einem nicht unwesentlichen Teil aus flüchtigen und aromatischen Verbindungen. Verdunsten diese, wird das verbleibende Material zäher und härter. Daneben führen Polymerisations-, Vernetzungs- und Oxidationsreaktionen zum Erstarren der Ausscheidung.
Das in den meisten Nutzungen vorherrschende Harz von Nadelbäumen ist eine zähe, klebrige und stark riechende Flüssigkeit. Es ist in Öl leicht und in Alkohol gut, in Benzin teilweise löslich, Edelterpentine auch in Salmiakgeist.
Man unterscheidet rezente, rezentfossile bzw. halbfossile und fossile Harze. Während rezente Harze von noch heute lebenden Bäumen entstammen (Terpentin, Balsame, Gummilack, Kolophonium, Sandarak und Mastix), sind rezentfossile Harze aus früheren Vertretern von Baumarten entstanden, die teilweise aber auch heute noch existieren. Diese bezeichnet man auch als Kopale. Bernstein ist das einzige rein fossile Harz. Man nimmt an, dass es von einer prähistorischen Koniferenart stammt. Fossile Harze sind in Alkohol schlecht löslich.
Pflanzliche Ausscheidungen ohne Harzfraktion setzen sich meist aus Polysacchariden zusammen und sind wasserlöslich. Sie zählen nicht zu den Naturharzen. Mischformen aus wasserlöslichen und harzhaltigen Komponenten stellen die Gummiharze dar.
Bildung und Gewinnung
Baumharze sind sekundäre Stoffwechselprodukte der Pflanzen, die über Harzkanäle an die Pflanzenoberfläche geleitet werden (zur Biosynthese siehe hier). Im normalen Lebenszyklus bilden harzerzeugende Bäume „physiologisches Harz“. Nach Verletzungen steigt die gebildete Menge, das „pathologische Harz“ dient dem Wundverschluss.
Die systematische Gewinnung von Baumharz geschieht durch das Harzen. Dabei werden künstliche Verletzungen durch Anritzen der Rinde herbeigeführt und das austretende Harz in einem Behälter gesammelt. Verwendete Bäume sind unter anderem Kiefer, Lärche und der Sandarakbaum. Fossile Baumharze wie Bernstein werden durch Absuchen vorkommenreicher Flächen (z. B. Strände), durch Prospektion oder Bergbau gewonnen.
Verarbeitung und Verwendung
Das wohl bekannteste natürliche Harzprodukt ist Kolophonium, das vorwiegend aus dem Harz von Kiefern und Fichten gewonnen wird und in vielen Produkten Verwendung findet, z.B. als Klebstoff für Heftpflaster, in Kaugummi und zur Behandlung der Bogenhaare bei Streichinstrumenten. Kolophonium ist der feste Rückstand, der beim Erhitzen von Nadelbaumharz nach Abdestillieren des Terpentinöls anfällt.
Mit Alkali verseiftes oder durch eine Diels-Alder-Reaktion mit Maleinsäureanhydrid modifiziertes Kolophonium wird in der Papierherstellung eingesetzt, um dieses zu hydrophobieren. Durch diesen, Leimung genannten Prozess wird die Beschreibbarkeit und Bedruckbarkeit des Papiers verbessert.
In der europäischen Ölmalerei spielten Harze sowohl von Nadelbäumen (Terpentine, Mastix) als auch die von Laubbäumen (Dammar) eine große Rolle. Sie dienten seit dem 15. Jahrhundert in Kombination mit anderen Substanzen als Bindemittel der Farbpigmente. Die Qualität der Öl-Harz-Farben hatte mehrere Vorteile gegenüber den davor üblichen Malfarben, vor allem ermöglichte sie aufgrund besserer Mischbarkeit einen größeren Nuancenreichtum durch weichere Farbübergänge. Die Temperamalerei, deren Bindemittel Emulsionen sind, und die noch frühere Wachsmalerei wurden somit verdrängt. Außerdem werden Harze schon seit der Antike für die Herstellung von Lacken verwendet.
