Schienenverkehrslärm


Vom Betrieb von Eisenbahnen und Straßenbahnen verursachte Schallimmissionen werden als Schienenverkehrslärm bezeichnet. Wesentliche Lärmquellen sind Geräusche von Zugfahrten, Anfahrt-, Brems- oder Rangiergeräusche.

Die volkswirtschaftlichen Lärmkosten des Schienenverkehrs in Deutschland werden auf 0,83 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.[1]

Geräuschursachen

Die bei Zugfahrten emittierten Geräusche können im Wesentlichen drei Wirkungsmechanismen zugeordnet werden, die jeweils in einem Geschwindigkeitsbereich den Gesamtpegel der Schallemission bestimmen:

  • Antriebsgeräusche

Im Geschwindigkeitsbereich vom Fahrzeugstillstand bis etwa 40 km/h wird die Geräuschemission durch die Traktionsausrüstung bestimmt. Antriebsgeräusche entstehen durch den Betrieb von Motoren, Getrieben und weiteren Bauteilen des Antriebsstranges einschließlich Nebenaggregaten und Anbauteilen. Antriebsgeräusche werden als Luft- und Körperschall in das Fahrzeuginnere und nach außen weitergeleitet. Sie dominieren, je nach Fahrzeugklasse und Antriebsart, bei niedrigen Geschwindigkeiten und hoher Motorleistung, wie zum Beispiel im Stadtverkehr oder beim Anfahren.

Im Geschwindigkeitsbereich von etwa 40 km/h bis etwa 280 km/h wird die Geräuschemission durch das am Rad-Schiene-Kontakt entstehende Rollgeräusch bestimmt.

  • Aerodynamische Geräusche

Im Geschwindigkeitsbereich oberhalb von etwa 280 km/h wird die Geräuschemission durch aerodynamisch angeregte Geräusche bestimmt. Daneben gibt es vereinzelt auftretende Geräusche wie das Kurvenquietschen und Bremsgeräusche. Werden diese Geräusche als störend empfunden, werden sie zu Lärm, welcher durch seine Lautstärke und Struktur für den Menschen und die Umwelt gesundheitsschädigend bzw. belastend wirkt.

Bewertung

Schienenverkehrsgeräusche werden bei gleichem auf Probanden einwirkenden Mittelungspegel als leiser empfunden, als Straßenverkehrslärm. Dieses wird bei der zum Beispiel vom Neubau von Schienenwegen notwendigen Schallprognose nach der kurz als Schall 03 bezeichneten Richtlinie zur Berechnung der Schallimissionen von Schienenwegen in Deutschland durch einen als Schienenbonus bezeichneten Pegelabschlag von 5 dB berücksichtigt. Für verschiedene Verkehrsträger wird die in der zeitlichen Mittlung physikalisch gleiche prognostizierte Schallimmission also zu unterschiedlichen Beurteilungspegeln führen. Dieser für die Bemessung von Lärmschutzmaßnahmen maßgebende Beurteilungspegel wird für Schienenfahrwege gegenüber dem rechnerischen Prognoseergebnis um 5 dB niedriger sein als bei anderen Verkehrsträgern.

Gegenmaßnahmen

Eine Reduzierung der Schienenverkehrsgeräusche kann durch Maßnahmen an Fahrzeugen und am Fahrweg erreicht werden:

Fahrzeug

  • aeroakustisch günstig geformte Wagenkästen (Vermeidung von Kavitäten im Drehgestellbereich) und Pantografen
  • Einsatz von scheibengebremsten statt klotzgebremsten Fahrzeugen: Mit Grauguss-Bremsklötzen arbeitende Klotzbremsen verursachen aufgerauhte Radfahrflächen, da die Klötze beim Bremsen auf die Radkränze gepresst werden. Dieses führt zu einer deutlichen Erhöhung der Rad-Schiene-Geräusche. Durch den Übergang auf Scheibenbremsen kann der subjektiv wahrgenommene Lärm etwa halbiert (um etwa 10 dB(A) reduziert) werden[2].
  • Komposit-Bremssohlen (so genannte K-Sohlen) statt Grauguss-Bremssohlen. Die Laufflächen der Radsätze rauhen bei Bremsungen mit K-Sohlen nicht auf.
  • Einsatz von Radschallabsorbern, die die Eigenschwingungen der Eisenbahnräder dämpfen.
  • LL-Sohlen (low-low)[3].

