Phoneutria


Phoneutria

Phoneutria nigriventer

Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Kieferklauenträger (Chelicerata)
Klasse: Spinnentiere (Arachnida)
Ordnung: Webspinnen (Araneae)
Familie: Ctenidae
Gattung: Phoneutria
Wissenschaftlicher Name
Phoneutria
Perty, 1833

Die Brasilianischen Wanderspinnen (Phoneutria spp.), auch Bananenspinnen oder Armadeira genannt (von portugiesisch aranhas armadeiras = ‚bewaffnete Spinne‘), sind eine acht Arten umfassende Gattung innerhalb der Familie der Kammspinnen (Ctenidae). Alle Arten gelten als sehr aggressiv und hochgiftig.[1]

Beschreibung

Die Gattung Phoneutria (griechisch für ‚Mörderin‘) umfasst acht wissenschaftlich beschriebene Arten. Die Weibchen erreichen eine Spannweite von 10–13 cm. Der Körper des Weibchens wird 30 bis 50 mm lang, Männchen sind kleiner, mit einer Körperlänge von nur bis 40 mm.[2] Die mittleren Augen der vorderen und hinteren Reihe bilden ein Quadrat. Im Gegensatz zur Gattung Ctenus liegen die äußeren Augen auf einer gemeinsamen Erhebung und stehen nah beieinander. Die Augen der hinteren Reihe sind größer als die der vorderen Reihe.[3]

Verhalten

Bananenspinne

Der Name Wanderspinne rührt daher, dass diese Gattung nicht wie viele andere Spinnen auf Beute lauert, sondern nachts aktiv auf Jagd geht. Tagsüber versteckt sie sich an dunklen, feuchten Orten, des Öfteren auch in menschlichen Behausungen. Fühlt sie sich gestört, stellt sie ein besonderes Drohverhalten zur Schau, bei dem sie den vorderen Teil des Körpers aufrichtet und die beiden vorderen Beinpaare nach oben streckt. Da sie in dieser Position ein wenig aussieht, als würde sie Pistolen in die Luft strecken, erklärt sich hieraus der in Brasilien gebräuchliche Name ‚bewaffnete Spinne‘. In dieser Haltung wiegt sich die Spinne dann in charakteristischer Weise ruckartig von Seite zu Seite. Phoneutria gelten als sehr aggressiv und beißen häufig auch ohne Vorwarnung zu, verabreichen jedoch nicht immer Gift in die Bisswunde. Einige Phoneutria-Arten stehen im Ruf, sogar im Sprung anzugreifen.[1]

Die Paarungszeit ist von April bis Juni, weshalb man P. nigriventer in dieser Zeit besonders häufig sichtet.[2] Die Männchen bauen Spermanetze, mit denen sie ihre Begattungskolben füllen. Bei der Paarung reiten sie auf das bewegungslose Weibchen auf und überführen die Spermapakete in dessen Spermatheken. Nach einigen Tagen kann das Männchen weitere Weibchen begatten. Die Weibchen weben einen Eiball, der an einer glatten Unterlage festgeklebt und bewacht wird. Die Jungtiere sammeln sich nach dem Schlüpfen auf dem Rücken des Muttertiers, wo sie täglich ein etagenartiges Gewebe errichten und sich kannibalistisch ernähren. Nach der ersten Häutung werden sie selbständig. Danach erzeugen die Weibchen weitere Eibälle, bis ihr Eiervorrat erschöpft ist. Insgesamt werden drei bis vier Eibälle mit bis zu 2500 Jungtieren erzeugt.[4]

Beutetiere sind Schaben und andere Insekten sowie kleine Reptilien und Amphibien.

Verbreitung

Phoneutria-Arten finden sich in ganz Südamerika von Ecuador bis in den Norden Argentiniens. Hauptverbreitungsgebiet ist Brasilien.[2]

Gelegentlich gelangen einzelne Tiere in Bananenkisten auf Frachtschiffen unbeabsichtigt nach Europa.[5]

Arten

Die Gattung umfasst acht Arten (Stand 2008):[6]

  • Phoneutria bahiensis (Simó & Brescovit, 2001) – Atlantischer Regenwald Brasiliens.
  • Phoneutria boliviensis (F. O. Pickard-Cambridge, 1897) – Zentral- und Südamerika.
  • Phoneutria eickstedtae (Martins & Bertani, 2007) – Brasilien.
  • Phoneutria fera (Perty, 1833) – Ecuador, Peru, Brasilien, Surinam, Guyana.[7]
  • Phoneutria keyserlingi (F. O. Pickard-Cambridge, 1897) – Atlantischer Regenwald Brasiliens.
  • Phoneutria nigriventer (Keyserling, 1891) – Brasilien, Nordargentinien, in Uruguay eingeführt.
  • Phoneutria pertyi (F. O. Pickard-Cambridge, 1897) – Atlantischer Regenwald Brasiliens.
  • Phoneutria reidyi (F. O. Pickard-Cambridge, 1897) – Venezuela, Peru, Brasilien, Guyana, Costa Rica.

Gift

Sie ist neben einigen Arten der Echten Witwen und neben der Sydney-Trichternetzspinne eine der wenigen Spinnen auf der Welt, von deren Biss auch für einen gesunden erwachsenen Menschen eine lebensbedrohende Gefahr ausgehen kann. Sie ist vermutlich für die meisten tödlichen Giftunfälle durch Spinnen weltweit verantwortlich, wenngleich einige Quellen die Schwarze Witwe an dieser Stelle anführen.[8] Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Wanderspinne nicht immer Gift in die Bisswunde injiziert und die Zahl tödlicher Unfälle dank breiter Verfügbarkeit eines Gegenmittels auf wenige Einzelfälle pro Jahr zurückgegangen ist. Bücherl und Buckley beschreiben in ihrem Buch einen tödlichen Zwischenfall in São Sebastião/Bundesstaat São Paulo, wo eine Spinne zwei Kinder tötete.[9]

Eine intravenös verabreichte Giftmenge von nur 6 µg genügt, um eine 20 g schwere Maus zu töten (zum Vergleich: Das Gift der Schwarzen Witwe (Latrodectus mactans) wirkt erst ab 110 µg tödlich auf eine Maus).[10] Da die toxikologische Empfindlichkeit des Menschen gemessen am Körpergewicht zudem noch vier- bis fünfmal höher ist als die der Maus,[1] gilt Phoneutria als die giftigste Gattung der Welt. Im Guinness-Buch der Rekorde (Erscheinungsjahr 2007), wird sie daher als giftigste Spinne gelistet.

Neben starken Schmerzen kann das Gift der Spinne beim Menschen auch einen Priapismus (schmerzhafte Erektion) verursachen. Dieser kann über viele Stunden anhalten und verursacht, falls er unbehandelt bleibt, Impotenz.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 [1], Toxinfo-Datenbank des MRI. (Letzte Überprüfung am 6. September 2009)
  2. 2,0 2,1 2,2 Martins & Bertani 2007
  3. Peters: Bericht über die Leistungen der Naturgeschichte der Arachniden während der Jahre 1847 und 1848. In: University of Michigan (Hrsg.): Archiv für Naturgeschichte. Band 15. Nicolai, 1849, S. 335.
  4. E. J. Fittkau: Biogeography and Ecology in South-America. Band 2. Springer, Heidelberg 1969, ISBN 978-90-6193-071-6, S. 782.
  5. Günter Schmidt: Über die Bedeutung der mit Schiffsladungen in Deutschland eingeschleppten Spinnentiere, Journal of Pest Science, Springer Berlin / Heidelberg, Volume 26, Number 7 / Juli 1953, S. 97–105
  6. The world spider catalog, version 8.5. American Museum of Natural History. Accessed February 9, 2008.
  7. Silva, B. J. F., & Overal, W. L. (1999). Ocorrência de Phoneutria fera (Araneae: Ctenidae) no Estado do Pará, Brasil. Boletim do Museu Paraense Emílio Goeldi, série Zoologia, 15(2), 135–141.
  8. Animal Corner, letzte Überprüfung am 6. September 2009.
  9. Venomous Animals and their Venoms, vol. III, ed. Wolfgang Bücherl and Eleanor Buckley
  10. Venomous Animals and their Venoms, vol. III, ed. Wolfgang Bücherl and Eleanor Buckley

Literatur

  • Bucaretchi F, Deus Reinaldo C, Hyslop S, Madureira P, De Capitani E, Vieira R: A clinico-epidemiological study of bites by spiders of the genus Phoneutria. In: Rev Inst Med Trop São Paulo. 42. Jahrgang, Nr. 1, 2000, S. 17–21, PMID 10742722 (scielo.br).
  • Martins, Rosana & Bertani, Rogério (2007): The non-Amazonian species of the Brazilian wandering spiders of the genus Phoneutria Perty, 1833 (Araneae: Ctenidae), with the description of a new species. Zootaxa 1526: 1-36. (with key and pictures) — Abstract
  • Pinheiro A. C. N., Gomez R. S., Massensini A. R., Cordeiro M. N., Richardson M., Romano-Silva M. A., Prado M. A. M., De Marco L., Gomez M. V.: Neuroprotective effect on brain injury by neurotoxins from the spider Phoneutria nigriventer. In: Neurochemistry international. 49. Jahrgang, Nr. 5, 2006, S. 543–547, doi:10.1016/j.neuint.2006.04.009 (inist.fr).
  • http://www.animalcorner.co.uk/venanimals/ven_spidbrazwand.html

Weblinks

Commons: Phoneutria nigriventer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien