Evolutionäres Geheimnis um „lebendes Fossil“ gelüftet



Bio-News vom 06.08.2020

Erstmals hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das Genom der Brückenechse entschlüsselt. Die Ergebnisse ermöglichen es nicht nur, die Brückenechse besser in der evolutionären Entwicklung der Arten zu verorten. Sie geben auch Einblick in die genomischen Grundlagen ihrer Langlebigkeit und Krankheitsresilienz. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und lokalen Māori-Gemeinschaften durchgeführt.

„Wenn wir einen Baum des Lebens betrachten, bei dem sich die Arten im Laufe der Zeit unterscheiden und sich in Gruppen wie Reptilien, Vögel und Säugetiere aufspalten, können wir endlich mit einiger Sicherheit erkennen, welchen Platz die Brückenechse einnimmt“, erläutert Prof. Neil Gemmell, Genetiker an der Anatomieabteilung der neuseeländischen Universität von Otago und Leiter der Studie. Da Brückenechsen, auch Tuatara genannt, als Art keine nahen Verwandten aufweisen, war ihre Position auf dem von Gemmell beschriebenen Evolutions-Baum lange umstritten. Einige Forscherinnen und Forscher vermuteten Verwandtschaftslinien zu Vögeln, Krokodilen und Schildkröten.


Die Analyse des Erbguts der Brückenechse gibt Einblick in evolutionäre Verwandtschaftsverhältnisse und Eigenschaften wie ihre Langlebigkeit.

Publikation:


Neil J. Gemmell et al. (2020)
The tuatara genome reveals ancient features of amniote evolution
Nature (2020)

DOI: 10.1038/s41586-020-2561-9



Die neuen Forschungsergebnisse ordnen Brückenechsen hingegen in einen Zweig ein, den sie zunächst mit Echsen und Schlangen teilten und von dem sie sich dann vor rund 250 Millionen Jahren abspalteten, um eine eigenständige Ordnung zu bilden. In der Evolution ist dies eine gewaltige Zeitspanne; Primaten sind zum Beispiel erst vor etwa 65 Millionen Jahren entstanden, und Hominiden, von denen der Mensch abstammt, erst vor etwa sechs Millionen Jahren.

„Diese Entwicklung wissenschaftlich präzise nachweisen zu können, ist aufregend – doch noch weitreichendere Erkenntnisse versprechen wir uns von dem besonderen genetischen Code der Brückenechse, den wir aufdecken konnten. Damit lassen sich ihre einzigartigen Eigenschaften erforschen, und wir können hoffentlich zum notwendigen Schutz der Art beitragen“, so Gemmell.

Das Genom der Brückenechse ist um 67 Prozent größer als das des Menschen. Sein neu erforschter Aufbau gibt Einblick in die Frage, wie Brückenechsen eine Langlebigkeit von 100 Jahren und mehr erreichen können. „So ergab unsere Analyse, dass sie mehr derjenigen Gene besitzen, die den Körper vor den Auswirkungen des Alterns beschützen, als jede andere bisher untersuchte Wirbeltierart“, berichtet Dr. Stefan Prost, Wissenschaftler am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Zudem scheinen Brückenechsen auch wenig anfällig für Krankheiten zu sein. Daher bildet die Untersuchung der genetischen Faktoren, die sie schützen könnten, einen weiteren Schwerpunkt der Studie. Weiterhin wurden genetische Aspekte unter anderem der Temperaturregulierung und des Sehvermögens erforscht.

Mit dem sequenzierten Genom verfügt die internationale Wissenschaftsgemeinschaft nun über eine Blaupause, um die vielen einzigartigen biologischen Merkmale der Brückenechsen zu untersuchen. Darüber hinaus tragen die Ergebnisse dazu bei, die Evolution der sogenannten Amnioten zu verstehen, einer Gruppe, der Vögel, Reptilien und Säugetiere angehören. „Auch das Verständnis unserer eigenen Biologie und Gesundheit könnte durch die neuen Forschungsgrundlagen verbessert werden“, mutmaßt Gemmell.

Eine Besonderheit des Forschungsprojekts, das sich über die vergangenen acht Jahre erstreckte und an dem über 60 Forscherinnen und Forscher beteiligt waren, ist die Zusammenarbeit mit lokalen Māori-Gemeinschaften in Neuseeland. „Dieses Projekt lief über mehrere Jahre, da es technisch sehr anspruchsvoll war. Zudem stellen Brückenechsen für Māori geschütztes Kulturgut, ein sogenanntes Toanga, dar, und sie sind stark vom Aussterben bedroht. Daher war es wichtig, alle Aspekte genau abzustimmen. Wir hoffen, dass diese Veröffentlichung zum Schutz der Brückenechsen beiträgt und darüber hinaus als Bespiel für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dient, wie wichtig und zuträglich es ist, mit lokalen Gemeinschaften zu arbeiten. Denn nur zusammen können wir voneinander lernen und so unsere Natur besser verstehen, um einen Grundstein für ihren Schutz zu legen“, so Prost.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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