Fahrweg

Schallschutzwände entlang der Schnellfahrstrecke Nürnberg–Ingolstadt–München
  • Durch Schienenschleifen kann die Rauheit der Schienenfahrfläche vermindert werden. Damit wird die Anregung des Rad-Schiene-Geräusches vermindert.
  • Besonders überwachtes Gleis: Das Rad-Schiene-Geräusch des besonders überwachten Gleises wird regelmäßig mit dem Schallmesswagen überprüft. Wird dabei eine über einen Grenzwert hinausgehende Schallemission festgestellt, wird ein erneutes Schleifen der Schienenfahrflächen ausgelöst. Als schallmindernde Maßnahme gilt das Begrenzen der Zunahme des Rad-Schiene-Geräusches durch anwachsende Rauheit der Schienenfahrfläche.
  • Schotterbett statt feste Fahrbahn: das Schotterbett wirkt aufgrund seiner porösen Struktur als Absorber.
  • Schallschutzwände: Entlang der Gleise aufgestellte absorbierende Wände absorbieren Schall und behindern die Schallausbreitung. Je näher an der Geräuschquelle die Schallschutzwände aufgestellt werden und je höher die Wände ausgeführt werden, desto wirksamer ist die Schallminderung.
  • Gleisbogenradien unter 200 Meter können zu Kurvengeräuschen führen. Durch das Anlaufen des Spurkranzes des kurvenäußeren Rades an der Schienenflanke entstehen zischelnde Geräusche, durch Quergleiten des kurveninneren Rades entsteht Kurvenquietschen.

Lärmsanierung der Schienenwege

Schienenstegdämpfer im Bahnhof Rathen (Bahnstrecke Dresden–Děčín); die Dämpfer wurden im Frühjahr 2011 als Erprobungsträger auf einzelnen Streckenabschnitten der Elbtalbahn installiert

Im Rahmen des 1999[4] in Deutschland als freiwillige Leistung des Bundes[4] gestarteten Programms „Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes“[4] sollen nächtliche Bahngeräusche für Anwohner auf höchstens 60 dB(A) reduziert werden. Dabei wurden rund 3400 Kilometer Strecken entsprechend klassifiziert.

In einem zweistufigen Verfahren waren von der Deutschen Bahn die am stärksten belasteten Ortsdurchfahrten im deutschen Schienennetz vorgeschlagen worden. Darauf aufbauend entwickelte des Bundesverkehrsministerium eine Dringlichkeitsliste. Im August 2002 wurde dabei die zweite Fortschreibung mit rund 900 Ortsdurchfahrten vorgelegt.[4]

In den Jahren 2003 und 2004 wurden je 51,1 Millionen Euro Mittel aufgewendet. Bis Anfang 2004 waren im Rahmen des Programms rund 58 km Schallschutzwände errichtet und 14.000 Wohnungen mit Schallschutzfenstern ausgestattet worden. Ferner wurden rund 11.500 Lüfter eingebaut und mehr als 300 Dächer schallgedämmt.[4]

Nach Angaben der Deutschen Bahn waren bis Anfang 2007 etwa zehn Prozent davon erreicht, unter anderem durch Errichtung von 136 Kilometer Schallschutzwänden, 72.500 Schallschutzfenstern und 19.300 Lüftern. Der Bund finanzierte das Programm zu Beginn mit 51 Millionen Euro jährlich, 2006 mit 76 Millionen und seit 2007 mit 100 Millionen Euro.[5]

Ferner seien bis Anfang 2007 rund 3100 Güterwagen mit K-Sohlen ausgestattet worden. Eine Umrüstung aller Wagen, einschließlich der zu Privatbahnen, würde etwa 600 Millionen Euro kosten. Die Deutsche Bahn ist nach eigenen Angaben bestrebt, den Einbau derartiger Bremssohlen durch das Lärmsanierungsprogramm fördern zu können.[5]

