Echte Witwen



Echte Witwen

Europäische Schwarze Witwe
(Latrodectus tredecimguttatus)

Systematik
Klasse: Spinnentiere (Arachnida)
Ordnung: Webspinnen (Araneae)
Unterordnung: Echte Webspinnen (Araneomorphae)
Teilordnung: Entelegynae
Familie: Haubennetzspinnen (Theridiidae)
Gattung: Echte Witwen
Wissenschaftlicher Name
Latrodectus
Walckenaer, 1805
Südliche Schwarze Witwe
(Latrodectus mactans),
Spinnennetz mit Kleber

Als Echte Witwen (Latrodectus) wird eine Gattung der Webspinnen aus der Familie der Haubennetzspinnen (Theridiidae) bezeichnet. Sie umfasst 31 Arten,[1] zu denen auch die mit besonders starken Giften ausgestatteten „Schwarzen Witwen“ gehören.

Bekannte Arten der Gattung sind unter anderen die weltweit vorkommende Braune Witwe (Latrodectus geometricus), die von Westafrika bis Zentralasien verbreitete Weiße Witwe (Latrodectus pallidus), die in Australien und Neuseeland heimische Rotrückenspinne (Latrodectus hasselti) sowie die in Nordamerika anzutreffende Südliche Schwarze Witwe (Latrodectus mactans). Früher wurde eine Reihe von schwarz gefärbten Arten als „Schwarze Witwen“ (Latrodectus mactans im weiteren Sinn) zusammengefasst, diese wurden aber 1970 nach ihrem geographischen Verbreitungsgebiet in einzelne Arten aufgeteilt. Die Europäische Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus), die in Südeuropa, Nordafrika und in Zentralasien bis nach China beheimatet ist, wurde früher ebenfalls als eine Unterart der nordamerikanischen Schwarzen Witwen angesehen, gilt aber heute unter dem wissenschaftlichen Namen Latrodectus tredecimguttatus als eigene Art.

Beschreibung

Die Weiße Witwe, die einzige Spinne der Gattung mit heller Grundfärbung

Die in Nordamerika, USA vom Süden Neuenglands bis Florida, außerdem in weiten Teilen Mittel- und Südamerikas verbreitete black widow spider (Schwarze Witwe) L. mactans ist schwarz gefärbt und trägt auf der Bauchseite eine rote Zeichnung. Die in Südeuropa rund ums Mittelmeer, auf den atlantischen Inseln, in Südrussland, Südosteuropa, Nordafrika, Klein- und Zentralasien und in großen Teilen Afrikas und Asiens vorkommende Art Latrodectus tredecimguttatus besitzt eine ähnliche Zeichnung und darüber hinaus auf dem Rücken dreizehn rote bis orangefarbene Flecken. Daher kommt auch ihr lateinischer Name, denn tredecimguttatus bedeutet „dreizehngefleckte“. Die Gattung umfasst noch weitere Spezies, die teilweise im selben Verbreitungsgebiet leben und daher manchmal ebenfalls als Schwarze Witwe bezeichnet werden. Die Weiße Witwe (Latrodectus pallidus) ist die einzige Art der Gattung, welche eine helle Grundfärbung hat.

Verbreitung der Latrodectus-Arten

Die Weibchen werden etwa 9 bis 15 mm lang.

Namensgebung

Der Name Echte Witwen rührt von der Beobachtung her, dass die Weibchen nach der Paarung das kleinere Männchen auffressen, und sich dadurch selbst zur „Witwe“ machen. Dieses Verhalten, das auch bei den meisten anderen Webspinnen beobachtet werden kann, ist jedoch bei den Echten Witwen nicht der Regelfall. Nur in rund 12,5 % der Fälle ist die Begegnung mit dem Weibchen für das Männchen tödlich.[2]

