Lindan


Strukturformel
Strukturformel von Lindan
Allgemeines
Name Lindan
Andere Namen
  • γ-Hexachlorcyclohexan
  • Gammahexan
  • Gammexan
Summenformel C6H6Cl6
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 58-89-9
PubChem 727
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

P03AB02

Eigenschaften
Molare Masse 290,83 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,85 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

112,9 °C[1]

Siedepunkt

323 °C (Zersetzung)[1]

Dampfdruck

5,1 Pa (20 °C)[1]

Löslichkeit
  • praktisch unlöslich in Wasser (8,2 mg·l−1 bei 25 °C)[2]
  • gut in Petrolether, löslich in Aceton und aromatischen Chlorkohlenwasserstoffen[2]
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​332​‐​312​‐​373​‐​362​‐​410
P: 263​‐​273​‐​280​‐​301+310​‐​501 [4]
MAK

0,1 mg·m−3[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Lindan beziehungsweise γ-Hexachlorcyclohexan ist ein Halogenkohlenwasserstoff, der vor allem als Insektizid genutzt wird.

Historische Informationen

Lindan wurde erstmals 1825 durch Michael Faraday hergestellt. Benannt ist es nach dem niederländischen Chemiker Teunis van der Linden (1884–1965), der 1912 das γ-Hexachlorcyclohexan erstmals isoliert und beschrieben hatte. Die insektizide Wirkung von Hexachlorcyclohexan wurde 1935 entdeckt, anscheinend parallel bei der britischen Imperial Chemical Industries und durch den französischen Chemiker André Dupire, teilweise wird auch Marc Raucourt vom Agrarforschungszentrum in Versailles als Mitentdecker angegeben.[6] Seit 1942 wird Lindan als Insektizid eingesetzt. In der Schweiz verwendete man von 1946 an ein Hexachlorcyclohexan (HCH)-Isomerengemisch. Bald stellte sich heraus, dass Rüben, Kartoffeln und Kohl durch die Anwendung von HCH einen modrigen Geschmack bekamen, der sie ungenießbar machte. Da die Geschmacksbeeinträchtigung nicht vom γ-HCH, sondern von anderen HCH-Isomeren ausging, wurden Verfahren entwickelt, um reines Lindan zu isolieren. 1950 konnte in der Schweiz die Herstellung von Lindan aufgenommen werden. Die damals zuständigen eidgenössischen Versuchsanstalten zogen 1952 die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel auf HCH-Basis zurück.[6] Nach einem Höhepunkt um 1969 ging die Produktion von Lindan weltweit zurück. In Deutschland darf Lindan seit 1980 nur mehr in Form von isomerenreinem Gamma-Hexachlorcyclohexan als Fraß- und Kontaktgift eingesetzt werden. Die früher mit ausgebrachten Alpha- und Beta-Isomere (CAS: 319-84-6, 319-85-7) erwiesen sich als toxischer und noch schwerer abbaubar als die ebenfalls nicht unproblematische Gamma-Struktur. Lindan wird seit 1984 in der BRD, seit 1989 in der DDR nicht mehr hergestellt, wird aber im Ausland noch verwendet.

Synthese

Hexachlorcyclohexan wird durch additive Chlorierung von Benzol hergestellt. Ein Überschuss an Chlor wird in Benzol gelöst und mit energiereichem UV-Licht bestrahlt. Das Reaktionsprodukt ist ein Gemisch verschiedener Isomere, von denen alleine Gamma-Hexachlorcyclohexan insektizide Eigenschaften aufweist. Der Anteil dieses Isomers beträgt nur 15 %. Zur Isolierung wird das Isomeren-Gemisch mit Methanol extrahiert, woraufhin vor allem γ-Hexachlorcyclohexan in Lösung geht. Über mehrere Kristallisationsprozesse wird schließlich eine Reinheit von 99,5 % erreicht. Die unerwünschten Isomere werden seit Beginn der 1970er-Jahre in einem pyrolytischen Verfahren zu Trichlorbenzol umgewandelt.

Reaktionsverhalten

Bei Hitzeeinwirkung zersetzt sich Lindan zu einem giftigen, korrosiven Dampfgemisch aus Chlorwasserstoff und Phosgen. Bei Kontakt mit Metallpulver (Aluminium, Eisen, Zink) zersetzt sich Lindan unter Bildung von Trichlorbenzol.