In der Schweiz wurde die Lärmbelastung durch Schienenwege in den letzten Jahren systematisch erfasst. Es wurden Lärmkarten erstellt, die ausweisen, an welchen Orten der Schienenverkehrslärm ein kritisches Ausmaß erreicht hat oder erreichen wird. Danach sind etwa 300 km Lärmschutzwände erforderlich, um die Lärmbelastung der Bevölkerung unter das gesetzlich vorgeschriebene Niveau zu bringen. Hierfür sind Mittel in der Höhe von 1,85 Milliarden sfr eingeplant (Vorlage „Finanzierung und Bau öffentlicher Verkehr“ von 1998). Der Beginn der Sanierungsmaßnahmen erfolgte im Jahr 2000. Die Ausgaben gliedern sich in 820 Millionen sfr für Verbesserungen am Rollmaterial, 900 Millionen sfr für Lärmschutzwände und 120 Millionen sfr für Schallschutzfenster. Für die Umsetzung der Sanierung ist durch Bundesgesetz eine Frist bis Ende 2015 gesetzt.

Schienenlärmkartierung

Karten zum vorhandenen Lärm an Eisenbahnstrecken

Die Lärmausbreitung und - belastung durch Schienenverkehr ist deutschlandweit durch eine Schienenlärmkartierung erfasst und veröffentlicht worden. Grundlage ist die EG-Umgebungslärmrichtlinie von 2002, die ab 2005 in nationales Recht umgesetzt wurde und für deren Umsetzung das Eisenbahn-Bundesamt für die Eisenbahnstrecken des Bundes zuständig ist.[6]

Als zentrale Ergebnisse stehen Karten in zwei verschiedenen Darstellungen öffentlich zur Verfügung:

Gesetzliche Vorgaben und Richtlinien

Die Europäische Kommission hat bereits 1996 mit dem Grünbuch Lärmschutzpolitik [7] die Belastung durch Lärm als eines der größten Umweltprobleme in Europa bezeichnet. EU-weite, einheitliche Regelungen zu Schallimmissionen sind 2002 mit der EG-Umgebungslärmrichtlinie (2002/49/EG) [8] festgelegt worden.

Im Kern sollen drei Maßnahmen durchführt werden:

  • Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm anhand von Lärmkarten
  • Information der Öffentlichkeit über Umgebungslärm und seine Auswirkungen
  • Aufstellung von Aktionsplänen

Die Zuständigkeit für die Lärmkartierung an den Schienenwegen des Bundes ist 2005 dem Eisenbahn-Bundesamt durch die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) übertragen worden. Dementsprechend ist das Eisenbahn-Bundesamt nicht für das Aufstellen von Aktionsplänen zuständig, die bei entsprechenden Bundes- und Ländergremien liegt.

Methode zur Lärmkartierung der Schienenwege

2005 ist zunächst die EG-Umgebungslärmrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt worden mit dem „Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“[9] vom 24. Juni 2005 und dessen Eingliederung in das Bundes-Immissionsschutzgesetz (§§ 47a ff. BimSchG).

2006 sind die methodischen Grundlagen für die praktische Erstellung der geforderten Lärmkarten geregelt worden. Die deutsche „Richtlinie zur Berechnung von Schallimmissionen von Schienenwegen (Schall 03)“, Ausgabe 1990 entsprach nicht den Vorgaben der EG-Umgebungslärmrichtlinie. Daher ist die „Verordnung über die Lärmkartierung“[10] 2006 als 34.Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz in Kraft getreten.

2007 wurden weitere Einzelheiten in der „Vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Schienenwegen“ [11] festgelegt. Zur Ermittlung der Belastetenzahlen durch Umgebungslärm wurden im gleichen Jahr vorläufige Berechnungsmethode (VBEB) veröffentlicht.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen der angewendeten „Vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Schienenwegen“ und der deutschen „Richtlinie zur Berechnung von Schallimmissionen von Schienenwegen (Schall 03)“, Ausgabe 1990 sind:

