Schienenbonus


Der Begriff Schienenbonus hat im Verkehrswesen unterschiedliche Bedeutungen:

Lärmschutz

Beim Lärmschutz vor Schienenverkehrslärm bezeichnet der Schienenbonus einen bei der Bildung des Beurteilungspegels zu berücksichtigenden Korrekturfaktor. So wird nach der deutschen 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (16. BImSchV) von 1990 der für die festgelegten Geräuschpegelgrenzwerte relevante Beurteilungspegel beim Schienenverkehr um 5 dB(A)[1] geringer angesetzt als beim Straßenverkehr. Damit sind Lärmschutzmaßnahmen an Schienenwegen erst dann gesetzlich erforderlich, wenn der Beurteilungspegel für Straßenverkehrslärm um 5 dB(A) überschritten wird.

Dem Korrekturwert liegt unter anderem eine Feldstudie von Ende 1970er/Anfang der 1980er Jahre zu Grunde. Rangierbahnhöfe und vergleichbare Anlagen sind vom Schienenbonus ausgeschlossen.[2]

In der Feldstudie sowie in weiteren Untersuchungen aus den Jahren zwischen 1970 und 2000 wird jeweils die Lästigkeit (als psychologische Störwirkung) des Jahres-Mittelungspegels von Schienen-Verkehrslärm mit dem von Straßen-Verkehrslärm verglichen. In einer vergleichenden Studie von 2003, bei der die Ergebnisse von vorherigen Studien berücksichtigt wurden, wurde der Schienenbonus zum Teil bestätigt.

Unter der Annahme einer linearen Abhängigkeit zwischen einerseits dem energetischen Mittel aus Verkehrslärm und den Lärmpausen und andererseits der Lästigkeit von Verkehrslärm wurde festgestellt, dass bei Werten oberhalb einer Stressgrenze (Jahres-Mittelungspegel von 60 dB(A)) Schienenlärm gegenüber Straßenverkehrslärm als weniger lästig empfunden wird, wobei diese Wirkung bei niedrigeren Lärmpegeln zum Teil wieder aufgehoben wird.[3] Unter der Annahme anderer mathematischer Abhängigkeiten kann ein Schienenbonus jedoch nicht erkannt werden.[4] Da insbesondere bei Schienenverkehrslärm von Güterzügen eine Differenz zwischen den einzelnen, stark streuenden Vorbeifahrpegeln und dem Jahres-Mittelungspegel besteht, kann die oben genannte lineare Abhängigkeit nicht mehr betätigt werden.[5]

In der Schweiz ist nach der Lärmschutzverordnung (LSV) der Schienenbonus gesetzlich mit einer Pegelkorrektur zwischen 5 bis 15 dB (Anhang 4, Ziff. 33 LSV) zugunsten des Schienenverkehrs festgelegt. In Österreich beträgt der Schienenbonus wie in Deutschland 5 dB (Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung).

Bei der Planung der ersten Neubaustrecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs wurde Ende der 1970er Jahre von der damaligen Deutschen Bundesbahn ein Schienenbonus in pauschaler Höhe von 10 dB zur Anwendung gebracht.[6]

Im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode der Bundesrepublik Deutschland ist die Absicht vereinbart, "den Schienenbonus schrittweise [zu] reduzieren mit dem Ziel, ihn ganz abzuschaffen".[7]

Das Bundesverkehrsministerium arbeitet derzeit (Stand: September 2011) an einem Entwurf einer Änderungsverordnung zur 16. BImSchV, der voraussichtlich ab Ende 2011 zunächst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden soll. Mit der Verordnung soll der Schienenbonus im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel schrittweise reduziert werden. Nach erster Abschätzung von DB Netz wären bei einer vollständigen Abschaffung des Schienenbonus' Sanierungen auf einer Länge von 1.200 km erforderlich.[8] Nach Presseinformationen soll der Schienenbonus Ende 2017 abgeschafft werden.[9]

Am 29. November 2012 stimmt der Bundestag über einen einen von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf eines elften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (17/10771 [10]) ab, dessen Ziel es ist, den Schienenbonus abzuschaffen. [11]

Akzeptanzvorteil schienengebundener Verkehrsmittel

Im Zusammenhang mit Straßenbahn-, Stadtbahn- und Bussystemen im ÖPNV wird der Begriff verwandt, um die größere Akzeptanz von schienengebundenen Verkehrsmitteln gegenüber straßengebundenen Verkehrsmitteln bei den Fahrgästen zu beschreiben. Mögliche Erklärungen sind subjektiver Fahrkomfort und größere Handlungsmöglichkeiten während der Fahrt, sowie eine einprägsamere und als verlässlicher empfundene Streckenführung.[12]

Einzelnachweise

  1. vgl. Anhang 2, 16. BImSchV
  2. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gustav Herzog, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2056 –: Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes im Landverkehr. Drucksache 17/2638 vom 26. Juli 2010.
  3. Rudolf Schuemer und Ulrich Moehler: „Lästigkeitsvergleich zwischen Schienen- und Straßenverkehrslärm.“ In: Schuemer, Schreckenberg, Felscher-Suhr (Hg): „Wirkungen von Schienen- und Straßenverkehrslärm“, S. 78 ff.
  4. Dirk Windelberg: „Mathematische Verfahren zur Bewertung und zum Vergleich von Befragungen zur Verkehrslärm-Lästigkeit.“ DAGA 2010.
  5. Berthold Vogelsang und Dirk Windelberg: „Dosis-Wirkungs-Beziehung - mathematische Betrachtungen zu verschiedenen Aus- und Bewertungen.“ DAGA 2012.
  6. Heinz Bubel: Die technische Gestaltung der Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Der Eisenbahningenieur, 28 (1977), Heft 1, S. 11–18.
  7. Entwurf des Koalitionsvertrags, Zeilen 1597/8
  8. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6867 –. Drucksache 17/7050 vom 20. September 2011.
  9. Nikolaus Doll: Wer lärmt, zahlt mehr. In: Die Welt (Onlineausgabe), 13. Dezember 2011.
  10. [1]
  11. bundestag.de: [2]
  12. Karin Dziekan: „Öffentlicher Verkehr“. In: O. Schwedes (Hg): „Verkehrspolitik“. 2011, S. 317, 328.

Literatur

  • Günther Hauck: Lästigkeitsunterschied zwischen den Geräuschen des Straßenverkehrs und des Schienenverkehrs. In: Zeitschrift für Lärmbekämpfung. 38, Nr. 6, 1991, ISSN 0174-1098, S. 162–166.
  • K. Jäger: Neue Erkenntnisse bei der Bewertung von Schienenlärm. In: Eisenbahntechnische Rundschau. ETR. 52, Heft 7/8, 2003, ISSN 0013-2845, S. 469–475.
  • Reinhold Kasch, Gesine Vogts: Schienenbonus: Es bleiben Fragen – Führen nur die geänderten Rahmenbedingungen zu steigenden Fahrgastzahlen? In: Der Nahverkehr. 20, Nr. 3, 2002, ISSN 0722-8287, S. 39–43.
  • Manfred Liepert, Ulrich Moehler, Dirk Schreckenberg, Rudolf Schümer, Hugo Fastl: Lästigkeit von Schienen- und Staßenverkehrslärm bei hohen Vorbeifahrhäufigkeiten Ergebnisse einer Feld- und Laborstudie. In: Hugo Fastl, Markus Fruhmann (Hrsg.): Fortschritte der Akustik - DAGA '05. Plenarvorträge und Fachbeiträge zur 31. Jahrestagung für Akustik. Deutsche Gesellschaft für Akustik, Berlin 2005, ISBN 3-9808659-1-6, S. 369–370.
  • Matthias Rombach: Schienenverkehrslärm als Rechtsproblem. Kovač, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4679-0 (Schriftenreihe Studien zum Planungs- und Verkehrsrecht 6), (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2009).
  • Rudolf Schümer, Dirk Schreckenberg, Ute Felscher-Suhr: Wirkungen von Schienen- und Straßenverkehrslärm. Zeus GmbH, Bochum 2003.
  • R. Schümer, A. Schümer-Kohrs: Lästigkeit von Schienenverkehrslärm im Vergleich zu anderen Lärmquellen – Überblick über Forschungsergebnisse. In: Zeitschrift für Lärmbekämpfung. 38, Nr. 6, 1991, S. 1–9.
  • Mareike Schulz, Chajim Meinhold: Quantifizierung des Schienenbonus – Messung des Kundennutzens mittels Choice-Based-Conjoint-Analyse. In: Der Nahverkehr. 21, Nr. 6, 2003, S. 26–29.
  • Dirk Windelberg: Aufweck-Pegel und Lärmpausen bei Schienen- und Fluglärm. In: Immissionsschutz. 9, 2004, ISSN 1430-9262, S. 114–124.
  • Dirk Windelberg: Mathematische Verfahren zur Bewertung und zum Vergleich von Befragungen zur Verkehrslärm-Lästigkeit. In: Fortschritte der Akustik DAGA 2010. 36. Deutsche Jahrestagung für Akustik, 15. bis 18. März 2010 in Berlin. Band 1. Deutsche Gesellschaft für Akustik, Berlin 2010, ISBN 978-3-9808659-8-2, S. 475–476 (Fortschritte der Akustik 36), online (PDF; 8,66 MB).

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