In Griechenland wird das Harz der Aleppo-Kiefer zum Wein gegeben, was ihm ein besonderes Aroma verleiht. Dieser Wein wird Retsina genannt. Einige tropische Harze wie Elemi und Copal sowie vor allem Myrrhe und Weihrauch werden bis heute als Räucherwerk verwendet.
Als Resine werden Extraktstoffe aus dehydrierten Naturharzen bezeichnet. Sie werden als Zwischenprodukte in der chemischen Industrie eingesetzt, zum Beispiel als Synthesekautschuk, für Schiffsfarben oder zur Pigmentherstellung. Seifen aus Resinen, ebenfalls zur industriellen Verwendung, heißen Dresinate. Resorcin, ein Destillat aus Naturharzen, wird als Haftvermittler im Reifenbau verwendet, daneben auch zur Herstellung von Farbstoffen, Kunststoffen, Klebstoffen und Flammschutzmittel sowie in Pharmazeutika.
Markt
Der jährliche Bedarf der chemischen Industrie in Deutschland an Naturharzen wird auf 31.000 t geschätzt (einschließlich Naturwachse). Jährlich werden 5.000 bis 16.000 t dehydrierte Naturharze nach Deutschland importiert.[3] Die mengenmäßig vorherrschende Verwendung von Naturharzen ist die Herstellung von Farben, Lacken und Klebstoffen.
Kunstharz
Nach DIN 55958 (Dezember 1988) werden Kunstharze (auch Reaktionsharz genannt) durch Polymerisations-, Polyadditions- oder Polykondensationsreaktionen synthetisch hergestellt. Sie können durch Naturstoffe, zum Beispiel pflanzliche oder tierische Öle beziehungsweise natürliche Harze, modifiziert sein oder durch Veresterung oder Verseifung natürlicher Harze hergestellt sein.
Kunstharze bestehen in der Regel aus zwei Hauptkomponenten. Die Vermischung beider Teile (Harz und Härter) ergibt die reaktionsfähige Harzmasse. Bei der Härtung steigt die Viskosität an und nach abgeschlossener Härtung erhält man einen unschmelzbaren (duroplastischen) Kunststoff.
Die Verarbeitung von Kunstharz (kurz Harz) erfolgt häufig im Gussverfahren. Hierbei wird das Gießharz in eine wiederverwendbare oder eine verlorene Form gegossen.
Als härtbare Formmassen bezeichnet man meist rieselfähige Massen, die in einem Warmformungsvorgang mit unmittelbar anschließender irreversibler Aushärtung bei erhöhter Temperatur zu Formteilen und Halbzeugen verarbeitet werden. Hierbei sind häufig hohe Drücke zur kompletten Füllung der Form notwendig.
Eigenschaften
Synthetische Harze sind in der Regel flüssige oder feste amorphe Produkte ohne scharfen Siede- oder Schmelzpunkt. Für die technische Anwendung sind die Harze oft in Form einer Emulsion oder Suspension erhältlich bzw. werden auch in dieser Form hergestellt.
Viele dieser Harze sind prinzipiell auch als echte Lösungen einsetzbar, da es jedoch bei den dafür meist notwendigen Lösungsmitteln um flüchtige organische Verbindungen handelt, wird dieser Anteil immer geringer.
Geschichte
- 1902: Entwicklung des ersten technisch brauchbaren Kunstharzes (Carl Heinrich Meyer): Phenol- Formaldehydharz („Laccaïn“), Ersatz für Schellack
- 1907: „Hitze und Druckpatent“ von Leo Hendrik Baekeland → Aushärtung von Phenolharzen: erste duroplastische Kunststoffe (Bakelit)
- 1910: Patent für Dr. Kurt Albert und Dr. Ludwig Berend für das erste öllösliche Lackkunstharz aus Phenolen und Formaldehyd („Albertole“), vgl. auch Autolack
- bis heute: Entstehung vieler Typen von Kunstharzen und Modifizierung der Eigenschaften
Reaktionsharze
Wichtig für Industrie (Rohprodukte für die Kunststofferstellung): flüssige oder verflüssigbare Harze, die für sich allein oder mit Reaktionsmitteln (z.B. Härter oder Beschleuniger) ohne Abspaltung flüchtiger Komponenten durch Polymerisation oder Polyaddition aushärten (Duroplast). Ein Beispiel hierfür sind Photoinitiiert härtende Acrylate, wobei die radikalische Polymerisation durch UV- oder sichtbares Licht erfolgt.
Chemische Unterteilungen
- Phenol-Formaldehydharz (PF- Harze, Bakelit)
- Verwendung: Gehäuse von elektrischen Geräten (zwischen beiden Weltkriegen); guter Isolator für elektrischen Strom; heute immer noch vielseitige Verwendung (Ionenaustauscher)
- Herstellung: Polykondensation von Formaldehyd und Phenol:
- Aminoplast: Harnstoff-Formaldehyd (UF-Harz), Melamin- Formaldehyd- Harze (MF-Harze)
- Herstellung: Polykondensation von Formaldehyd mit Harnstoff (unter Zugabe von Salzsäure) oder Melamin:
- Epoxidharz:
- härtbares Kunstharz (mit Zusatz von Härter von zähflüssig zu hart)
- Verwendung als Gießharz; Verbundwerkstoff; Klebstoff
- wichtigste Herstellung: Polyaddition und -kondensation aus mehrwertigen Phenolen und Epichlorhydrin (mit Alkalilauge)
- Polyester-Harze (UP-Harze)
- Herstellung auf Basis von ungesättigten Polyestern (mit weiteren Kunststoffkomponenten, wie Styrol)
- Verwendung: Lacke, Gießharze; Verstärkung der Festigkeit durch Glasfaserzusätze, Schlauchliningverfahren (Kanalsanierung)
- ABS-Harze
- Mischung von Harz und Elastomer
- Grundmonomere: Acrylnitril, 1,3-Butadien, Styrol
- Wichtige Eigenschaften: Festigkeit, Schlagfestigkeit und Oberflächenhärte
Beispiele
- Harnstoffharz
- Alkydharze
- Epoxidharz
- Melaminharz
- Phenolharz
- Polyesterharz bzw. Ungesättigtes Polyesterharz (UP)
- Polyurethanharz
- Polyamidharz
- Vinylesterharz
Quellen
- Karl Hasel, Ekkehard Schwartz: Forstgeschichte. Ein Grundriss für Studium und Praxis. 2., aktualisierte Auflage. Kessel/Remagen 2002, ISBN 3-935638-26-4.
- Egon von Vietinghoff: Handbuch zur Technik der Malerei. DuMont Verlag, Köln 1983 (1991).
- CD Römpp Chemie Lexikon – Version 1.0. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 1995.
- Hans Dominighaus: Kunststoffe. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1974.
- Jean H. Langenheim: Plant Resins - Chemistry, Evolution, Ecology, and Ethnobotany. Timber Press, Portland (USA)/Cambridge (UK) 2003, ISBN 0-88192-574-8.
- Ernst Schwenk: 80 Jahre Kunstharze - Fast vergessene Erfinder. Hoechst Aktiengesellschaft, Frankfurt am Main 1982.
- Klemens Fiebach: Resins, Natural. S. 1-2. In: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-VCH, Weinheim 2005. doi:10.1002/14356007.a23_073.
Einzelnachweise
- ↑ Gerd Collin, Rolf Mildenberg und Mechthild Zander: Resins, Synthetic. S. 1-2 ,in: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 2005, Wiley-VCH, Weinheim. doi:10.1002/14356007.a23_089.
- ↑ Hubertus R. Drobner: SOUBIROUS, Bernadette. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10. Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 839–843.
- ↑ Statistisches Bundesamt, 2008: Daten zu Importen und Exporten von Rohstoffen und ausgewählten Produkten. Datenstand Sept. 2008.
Weblinks
- Thomas Seilnacht, Lexikon der Polymere und Kunststoffe
- Kern GmbH - Technische Kunststoffteile, Phenolharz (PF) (12-03-06)
- Didaktik der Chemie FU Berlin, Kunststoffe zum Kennenlernen: Epoxidharze (13-03-06)