Zeitgefühl


Das Zeitgefühl – auch: die Zeitempfindung – bezeichnet eine Fähigkeit bei Menschen und Tieren, zu bestimmten Abläufen von Vorgängen die Dauer des objektiven Vorgangs abzuschätzen, wobei subjektive Eindrücke der Verlaufsdauer entstehen.

Beschreibung

Untersuchungen haben ergeben, dass es für die Dauer eines objektiven Vorgangs keine speziellen Zellen im Gehirn gibt, die eine Messung des Zeitablaufs vornehmen. Das Gehirn stützt sich bei der Einschätzung der Verlaufsdauer eines objektiven Vorgangs auf ein Maß der geistigen Tätigkeiten, die aus der Beschäftigung während des Vorgangs resultieren. Dabei stellen sich folgende Empfindungen ein:

  1. Erregt ein objektiver Vorgang eine hohe geistige Tätigkeit, so entsteht die Vorstellung, dass der Vorgang längere Zeit andauert
  2. Erregt ein objektiver Vorgang eine geringe geistige Tätigkeit, so entsteht die Vorstellung, dass der Vorgang nur geringe Zeit andauert

Unter geistige Tätigkeit ist hierbei die Anzahl der Denkprozesse im Gehirn zu verstehen. Eine typische Versuchsanordnung ist das Abschätzen des Zeitabstands zwischen zwei Signalen, die sinnlich wahrgenommen werden. Sind die Signale der Versuchsperson bekannt, so wird das Intervall zwischen den bekannten Signalen kürzer eingeschätzt als zwischen zwei unbekannten Signalen, wobei die Versuchsanordnung immer gleiche Zeitintervalle zwischen den bekannten und unbekannten Signalen wählte.

Eine weitere Schlussfolgerung über die Empfindung der Zeitdauer einer zurückgelegten Strecke ergibt sich aus den Eindrücken bei der Fahrt zur Arbeitsstätte. Dabei entsteht der Eindruck, dass die Rückfahrt kürzer andauert als der Hinweg zur Arbeit, weil der Rückweg als bekannt erscheint und weniger Aufmerksamkeit mit Denkprozessen erfordert.

Bezüglich des allgemeinen Zeitgefühls in Abhängigkeit vom Lebensalter kann folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Beim älteren Menschen kommt es weniger häufig vor, dass er sich mit neuen Eindrücken beschäftigen muss - also herrscht beim älteren Menschen der Eindruck vor, die bekannten Vorgänge verlaufen schneller.

Das Empfinden, warum bei einem "Wartezustand", also bei einem Zustand, wo man auf den Beginn eines objektiven Vorgangs wartet, das Zeitempfinden von einer immer längeren Zeitdauer des Verlaufs des Wartens ausgeht, ist noch nicht geklärt. Offensichtlich findet aber beim Menschen bei einer direkten Fixierung auf einen Zeitabschnitt das Empfinden der Zeitdauer als Umkehrung statt: vermutlich wird dabei jede Zeitempfindung blockiert.

Versuche an Rhesus-Affen an der University of California, San Francisco (1) zeigten bei den Tieren eine Einschätzung des Zeitablaufs, die von dem Bewegungssehen eines sich bewegenden Objekts abhängt. Nach einer gewissen Wiederholung des Vorgangs hatte sich bei den Affen eine Vorstellung entwickelt, wann das Objekt seine Richtung wechselt (2). Eine Ablenkung der Affen durch andere Reize schlug fehl. Dabei erhielten die Affen eine Einschätzung der Zeitdauer von der Bewegung des Objekts durch das Verhältnis von der Geschwindigkeit des Objekts zur jeweils durchlaufenden Strecke.

Damit können folgende Erkenntnisse über das Zeitgefühl vermutet werden:

  1. Das Zeitgefühl beim Menschen entsteht mit dem Ablauf einer Tätigkeit und der damit verbundenen Denkprozesse
  2. Das Gehirn spielt dabei insofern eine Rolle, dass im Kleinhirn koordinierende Funktionen wirken
  3. Aus pathologischen Befunden der Verletzungen in dieser Gehirnregion ergibt sich keine erkennbare Beeinträchtigung des Zeitgefühls, womit die Vermutung erhärtet wird, dass es keine spezielle Gehirnregion für das Zeitgefühl gibt

Planungstypen

In der Chronopsychologie wird unterschieden zwischen Through-timern und In-timern, die es in einem Verhältnis von 50:3 geben soll. Es sind zwei verschiedene Planungstypen in der Wahrnehmung des Zeitverlaufs bekannt:

- Die Through-timer planen ihren Tages- und Wochenablauf termingerecht, halten sich an festgelegte Zeiten und überblicken größere Zeitspannen.

- Die In-timer dagegen sehen vor allem den jeweiligen Moment und leben im Augenblick. Deshalb kann es zu Schwierigkeiten mit ihrer Pünktlichkeit kommen.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • (3) Neuron, Bd. 45, S. 157, 2005
  • Stefan Klein: Zeit. Der Stoff aus dem das Leben ist. S. Fischer, Frankfurt 2006, ISBN 3-100-39610-3

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