Zwergelefant


Als Zwergelefanten bezeichnet man eine Reihe von großteils ausgestorbenen, kleinwüchsigen Elefantenformen, die sich im Eiszeitalter auf verschiedenen Inseln entwickelt haben. Bis heute überlebt hat der Borneo-Zwergelefant. Daneben wird über die Existenz eines Zwergelefanten spekuliert, der im afrikanischen Regenwald vorkommen soll.

Insel-Zwergelefanten

Skelett eines Kreta-Zwergmammuts (Mammuthus creticus)

Als Zwergelefanten oder besser Insel-Zwergelefanten bezeichnet man eine Reihe von kleinwüchsigen Elefanten der Gattungen Elephas und Mammuthus. Dabei ist die Zwergwüchsigkeit eine Anpassung an den verkleinerten Lebensraum auf den Inseln, das verringerte Nahrungsangebot und der Absenz von Raubtieren. Derartige verkleinerte Inselformen kamen als Ergebnis eines als Inselverzwergung bezeichneten Prozesses im Laufe der Rüsseltierevolution häufiger vor, wie z. B. die Stegodons auf den Inseln Südostasiens. Neben den Elefanten unterlagen auch andere großwüchsige Säugetiere, wie etwa das Flusspferd mit der Art Hippopotamus melitensis auf einigen Mittelmeerinseln dem Prozess der Inselverzwergung. Solche Populationen sind jedoch anfällig gegen Änderungen der Umweltbedingungen wie Naturkatastrophen oder Einflüsse des Menschen.

Europäische Inselelefanten

Auf einigen Inseln des Mittelmeers lebten im Pleistozän Zwergformen, die sich zu einem Großteil aus dem Europäischen Waldelefanten Elephas antiquus entwickelten. Weiterhin kommen auch Arten vor, wenn auch seltener, die auf die Gattung Mammuthus zurückzuführen sind. Deren Ausgangsformen können einerseits der Südelefant (Mammuthus meridionalis) andererseits auch das Steppenmammut (Mammuthus trogontherii) sein.

Sizilianischer Zwergelefant

Dazu gehörte u. a. der Sizilianische Zwergelefant (Elephas falconeri) mit einer Schulterhöhe von etwa einem Meter und einem Gewicht von rund 170 kg. Diese Art kam sowohl auf Sizilien als auch auf Malta vor, die beide in den Kaltzeiten des Pleistozäns, als der Meeresspiegel deutlich niedriger lag als heute, einen wohl enger geschlossenen geographischen Raum bildeten. Die Art entstand im mittleren Pleistozän in einer ersten Phase der geographischen Isolierung. Eine zweite Phase der Isolierung führte im späten Pleistozän auf Sizilien und Malta zur Bildung der Art Elephas mnaidriensis, die etwas weniger als 2 m an der Schulter maß und bis zu 2,5 t wog.[1][2] Dagegen ist der ehemals als Maltesischer Zwergelefant beschrieben Elephas melitensis identisch mit Elephas mnaidriensis.[2][3]

Tilos-Zwergelefant

Auch auf den heute teilweise winzigen Inseln des Dodekanes (Tilos) und der Kykladen in der Ägäis, gab es ähnliche Formen. Eine davon war der Tilos-Zwergelefant (Elephas tiliensis) mit einer Schulterhöhe von 1,4 m und einem rekonstruierten Gewicht von 650 kg.[2] Eines der jüngsten datierten Skelette von der Insel Tilos weist ein Alter von 2400 v. Chr. auf,[4] der letzte Nachweis liegt bei etwa 1300 v. Chr.[2] Es ist daher möglich, dass bronzezeitliche Kulturen des Mittelmeerraums diesen Zwergelefanten begegnet sind und etwas mit deren Aussterben zu tun hatten; ob Darstellungen auf altägyptischen Wandmalereien solche Zwergelefanten zeigen, ist bis heute ein Streitpunkt.[5] Die Schädel der Zwergelefanten könnten im Altertum zur Entstehung der mediterranen Sage von den Zyklopen beigetragen haben, da Elefanten in der Mitte der Stirn eine einzige Nasenöffnung besitzen, die man leicht als Auge missdeuten kann.[6]

Zypern-Zwergelefant

Eine mit nur 250 kg sehr kleine Zwergform stellte der Zypern-Zwergelefant (Elephas cypriotes) dar, der bis etwa 9500 v. Chr. nachzuweisen ist, [2] und mit einiger Sicherheit von den ersten Besiedlern der Insel ausgerottet wurde.

Sardisches Zwergmammut

Dazu zählte u. a. das im Spätpleistozän auf Sardinien vorkommende Mammuthus lamarmorai, welches etwa 1,5 m groß wurde und rund 800 kg wog.[2][7]

Kreta-Zwergmammut

Ein weiterer Vertreter war das ursprünglich in seiner taxonomischen Stellung umstrittene, stark verzwergte Kreta-Zwergmammut (Mammuthus creticus) aus dem Frühpleistozän,[2] welches vor einigen Jahren mittels molekulargenetischen Untersuchungen als tatsächlich zu den Mammuts zu zählende Art identifiziert wurde.[8] Neueren Untersuchungen zufolge ist diese Mammutart mit eine Schulterhöhe von 1,1 m und einem Gewicht von rund 310 kg die bisher kleinste bekannte Form dieser Rüsseltiergattung.[9]

Inselelefanten im Arktischen Ozean

Das Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius) entwickelte eine verzwergte Inselvariante auf der sibirischen Wrangel-Insel im Arktischen Ozean, auf dem die letzte Population dieser Art noch bis vor etwa 4000 Jahren überlebte, also lange, nachdem das Mammut auf dem Festland ausgestorben war. Diese Tiere erreichten eine Schulterhöhe von rund 1,8 m bei einem Gewicht von gut 2 t.[10] Etwas größer waren Vertreter des Wollhaarmammuts auf den Pribilof-Inseln vor der Küste Alaskas, die ebenfalls erst im Holozän, aber etwas früher als die Mammuts der Wrangel-Insel ausstarben.[11]

Inselelefanten im Pazifischen Ozean

Auf den Kanalinseln vor der Küste Kaliforniens lebte im Jungpleistozän Mammuthus exilis. Diese Zwergform wurde zwischen 1,2 und 1,8 m groß und geht vermutlich auf das Präriemammut (Mammuthus columbi) des nordamerikanischen Festlandes zurück. Die Mammutart starb am Ende des Pleistozäns aus.[12]

Zwergelefanten des Südostasiatischen Archipels

Mit Elephas celebensis entwickelte sich auf Sulawesi, dem früheren Celebes, auch in Südostasien eine Zwergelefantenart. Alle diese auf kleineren Inseln lebenden Arten sind ausgestorben. Die auf Borneo lebenden Borneo-Zwergelefanten (Elephas maximus borneensis) sind eine Unterart des Asiatischen Elefanten (Elephas maximus).

Afrikanischer Zwergelefant

Der Afrikanische Zwergelefant (Loxodonta pumilio) ist eine Elefantenart, deren Existenz als eigene Art von der Wissenschaft nicht anerkannt wird, obwohl die Kryptozoologie eine Reihe von direkten und indirekten Hinweisen zusammengetragen hat.

Der Zwergelefant lebt angeblich im tropischen Regenwald Zentralafrikas und teilt sich dort seinen Lebensraum mit dem Waldelefanten (Loxodonta cyclotis). Um die vorletzte Jahrhundertwende soll ein Zwergelefant im Hamburger Tierpark gelebt haben, was durch Fotos belegt wird. Dieser wurde von Professor Theophil Noack 1906 unter dem Artnamen Loxodonta pumilio beschrieben. Der Zwergwuchs des Tieres könnte, kritischen Stimmen zufolge, jedoch auch durch einen genetischen Defekt hervorgerufen worden sein.

Fallweise wurden auch kleinere Herden von mutmaßlichen Zwergelefanten gesichtet. Die dabei gemachten Fotos sind aber meist wegen der großen Entfernungen und der schlechten Wiedergabe der Größenverhältnisse nicht sehr aussagekräftig. Manche Zoologen gehen davon aus, dass es sich bei solchen Herden um verwaiste Jungtiere handeln könnte. Es wäre möglich, dass diese verwaisten Elefanten, die ohne Mutter aufwachsen mussten, wegen der schlechteren Ernährungsbedingungen in ihrer Erscheinungsform (Phänotyp) verkümmert sind.

Eine andere Hypothese lautet, dass der Zwergelefant eine weitere Unterart des Afrikanischen Elefanten sei, die kleiner und damit besser an das Leben im Wald angepasst sei. Solange keine Zwergelefanten direkt beobachtet werden, kann diese Kontroverse nicht entschieden werden.

Siehe auch

Literatur

  • Jordi Augusti: Mammoths, Sabertooths and Hominids 65 Million Years of Mammalian Evolution in Europe. Columbia University Press, New York NY u. a. 2002, ISBN 0-231-11640-3
  • Erich Thenius: Grundzüge der Faunen- und Verbreitungsgeschichte der Säugetiere. Gustav Fischer, Stuttgart 1980, ISBN 3-437-30312-0
  • Harald Gebhardt und Mario Ludwig: Von Drachen, Yetis und Vampiren - Fabeltieren auf der Spur. BLV-Verlag, München, 2005, ISBN 3-405-16679-9

Einzelnachweise

  1. George Zammit Maempel: Għar Dalam. Cave and deposits. Malta, 1989
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Maria Rita Palombo: Elephants in miniature. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 275–295
  3. Lucia Caloi, Tassos Kotsakis, Maria Rita Palombo und Carmelio Petronio: The Pleistocene dwarf elephants of Mediterranean islands. In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 234-239
  4. G. E. Theodorou: Die fossilen Zwergelefanten der Höhle „Charkadio“ auf der Insel Tilos, Athen 1983 (= Dissertation an der Dodekanes Univ.).
  5. Baruch Rosen: „Mammoths in ancient Egypt?“, in: Nature 369, 1994, S. 364-365.
  6. Hans Dietrich Kahlke: Das Eiszeitalter. Leipzig, Jena, Berlin, 1981
  7. R. Melis, Maria Rita Palombo und M. Mussi: Mammuthus lamarmorae (Major, 1883) remains in the pre-Tyrrhenian deposits of San Giovanni in Sinis (Western Sardinia, Italy). In: G. Cavarretta et al. (Eds.): The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche. Rom, 2001, S. 481–485
  8. Nikos Poulakakis, Aris Parmakelis, Petros Lymberakis, Moysis Mylonas, Eleftherios Zouros, David S. Reese, Scott Glaberman und Adalgisa Caccone: Ancient DNA forces reconsideration of evolutionary history of Mediterranean pygmy elephantids. Biological Letters (The Royal Society) 2006, S. 1-4
  9. Victoria L. Herridge und Adrian M. Lister: Extreme insular dwarfism evolved in a mammoth. Proceedings of the Royal Society series B 2012 doi:10.1098/rspb.2012.0671
  10. Adrian M. Lister: Mammoths in miniature. Nature 362, 1993, S. 288-289
  11. J. M. Enk, D. R. Yesner, K. J. Crossen, D. W. Veltre und D. H. O’Rourke: Phylogeographic Analysis of the mid-Holocene Mammoth from Qagnax Cave, St. Paul Island, Alaska. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 273 (1-2), 2009, S. 184-190
  12. V. Louise Roth: Pleistocene dwarf elephants from the California Islands. In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 249–253

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