Die Echten Witwen (Gattung Latrodectus) werden den Vertretern der Gattung Steatoda, den „Falschen Witwen“, gegenübergestellt. Diese ähneln in der Körperform den Echten Witwen, sind jedoch nicht so gefährlich. Im Deutschen werden die Steatoda-Arten meist als Fettspinnen bezeichnet. Nur die Art Steatoda paykulliana, die der Europäischen Schwarzen Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) ähnelt, und im gleichen mediterranen Verbreitungsgebiet vorkommt, wird als Falsche Witwe bezeichnet. Auch auf anderen Kontinenten gibt es Fettspinnen, die mit den Echten Witwen verwechselt werden können. Beispielsweise wird in Neuseeland die aus Südafrika eingeschleppte Fettspinne Steatoda capensis, die einer einheimischen Witwenspinne, der Roten Katipo (Latrodectus katipo) ähnelt, als „False Katipo“ bezeichnet.

Sehr oft taucht der eingedeutschte Name „Malmignatte“ auf. Er leitet sich von dem italienischen Trivialnamen „Marmignatto“ ab, den auch der Entomologe Pietro Rossi in seiner Erstbeschreibung der Europäischen Schwarzen Witwe 1790 erwähnt. 1837 beschrieb Charles Athanase Walckenaer in seiner Histoire naturelle des insectes eine Latrodectus malmignatus, die aber identisch mit der früher beschriebenen Latrodectus tredecimguttatus, der Europäischen Schwarzen Witwe, ist. Meist wird mit dem eingedeutschten Namen „Malmignatte“ die europäische Art der Schwarzen Witwen gemeint sein, der Begriff wird aber auch auf Arten der Schwarzen Witwen, die auf anderen Kontinenten leben, angewandt.

Im südrussischen und zentralasiatischen Verbreitungsgebiet der Europäischen Schwarzen Witwe wird der Trivialname Karakurt, eingedeutscht Karakurte, verwendet, welcher „Schwarzer Wolf“ bedeutet.

Fortpflanzung

Bei Latrodectus hasselti kommt es oft zu einer Verletzung des Männchens während der Kopulation. Der Biss des Weibchens kann ein Austreten der Hämolymphe verursachen und damit ein Abfallen des Hämolymphdruckes, der u. a. zur Bewegung benötigt wird, bewirken. Ist die Bissverletzung zu groß, kann das zum Tod des Männchens führen. Da das Weibchen zwei Spermatheken besitzt, würde der Tod des Männchens nach der ersten Kopulation die genetische Vielfalt fördern, da auch noch einem zweiten Männchen die Chance zur Befruchtung gegeben würde.

Auf der anderen Seite erhöht ein Überleben des Männchens die Chance auf Vaterschaft durch eine zweite Kopulation um mehr als 50 %. Männchen reagieren mit einem Abschnüren des verletzten Teiles des Hinterleibs auf den Biss, überleben dadurch und steigern ihre Ausdauer und Kopulationserfolg bei der zweiten Kopulation. Das Sperma von Männchen, die ein zweites Mal kopulieren, übernimmt häufiger die Befruchtung. Damit besteht ein paradoxer Selektionsprozess in der Entwicklung der Art: Männchen, die bereits bei einer Kopulation gebissen worden sind und überlebten, können sich erfolgreicher fortpflanzen.[3]

Bei einer anderen Art, Indicoblemma lannaianum wurde nachgewiesen, dass sich das Weibchen den fitteren Partner als Vater nach der Kopulation quasi „aussuchen“ kann.[4] Ähnliche Hinweise auf eine Selektion durch das Weibchen gibt es zum Beispiel bei den Weibchen der Zitterspinnen, die bereits bei unpassenden Männchen die Balz abbrechen.

Bissunfälle

Latrodectus spec. aus Kalifornien
Hinterleibsmuster von Latrodectus aus Argentinien

Zum Fang ihrer Beute, in der Regel Insekten, spinnen Angehörige der Gattung ein Haubennetz. Die „Schwarze Witwe“ wandert bevorzugt an dunkle und kühle Orte, daher ist sie auch in menschlichen Behausungen, beispielsweise in Kellern oder Schuppen, anzutreffen.

