Tarnnetz


Ein mit einem Tarnnetz und Gras versehener Roland II-Flugabwehrpanzer der Bundeswehr, 1985
M113 Panzermörser 120 mm mit Tarnnetz, Februar 2004

Tarnnetze dienen im Militär dem Sichtschutz vor gegnerischer Aufklärung. Sie imitieren pflanzliche Vegetation. Sie werden beispielsweise über Stellungen, Bunkern, Gebäuden, Radarstellungen, Panzern, Panzerhaubitzen und Flugabwehrgeschützen aufgehängt beziehungsweise gelegt und gegebenenfalls - je nach regionaler Vegetation - mit eingeflochtenen Zweigen, Buschwerk, Gräsern und Stofffetzen ergänzt, um die Tarnwirkung noch zu verbessern. Einige Versionen sind durch Imprägnierung witterungs- und fäulnisbeständig und zudem feuerhemmend.

Geschichte

Erster Weltkrieg

Ein von deutschen Soldaten erbeuteter englischer Mark I Panzer wird mit einem Tarnnetz gegen Feindfliegersicht getarnt, Dezember 1917

Die militärische Nutzung und Herstellung von Tarnnetzen wurde zum Ende des Ersten Weltkrieges forciert, nachdem die Tarnung von Stellungen und Bereitstellungsräumen gegen die nunmehr aktive Luftaufklärung notwendig geworden war. Der konturauflösende Tarnanstrich alleine war nun nicht mehr ausreichend, es bestand der Bedarf an künstlichen Tarnmitteln, da zur Tarnung verwendete Zweige rasch verdorrten und in den Wintermonaten keine Belaubung vorhanden war. Das schwere Gerät von Artillerie und Kampftruppe musste nun mit künstlichen Tarnmitteln gegen Luftaufklärung geschützt werden. Zunächst behalf man sich mit Zeltplanen mit Tarndruck und Sackleinen, die keiner weiteren Behandlung unterzogen wurden. Die französische Armee setzte hier Maßstäbe und setzte einen Kunstmaler ein, der es verstand, durch Bemalung dieser Stoffe die Natur, Licht, Schattenwurf und Metall so zu imitieren, dass die getarnten Geschütze und Protzen tatsächlich auch für geübte Augen unsichtbar wurden. Dieser französische Maler erreichte sogar den Dienstgrad eines Hauptmannes, ein Zeichen der Wertschätzung seiner Arbeit und des Bewusstseins, dass gute Tarnung Blut sparen kann. Aus dieser Tarnarbeit ging der Bau von Baumattrappen als Beobachtungsstand, oder die perfekte Tarnbemalung von Bunkern hervor. Die Bestückung von Netzen mit solchen bemalten Stofffetzen war eher eine Notlösung, da es nicht möglich war alle Verbände mit den bemalten Planen auszurüsten. So wurde versucht, durch das Bestücken von Netzen eine, wenn auch schlechter beurteilte, größere Versorgungsdichte zu erreichen. Schließlich stellte man fest, dass gewitzte Soldaten die Netze mit natürlichem Tarnmaterial ergänzten und so die ideale Grundtarnausstattung ein grundlegend bestücktes Netz sein sollte, welches von der Truppe durch Maßnahmen vor Ort der Umgebung angepasst werden konnte.

