Proteus-Syndrom


Klassifikation nach ICD-10
Q89.0 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Proteus-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, bei der sich in der frühen Kindheit ein regionaler Überwuchs manifestiert.[1] Häufig entwickeln sich Tumore.[2]

Das Proteus-Syndrom hat ein vielfältiges klinisches Erscheinungsbild.[3] Deshalb wurde es von dem deutschen Kinderarzt Hans-Rudolf Wiedemann [4] nach dem griechischen Meeresgott Proteus benannt, von dem es heißt, er habe seine äußere Gestalt verändern können.

Seit der Erstbeschreibung des Syndroms durch Michael Cohen im Jahr 1979[5] wurden weltweit etwa 200 Fälle beschrieben. Nach heutigen Erkenntnissen ist die Diagnose nur in knapp der Hälfte dieser Fälle gerechtfertigt – das Proteus-Syndrom scheint also noch seltener zu sein, als bisher vermutet wurde.[6] Da auch abgeschwächte Formen der Krankheit auftreten können, ist anzunehmen, dass zahlreiche Fälle des Proteus-Syndroms nicht als solche diagnostiziert werden.

Bemerkenswerte Fälle

Joseph Merrick, 1889 fotografiert für eine Studie

Joseph Merrick litt am Proteus-Syndrom, vermutlich kombiniert mit einer Neurofibromatose Typ 1 (M. Recklinghausen) und wurde bekannt als der Elefantenmensch.[7] [8]

Lediglich sein linker Arm und die Genitalien waren ohne Befall.

Klinisches Erscheinungsbild

Das Proteus-Syndrom verursacht einen Großwuchs von Haut, Knochen, Muskeln, Fettgewebe, Blut- und Lymphgefäßen. Bei Geburt sind die Betroffenen meist ohne offensichtliche Veränderungen.

Mit zunehmendem Alter kann es zum beschriebenen Großwuchs und zur Tumorbildung kommen. Die Schwere und Lokalisation des Befalls variiert extrem, aber häufig sind der Schädel, eine oder mehrere Extremitäten und die Fußsohlen betroffen. Die Lebenserwartung ist bei Betroffenen durch das gehäufte Auftreten von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien herabgesetzt, welche durch krankheitsassoziierte Gefäßmissbildungen begünstigt werden. Durch das erhöhte Gewicht der deformierten Extremitäten kommt es zudem zu Muskel- und Gelenkschmerzen. Weitere Risiken können durch die Masse der Gewebewucherungen auftreten – wie im Fall des Joseph Merrick, der im Schlaf erstickte, als seine Halswirbelsäule durch das Eigengewicht des Kopfes einknickte.

Die Krankheit selbst verursacht keine Intelligenzminderung oder Lernschwäche. Der Großwuchs kann aber sekundäre Schäden am Nervensystem hervorrufen, die zu kognitiven Einschränkungen führen. Zusätzlich beeinflussen sichtbare Deformationen die sozialen Erfahrungen des Erkrankten negativ, was kognitive und soziale Defizite mit sich bringen kann.

Die Betroffenen tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bestimmter Tumoren wie einseitiger ovarieller Zystadenome, Hodentumore, Meningeome und Adenome der Speicheldrüse.

Ursachen – Genetik

Die Forschungen zur genauen Ursache des Proteus-Syndroms dauern noch an. Einige Forschungsergebnisse zeigen eine Verbindung zum PTEN-Gen auf Chromosom 10[9], andere Ergebnisse deuten auf Chromosom 16[10]. Einige Wissenschaftler haben Zweifel an der Beteiligung von PTEN angemeldet.[11]

Auch eine somatische Mutation als Ursache ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion[12]

2011 wies eine Studie bei 26 von 29 untersuchten Patienten eine Punktmutation im AKT1-Gen nach. Die Mutation führt zu einem genetischen Mosaik, welches zum Überwuchs der betroffenen Körperteile führt. [13]

Behandlung

Derzeit gibt es keine Behandlung. Ein australisches Ärzteteam hat in einem Fallbericht Rapamycin als mögliches Therapeutikum untersucht und einen positiven Effekt auf das Fortschreiten der Erkrankung gefunden.[14] [15]

