Lebendes Fossil


Komoren-Quastenflosser (Zeichnung). Die Gruppe der Quastenflosser besteht seit mehr als 400 Millionen Jahren und hat sich im Laufe ihrer Evolution äußerlich nur wenig verändert.

Als lebende Fossilien, auch Dauerformen oder -typen, werden Lebewesen (Arten oder Artengruppen (Taxa)) bezeichnet, die ihren Körperbauplan über erdgeschichtlich lange Zeiträume kaum verändert haben[1]. Die Ursachen für die Herausbildung solcher stammesgeschichtlichen Dauerformen sind eine relative Konstanz ihrer Lebensräume, fehlende Konkurrenz und Fressfeinde und oftmals Isolation[2]. Häufig waren sie einst weit verbreitet, besiedeln heute jedoch nur noch kleine Gebiete (Reliktvorkommen). Teilweise galten sie auch als ausgestorben und wurden wiederentdeckt (Lazarus-Effekt). Lebende Fossilien sind Lebewesen, für die es viele, zum Teil sehr alte fossile Belege gibt, auf deren Basis der Vergleich mit den heute lebenden Formen stattfindet. Der - sprachlich paradoxe[3] - Terminus wurde von Charles Darwin in die Literatur eingeführt[2].

Kennzeichen eines lebenden Fossils

Generell gibt es einige Merkmale, die alle „lebenden Fossilien“ verbinden und zu diesem Namen geführt haben.

  • Die Organismen sind Angehörige einer erdgeschichtlich alten Tier-/Pflanzengruppe.
  • Ihre Stellung im System der rezenten Arten ist isoliert.
  • Im Vergleich zu den vorzeitlichen, verwandten Arten besitzen die lebenden Fossilien eine sehr beschränkte und reliktartige räumliche Verbreitung. Die Verbreitungsgebiete sind häufig geografisch eng umgrenzte Areale wie Inseln oder geschlossene Gebirgstäler.
  • Ihr Aussehen hat sich im Laufe der Zeit nur gering verändert, sodass sie zahlreiche altertümliche Merkmale besitzen.

Stabilisierende Selektion

Unter stabilen ökologischen Verhältnissen, wie beispielsweise in bestimmten ökologischen Nischen oder in der Tiefsee, leben die Individuen einer Population über viele Generationen hinweg unter konstanten Umweltbedingungen. Tiere, die nahe am Mittelwert der Population liegen, zeigen eine höhere Fitness. Somit führt stabilisierende Selektion zu einer geringeren phänotypischen Variabilität, die Formen verändern sich nicht.

Rezente Lebewesen mit alten Bauplänen

Ein Beispiel für rezente Lebewesen mit alten Bauplänen sind die Stromatolithen. Bei ihnen handelt es sich nur um „lebende Fossilien“ im weiteren Sinne, da die Stromatolithen selbst gar keine Lebewesen sind. Beispiele für rezente Lebewesen mit alten Bauplänen gibt es ansonsten im Tier- und Pflanzenreich:

Pflanzenreich

  • die Baumfarne (Cyatheales)
  • der Ginkgo (Ginkgo biloba)
  • der Schachtelhalm (Equisetum)
  • der Taubenbaum (Cathaya argyrophylla)
  • die Welwitschie (Welwitschia mirabilis, eine nacktsamige Wüstenpflanze)
  • die Wollemie (Wollemia nobilis, ein Araukariengewächs)
  • der Urweltmammutbaum (Metasequoia glyptostroboides)

Tierreich

Weitere ursprüngliche Baupläne in heutigen Formen

Zudem gibt es einige Baupläne, die ebenfalls aus vergangenen Erdzeitaltern fossil erhalten sind, jedoch aufgrund ihrer heutigen weiten Verbreitung nicht zu den lebenden Fossilien gerechnet werden. Hierunter fallen beispielsweise:

  • die Oomyceten (rezent); stellen Übergangsformen zwischen Pflanzen und Pilzen dar und weisen Merkmale beider auf. Die Baupläne sind sehr alt, kommen jedoch auch heute sehr häufig vor.
  • die Volvox (rezent); eine Kolonie von Grünalgenzellen, welche eine Übergangsform zwischen Einzellern zu Vielzellern darstellt. Obwohl sie aus mehreren Zellen besteht, hat sie doch keine Arbeitsteilung. Der Bauplan der Volvox ist außerordentlich alt, diese Lebewesen sind jedoch auf der Erde allgemein verbreitet.

Belege

  1. Ulrich Lehmann: Paläontologisches Wörterbuch. 4. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1996, S. 60, 130.
  2. 2,0 2,1 Ulrich Lehmann: Paläontologisches Wörterbuch. 4. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1996, S. 130.
  3. Erwin J. Hentschel und Günther H. Wagner: Zoologisches Wörterbuch, 6. Auflage. Gustav Fischer Verlag, Jena, 1996. Seite 359

Siehe auch

  • Missing Link (fehlendes Bindeglied)
  • ghost lineage (Abstammungslinie zwischen zwei zeitlich weit entfernten Taxa ohne Fossilbeleg)

Weblinks

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