Zwischen den Weltkriegen

In der Zwischenkriegszeit wurde dann durch die defensive Planung der Landesverteidigung und den Bau von Festungswerken entlang von Landesgrenzen der Bedarf an entsprechenden Tarnnetzen so groß, dass nunmehr die Fertigung der Netze industriell erfolgte. Die Garnierung der Netze wurde mit sackleinenartigen Stoffstreifen ausgeführt, welche mit sogenannten Indanthrenfarben getränkt waren, um diese in Tarnfarbe (dunkles Grün) einzufärben und das Material dadurch vor dem Verwittern und Verrotten zu schützen. Die Garnierung wurde schneckenförmig und in Zick-Zack-Linien durch das Netz verwoben und durch Verknoten fixiert. Diese Art von Netzen ist oft auf alten Bildern von den Atlantikwall-Stellungen oder der Siegfriedlinie zu sehen - hier ist auch erkennbar, dass die Tarnwirkung zur Verschleierung von Umrissen und damit dem Erschweren einer genauen Aufklärung wohl leidlich ausreichend waren, die Netze jedoch selten von der Truppe vor Ort durch weitere Tarnmaßnahmen ergänzt wurden. Diese Tarnnetze, zumindest auf deutscher Seite, waren "lieblos" aus einfarbigen Komponenten gefertigt und man kann leicht zu dem Eindruck gelangen, dass sie als perfekte Tarnung empfunden wurden, zumindest bis zu dem Tag, an dem die Alliierten die Luftüberlegenheit errangen und die Kunst der Tarnung über den Fortbestand, ja das Überleben auf dem Gefechtsfeld entschied.

Zweiter Weltkrieg

Deutsche Soldaten neben einer Haubitze in einer befestigten Stellung, die von einem Tarnnetz bedeckt ist
Der schwere Kreuzer USS New Orleans wurde während Reparaturarbeiten bei Tulagi mit einem Tarnnetz abgedeckt, 1. Dezember 1942

Im weiteren Kriegsverlauf wurde den Tarnmaßnahmen aus schierer Notwendigkeit eine hohe Aufmerksamkeit beigemessen. So wurden nun auch Handbücher und Vorschriften verfasst und illustriert, um die Truppe mit Maßnahmen vertraut zu machen, die aufgrund der Luftüberlegenheit der Gegner zwingend erforderlich wurden.

Ein weiterer massiver Einschnitt war die konsequente Verwendung von Farbfilmmaterial zur Aufklärung, so dass zum Kontrast der Aufnahmen nun auch deutlich die Farben zur Erkennung hinzugezogen werden konnten.

Fotografien und Aufnahmen aus den Bereitstellungsräumen in der Normandie zeigen, dass alle Fahrzeuge, Handkarren, ja sogar Stahlhelme in Tarnfarben lackiert wurden, um möglichst unsichtbar für die feindlichen Jagdbomber zu sein. Panzer wurden mit Flachnetztarnungen perfekt in Wäldern versteckt und konnten eigentlich nur noch bei Nacht oder unter starkem Flugabwehr-Schutz operativ am Tage eingesetzt werden.

Die alliierten Verbände benutzten Tarnnetze, die ebenfalls mit Stoffstreifen garniert waren, diese waren jedoch wesentlich größer und einzelne Stofffetzen waren so groß wie Putzlappen, so war die Fernwirkung und Dichte dieser Netze effektiver.

Sogar Kriegsschiffe, die für Reparaturen in Häfen lagen oder „feldmäßige Reparaturen“ durchführen mussten und somit ein leichtes Ziel für feindliche Kampfflugzeuge und Schiffe waren, wurden mit Tarnnetzen abgedeckt, um sie zu verbergen. So wie beispielsweise der beschädigte schwere Kreuzer USS New Orleans nach der Schlacht bei Tassafaronga bei Tulagi im Jahr 1942.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

An Kriegsschauplätzen wie z.B. Nordafrika wurden Netze verwendet, die völlig ohne Garnierung eingesetzt wurden und dafür aus sehr dicken Strängen gefertigt waren. Teilweise wurden die Netze mit naturfarbenen Sackleinenstreifen ergänzt.

Grundsätzlich war die Einführung der Tarnnetze auch aus psychologischer Hinsicht für die Truppen wichtig, die Abschirmung gegen Feindsicht vermittelte eine gewisse Sicherheit und das Gefühl "ein Dach über dem Kopf zu haben". Die tatsächliche Wirkung und der Erfolg der Tarnmaßnahmen hing jedoch originär vom nutzenden Truppenteil ab, der auch die erweiterten Tarnmaßnahmen umsichtig durchführen und z.B. Fahrzeugspuren, die unter die Netze führten, verschleiern musste.

Gegenwart

Ein schwedischer Leopard 2 Kampfpanzer mit neuartigem maßgeschneidertem Tarnnetzbezug
Jäger mit einem kommerziell gefertigtem Ghillie-Anzug und Fernglas

Auch in unseren Tagen ist das Tarnnetz nicht mehr aus dem militärischen Gebrauch wegzudenken. Trotz Wärmebildgeräten und Infrarot (die Netze schützen mittlerweile auch bedingt gegen diese Aufklärungsmittel) sind Tarnnetze unvermindert im Einsatz. Jedes Land hat hier eigene Denkprozesse umgesetzt und Forschung betrieben, so gibt es für jedes Gelände, ob Wüste oder Grasland, Wald oder Eiswüste, das passende Tarnnetz.

Die neueste Spielart sind sogenannte Lightweight Systeme, die lediglich aus einer ultraleichten Garnierung bestehen und auf ein tatsächliches Netz verzichten. Diese "Netze" können auf kleinstes Packmaß komprimiert werden und dienen zur Tarnung einzelner Soldaten oder Kleingerät von Spezialeinheiten. Auch gibt es Tarnanzüge (Ghillie-Anzug), denen die Tarnnetzgarnierung direkt auf die Bekleidung genäht wurden, um die persönliche Tarnung einzelner Soldaten wie beispielsweise Scharfschützen zu erhöhen. Es gibt zum Teil schon bei NATO-Staaten zugeschnittene Tarnnetzbezüge für Kampfpanzer in Wald- und Wüstentarn, die nun nicht mehr nur einfach ein Tarnnetz übergeworfen bekommen.

Tarnen ist auch noch heute als Kunst zu verstehen; der Blick für die Umgebung und das Anpassen der Tarnung an diese Gegebenheiten ohne eine künstliche Auffälligkeit zu schaffen, ist dabei die Zielsetzung. Die Tarnung soll einem Gegner keinerlei Möglichkeit zur genauen Zielansprache geben. Markante Geländepunkte sind hierbei konsequent zu vermeiden.

Bundeswehrsoldaten benutzen gelegentlich improvisierte, eigens zugeschnittene Tarnnetzstücke, um ihre Helmtarnung zu verbessern. Der Helm hat zwar bereits einen „dienstlichen“, getarnten Helmbezug aus Stoff, woran sich Befestigungsmöglichkeiten in Form von Schlaufen für Pflanzenmaterial (Zweige, Buschwerk, Gräser) befinden, dennoch, wenn der Vorgesetzte es gestattet, liegen die Vorteile auf der Hand; das Pflanzenmaterial verwelkt mit der Zeit und muss ständig erneuert werden, während der improvisierte Tarnnetzbezug hält.

Während Auslandseinsätzen der Bundeswehr werden in gefährdeten Feldlagern zum Teil die Fensterinnennseiten der Gebäude behelfsmäßig mit Sandsäcken verstärkt und mit zugeschnittenen Tarnnetzstücken, die wie Gardinen wirken, versehen. Dies soll dem Sichtschutz zum Schutz vor Scharf- und Heckenschützen dienen, die dann durch das Fenster keinen Soldaten mehr gezielt anvisieren können.

Heutzutage werden auch knallbunte Tarnnetzversionen als Dekoration hergestellt und in Armeeläden (engl.: Army Shops) angeboten. Sie werden an Wänden und Decken auf Veranstaltungen wie beispielsweise einem Ravekonzert auf der Bühne aufgehängt. Man bediente sich, bevor es diese extra für Dekorationszwecke gefertigte Tarnnetze gab, militärischer Originale. Heute werden weiterhin überwiegend militärische Tarnnetze für Dekorationszwecke benutzt.

Jäger benutzen Tarnnetze, um ihre Hochsitze vor dem Wild zu tarnen. Auch bedienen sich manche Jäger an kommerziellen oder militärischen Tarnnetz-Ghillie-Anzügen, um sich anzupirschen.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Tarnnetze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Tarnnetz selber bauen – Lern- und Lehrmaterialien