Obwohl die Tiere nicht aggressiv sind, kommt es dennoch, wenn auch selten, zu Bissunfällen mit Menschen, die für Kinder und kranke oder geschwächte Menschen ernste Folgen haben können. Die meisten Bissunfälle mit Schwarzen Witwen in den USA passieren auf Außentoiletten, auf denen die Spinnen ihr Haubennetz unter dem Toilettensitz spinnen, um auf die vom Fäkaliengeruch angelockten Insekten zu lauern. Setzt sich ein Mensch unachtsam auf die Brille, kann es zum Giftbiss kommen.

Der Biss selbst ist in den meisten Fällen nicht schmerzhaft und wird oft nicht gleich bemerkt. In 90 Prozent der Fälle verursacht das Giftgemisch mit dem Hauptbestandteil α-Latrotoxin das Leitsymptom, einen starken Leibschmerz, begleitet von Schweißausbrüchen. Von Betroffenen wurde der Schmerz oft als „unerträglich“ stark beschrieben. Das Schwitzen der Haut an der Bissstelle ist ein wichtiges Diagnosekriterium. Nach einigen Tagen kommt es zu einem juckenden Hautausschlag. In schweren Fällen kann es zu Schlafstörungen, Bluthochdruck und Krämpfen kommen [5]. Normalerweise erholen sich die Gebissenen nach ein paar Tagen, aber auch Todesfälle, beispielsweise durch Ausbildung eines schweren Lungenödems, sind schon vorgekommen. In der Literatur wird vermerkt, vor Einführung der Serumtherapie habe die Sterblichkeitsrate fünf Prozent betragen, seitdem liege sie bei etwa 0,2 Prozent.

Arten

In Deutschland kommen keine Populationen vor. Anfang des Jahres 2009 wurde in Groß-Gerau, Hessen eine weibliche L. mactans an Frachtstücken aus Chicago gefunden, die jedoch vermutlich eingeschleppt wurde.[6] In Belgien und Frankreich existieren Populationen eingeschleppter und entlaufener Arten (L. geometricus, L. mactans).[7]

Nordamerikanische Arten

  • Latrodectus bishopi, Rote Witwe, Florida, USA
  • Latrodectus hesperus, Westliche Schwarze Witwe, westliches Kanada, USA, und Mexiko. Kommt auch in Israel vor.
  • Latrodectus mactans, Südliche Schwarze Witwe (oft auch nur Schwarze Witwe genannt), warme Regionen der USA.
  • Latrodectus variolus, Nördliche Schwarze Witwe, vom extremen Südosten und Süden Kanadas bis zum nördlichen Florida, wobei die Häufigkeit des Vorkommens in nördlicher Richtung zunimmt.

Arten aus Zentral- und Südamerika

Die folgenden Arten sind heimisch in Zentral- und Südamerika:

  • Latrodectus antheratus, Paraguay, Argentinien
  • Latrodectus apicalis, Galapagosinseln
  • Latrodectus corallinus, Argentinien
  • Latrodectus curacaviensis, Kleine Antillen, Südamerika
  • Latrodectus diaguita, Argentinien
  • Latrodectus mirabilis, Argentinien
  • Latrodectus quartus, Argentinien
  • Latrodectus variegatus, die Chilenische Witwe, Chile und Argentinien

Arten in Europa, Nordafrika, dem Nahen Osten und westlichen Asien

  • Latrodectus dahli, Naher Osten bis Zentralasien
  • Latrodectus hystrix, Jemen, Sokotra
  • Latrodectus lilianae, die Iberianische Witwe, Iberische Halbinsel
  • Latrodectus pallidus, die Weiße Witwe oder Weiße Steppenspinne, Nordafrika, Naher Osten, Russland, Iran, Zentralasien, Kapverdische Inseln
  • Latrodectus revivensis, Israel
  • Latrodectus tredecimguttatus, die Europäische Schwarze Witwe (oder Mediterrane Schwarze Witwe), mediterrane Gebiete, Zentralasien. Auch in China gefunden. Einige Biologen bezeichnen diese auch als Latrodectus lugubris.