  • Der „Schienenbonus“ entfällt. (Geringere Störwirkung von Schienenverkehrsgeräuschen gegenüber dem Straßenverkehr in Höhe von 5 dB(A) im nationalen Recht). In der EU-Umgebungslärmrichtlinie werden die rechnerischen Mittelungspegel gleichartig für alle Verkehrssysteme angesetzt (s.a. Schalldruckpegel).
  • Zusätzliche Geräuschquelle beim Hochgeschwindigkeitsverkehr (In 4,5 m über Schienenoberkante bei Geschwindigkeiten über 200 km/h),
  • Berücksichtigung der schallabschirmenden Wirkung von Hindernissen sowie der Reflexion an schallharten Wänden (Begrenzung auf 1. Reflexion),
  • Keine akustische Unterscheidung der Fahrbahnarten Schotterbett – Holzschwelle und Schotterbett – Betonschwelle (gleicher Ansatz eines Fahrbahnkorrekturwerts von 2 dB).

Die nationalen Berechnungs- und Beurteilungsvorschriften unterscheiden beim Verkehrslärm zwei Zeiträume: Tag (6–22 Uhr) und Nacht (22–6 Uhr) (s. 16. BImSchV). Die EU-Umgebungslärmrichtlinie trennt einen dritten Zeitraum im Übergang zwischen Tag und Nacht ab: „Abend (Evening)“ von 18 bis 22 Uhr. Für die drei Zeiträume wird je ein Lärmindex (LDay, LEvening und LNight) in Form von Mittelungspegeln (A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegeln) berechnet (s.a. Schalldruckpegel). Zusätzlich wird ein Gesamtwert als 24-Stundenwert LDEN ermittelt, der die höhere Empfindlichkeit in den Zeiträumen „Abend“ und „Nacht“ durch Zuschläge berücksichtigt. Immissionen im Abendzeitraum gehen etwa 3-fach, im Nachtzeitraum 10-fach gewichtet in den Gesamtwert LDEN ein.[6] Die Ergebnisse sind als "Lärmkarten" für die deutschen Ballungsräume und für die Schienenwege mit mehr als 60.000 Zugbewegungen pro Jahr veröffentlicht.[12][13]

Siehe auch

  • Besonders überwachtes Gleis
  • Schallmesswagen
  • Bundes-Immissionsschutzgesetz
  • TA Lärm

Literatur

  • VCD-Tagungsband Bekämpfung von Schienenlärm. 4. April 2003.
  • K. Jäger: Neue Erkenntnisse bei der Bewertung von Schienenlärm. In: ETR. 52, Heft 7/8, 2003, S. 469–475.
  • Matthias Rombach: Schienenverkehrslärm als Rechtsproblem. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4679-0.
  • Peter Thomas: Gegen den Lärm der Güterzüge. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. Oktober 2012, ISSN 0174-4909, S. T1 (Online-Version des Artikels [abgerufen am 12. Oktober 2012]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gustav Herzog, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2056 –: Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes im Landverkehr. Drucksache 17/2638 vom 26. Juli 2010, S. 11.
  2. Rudolf Breimeier: Halbierung des Güterzuglärms möglich. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 7/2002, ISSN 1421-2811, S. 343–345.
  3. Pilot- und Innovationsprogramm "Leiser Güterverkehr". Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (bmvbs), 28. Februar 2012, abgerufen Format invalid.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Meldung Lärmsanierung läuft. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 5/2004, ISSN 1421-2811, S. 194 f.
  5. 5,0 5,1 Auf leisen Sohlen. In: mobil. Mai 2007, S. 44 ff.
  6. 6,0 6,1 Eisenbahnbundesamt: Umgebungslärmkartierung, Bonn, abgerufen am 12. Feb. 2012 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „eba-laermkartierung“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  7. EU-Kommission (Hrsg.): Grünbuch Lärmschutzpolitik , Brüssel, 1996
  8. (2002/49/EG) EG-Umgebungslärmrichtlinie , Brüssel, 2002
  9. Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm Berlin, 2005
  10. Verordnung über die Lärmkartierung , Berlin, 2006
  11. Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Schienenwegen Berlin 2007
  12. Eisenbahnbundesamt: Kartenservice der Ballungsräume, Bonn, abgerufen am 12. Feb. 2012
  13. Eisenbahnbundesamt: Kartenservice der Haupt- und Parallelstrecken, Bonn, abgerufen am 12. Feb. 2012

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