Verwendung

Lindan wurde früher als Insektizid in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt, beispielsweise zur Bekämpfung von Engerlingen und gegen Schädlinge an Raps und Kohl.[6] Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld waren die Holzschutzmittel, beispielsweise waren Lindan und PCP in den Holzschutzmitteln Xylamon BV und Xyladecor[7] enthalten. Daneben wird es in etwa einprozentiger Verdünnung in der Medizin als äußerliches Medikament gegen Hautparasiten, vornehmlich bei Krätze und Pedikulosen, genutzt. Nach der EU-Verordnung 850/2004 durfte Lindan nur noch bis Ende 2007 in Europa als Insektizid eingesetzt werden.

Gefahrenpotential

Lindan neigt zu starker Adsorption, z. B. an Algen[8], und ist für Wasserorganismen giftig. Da es nur langsam abgebaut wird und relativ stark lipophil ist, reichert es sich stark in der Nahrungskette des Menschen vor allem über Fische an.[9] Lindan darf daher ungebunden unter keinen Umständen in die Umwelt gelangen. Die Substanz steht darüber hinaus im Verdacht, krebserregend zu sein. Zusammen mit anderen Insektiziden auf Basis chlorierter Kohlenwasserstoffe wird Lindan als Mitauslöser der Parkinson-Krankheit diskutiert.[10] In der ehemaligen DDR sind z. B. große Teile der Mulde- und Elbeauen im Raum Bitterfeld/Dessau stark mit Lindan-Rückständen belastet.

Lindan steht ferner im Verdacht, bei Überschreitung der Normalwerte schwere Krankheiten auslösen zu können: Veränderung der inneren Organe, der Blutbildung, Multiple Sklerose, Nervenschädigungen. Betroffen sind nicht nur Landwirte, Handwerker und Chemiearbeiter, sondern auch Hausbewohner, die dem als Holzschutzmittel verwendeten Lindan über die Atemluft ausgesetzt sind. Einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg zufolge stellt Lindan eine nicht zu vernachlässigende Gesundheitsgefahr dar, wenn die Lindan-Konzentration im Blut 0,08–0,10 pg/l übersteige.

Analytischer Nachweis

Der chemisch-analytische Nachweis in Umweltproben, Lebens- und Futtermitteln kann mit chromatographischen Verfahren erfolgen.[11]

Holzschutzmittel-Prozess

Aufgrund der Toxizität, insbesondere beim Einatmen von Holzschutzmitteln (u. a. Xylamon BV, Xyladecor) in Verbindung mit Pentachlorphenol, kam es zu schweren Erkrankungen bei Menschen. Dies wurde im Frankfurter Holzschutzmittelprozess behandelt.[12][13]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Eintrag zu Lindan in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. 2,0 2,1 Jenny Hartmann-Schreier, in: Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  3. 3,0 3,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens ESIS wurde kein Text angegeben.
  4. Datenblatt Lindane bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  5. Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie, Zürich.
  6. 6,0 6,1 6,2 Lukas Straumann: Nützliche Schädlinge. Chronos Verlag, Zürich, 2005, S. 272-277, ISBN 3-0340-0695-0.
  7. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13682260.html
  8. A. Trautmann, B. Streit: Sorption von Lindan (gamma-Hexachlorcyclohexan) an Nitzschia actinastroides (LEMM.) v. GOOR (Diatomeae) unter verschiedenen Wachstumsbedingungen. Arch. Hydrobiol./ Suppl. 55: 349-372 (1979).
  9. Bruno Streit: Uptake, accumulation and release of organic pesticides by benthic invertebrates. 3. Distribution of 14C-atrazine and 14C-lindane in an experimental 3-step food chain microcosm. Arch. Hydrobiol./ Suppl. 55: 374–400 (1979).
  10. Parkinson'sche Erkrankung eines Landwirts durch Pestizide als Berufskrankheit anerkannt.
  11. Eric J. Reiner, Adrienne R. Boden, Tony Chen, Karen A. MacPherson und Alina M. Muscalu: Advances in the Analysis of Persistent Halogenated Organic Compounds, LC·GC Europe 23 (2010) 60−70.
  12. SWR-betrifft: Die Holzschutzmittel-Opfer - Legal vergiftet, dann vergessen.
  13. Coalition against BAYER Dangers.