siehe auch

  • Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom

Belege

  1. Biesecker LG, Happle R, Mulliken JB, Weksberg R, Graham JM Jr, Viljoen DL, Cohen MM Jr.: Proteus syndrome: diagnostic criteria, differential diagnosis, and patient evaluation. In: Am J Med Genet. 84(5). Jahrgang, 1999, S. 389–395, PMID 10360391.
  2. Freedberg, u. a. (2003). Fitzpatrick's Dermatology in General Medicine. (6. Aufl.), McGraw-Hill. ISBN 0071380760.
  3. Jamis-Dow C, Turner J, Biesecker L, Choyke P: Radiologic manifestations of Proteus syndrome. In: Radiographics. 24. Jahrgang, Nr. 4, 2004, S. 1051–1068, doi:10.1148/rg.244035726, PMID 15256628.
  4. Wiedemann HR, Burgio GR, Aldenhoff P, Kunze J, Kaufmann HJ, Schirg E.: The proteus syndrome. Partial gigantism of the hands and/or feet, nevi, hemihypertrophy, subcutaneous tumors, macrocephaly or other skull anomalies and possible accelerated growth and visceral affections. In: Eur J Pediatr. 140(1). Jahrgang, 1983, S. 5–12, PMID 6873112.
  5. Cohen MM, Hayden PW: A newly recognized hamartomatous syndrome. In: Birth Defects Orig. Artic. Ser. 15. Jahrgang, 5B, 1979, S. 291–296, PMID 118782.
  6. Turner JT, Cohen MM Jr., Biesecker LG: Reassessment of the Proteus syndrome literature: application of diagnostic criteria to published cases. In: Am J Med Genet A. 130A(2). Jahrgang, 2004, S. 111–122, PMID 15372514.
  7. Tibbles J, Cohen M: The Proteus syndrome: the Elephant Man diagnosed. In: Br Med J (Clin Res Ed). 293. Jahrgang, Nr. 6548, 1986, S. 683–685, PMID 3092979.
  8. - Spiring P (2001). „The Improbable Elephant Man“. Biologist (London) 48(3):104.,– The Sunday Telegraph, – BBC News, Eurekalert!, – The Daily Telegraph
  9. Smith JM, Kirk EP, Theodosopoulos G, u. a.: Germline mutation of the tumour suppressor PTEN in Proteus syndrome. In: J. Med. Genet. 39. Jahrgang, Nr. 12, 2002, S. 937–940, doi:10.1136/jmg.39.12.937, PMID 12471211.
  10. Cardoso MT, de Carvalho TB, Casulari LA, Ferrari I: Proteus syndrome and somatic mosaicism of the chromosome 16. In: Panminerva medica. 45. Jahrgang, Nr. 4, 2003, S. 267–271, PMID 15206168 (inist.fr).
  11. Thiffault I, Schwartz CE, Der Kaloustian V, Foulkes WD: Mutation analysis of the tumor suppressor PTEN and the glypican 3 (GPC3) gene in patients diagnosed with Proteus syndrome. In: Am. J. Med. Genet. A. 130A. Jahrgang, Nr. 2, Oktober 2004, S. 123–7, doi:10.1002/ajmg.a.30335, PMID 15372512 (doi.org).
  12. Brockmann K, Happle R, Oeffner F, König A: Monozygotic twins discordant for Proteus syndrome. In: Am. J. Med. Genet. A. 146A. Jahrgang, Nr. 16, August 2008, S. 2122–5, doi:10.1002/ajmg.a.32417, PMID 18627057 (doi.org).
  13. Marjorie J. Lindhurst, Ph.D., Julie C. Sapp, Sc.M., Jamie K. Teer, Ph.D., Jennifer J. Johnston, Ph.D., Erin M. Finn, B.A., Kathryn Peters, M.S., Joyce Turner, M.S., Jennifer L. Cannons, Ph.D., David Bick, M.D., Laurel Blakemore, M.D., Catherine Blumhorst, M.S.N., Knut Brockmann, M.D., Peter Calder, M.B., B.S., Natasha Cherman, Ph.D., Matthew A. Deardorff, M.D., Ph.D., David B. Everman, M.D., Gretchen Golas, M.S., Robert M. Greenstein, M.D., B. Maya Kato, M.D., Kim M. Keppler-Noreuil, M.D., Sergei A. Kuznetsov, Ph.D., Richard T. Miyamoto, M.D., Kurt Newman, M.D., David Ng, M.D., Kevin O'Brien, M.S., Steven Rothenberg, M.D., Douglas J. Schwartzentruber, M.D., Virender Singhal, M.D., M.B.A., Roberto Tirabosco, M.D., Joseph Upton, M.D., Shlomo Wientroub, M.D., Elaine H. Zackai, M.D., Kimberly Hoag, Tracey Whitewood-Neal, Pamela G. Robey, Ph.D., Pamela L. Schwartzberg, M.D., Ph.D., Thomas N. Darling, M.D., Ph.D., Laura L. Tosi, M.D., James C. Mullikin, Ph.D., and Leslie G. Biesecker, M.D.: A Mosaic Activating Mutation in AKT1 Associated with the Proteus Syndrome. In: New England Journal of Medicine. 0. Jahrgang, Nr. 0, Juli 2011, doi:10.1056/NEJMoa1104017 (nejm.org).
  14. [1]
  15. Marsh DJ at a: Rapamycin treatment for a child with germline PTEN mutation. Nat Clin Pract Oncol. 2008 Jun;5(6):357–361. PMID 18431376

Weblink

Proteus-Syndrom. In: {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value). (englisch)