Arten der Sub-Sahara und Madagaskars

  • Latrodectus cinctus, südliches Afrika. Kommt auch auf den Kapverdischen Inseln und Kuwait vor.
  • Latrodectus indistinctus, Südafrika und Namibia
  • Latrodectus karrooensis, Südliches Afrika
  • Latrodectus menavodi, Madagaskar
  • Latrodectus obscurior, Cape Verde, Madagaskar
  • Latrodectus renivulvatus, Afrika. Auch in Saudi Arabien und im Jemen.
  • Latrodectus rhodesiensis, Simbabwe.

Arten im Süden, Osten und Südosten Asiens

  • Latrodectus elegans, China, Myanmar, Japan
  • Latrodectus erythromelas, Sri Lanka

Arten in Australien und Ozeanien

  • Latrodectus katipo, die Rote Katipo, stammt aus Neuseeland.
  • Latrodectus hasselti, die Rotrückenspinne, ursprünglich in Australien beheimatet, wurde in Neuseeland und in Südostasien bis Japan eingeschleppt.

Weltweit vorkommende Arten

  • Latrodectus geometricus, die Braune Witwe (brown button spider). Die ursprüngliche Heimat der Spinne ist unklar, da sie in vielen warmen Gegenden der Erde vorkommt.

Literatur

  • Herbert W. Levi: The spider genus Latrodectus (Araneae, Theridiidae). Transactions of the American Microscopical Society, 78, 1, S. 7-43, 1959
  • Raymond W. Thorp und W. D. Woodson: Black Widow: America's most poisonous spider, Chapel Hill, North Carolina, 1945, ASIN B0007E3WCC
  • Raymond W. Thorp und W. D. Woodson: The black widow spider, Dover Publications, New York 1976, ISBN 0-486-23405-3
  • Sergio Bettini: Epidemology of latrodectism, Toxicon 2: 93-102, 1966
  • Sergio Bettini und M. Maroli: Venoms of Theridiidae, genus Latrodectus, Arthropod Venoms; Handbook of Experimental Pharmacology, Vol. 48, Springer Verlag, New York 1978, ISBN 0-387-08228-X
  • Günter Schmidt: Giftige und gefährliche Spinnentiere, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2000, ISBN 3-89432-405-8

Einzelnachweise

  1. Norman I. Platnick: The World Spider Catalog, Version 10.5. American Museum of Natural History, 2000-2010 Familie Theridiidae, Gattung Latrodectus
  2. Rainer F. Foelix: Biologie der Spinnen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1979 ISBN 3-13-575801-X
  3. Maydianne C. B. Andrade, Lei Gu and Jeffrey A. Stoltz: Novel male trait prolongs survival in suicidal mating. Male redback survival in suicidal mating. Biological Letters 1, S. 276–279, 2005 The Royal Society. Volltext (PDF, engl.)
  4. M. Burger et al.: Complex genital system of a haplogyne spider (Arachnida, Araneae, Tetrablemmidae) indicates internal fertilization and full female control over transferred sperm. Journal of Morphology, 267, 2, S. 166-186, 2005 Abstract (engl.)
  5. Toxikologische Bewertung von Bissen bei der Toxinfo-Datenbank
  6. Peter Jäger (2009): Latrodectus mactans nach Deutschland eingeschleppt. Arachnologische Mitteilungen 35, S. 35-38.(Online)
  7. Handbook of Clinical Toxicology of Animal Venoms and Poisons Es, Exact Solutions, and Conservation Laws, von Jurg Meier und Julian White, Ausgabe 1995, ISBN 0-8493-4489-1

Weblinks

Commons: Latrodectus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien