12.000 Jahre alt: Zerstörungsfreie Methode datiert Felskunst im Amerikanischen Westen



Bio-News vom 27.01.2022

In Stein gravierte menschenähnliche Wesen, fantastische Tiergestalten oder geometrische Muster: Felsbilder sind oft Jahrtausende alt und erlauben uns einzigartige Einblicke in die geistige Welt unserer Vorfahren. Die zeitliche Einordnung dieser Felsgravuren, auch Petroglyphen genannt, bleibt jedoch eine Herausforderung.

Forschenden des Max-Planck-Instituts für Chemie ist es nun gelungen, ihre Methode zur Datierung von Felszeichnungen auf Nordamerika zu übertragen. Die Analysen zeigen, dass Felskunst im Great Basin, einer Region im Westen der U.S.A., über zwölf Jahrtausende erzeugt und kontinuierlich erneuert wurde. Künstler griffen dabei immer wieder auf die gleichen Werke zu und versahen sie mit neuer Bedeutung, so die Erkenntnis.

Um das Alter der in die Felsen geritzten Figuren verlässlich einzuschätzen, ermittelten die Wissenschaftler von den Elementen Mangan und Eisen die Masse pro Fläche, die sogenannte Flächendichte, in der Felsoberfläche. Beide Stoffe sind in der Gesteinslack genannten Kruste enthalten, die sich auf Felsen als dünner, dunkler Überzug ablagerte. Nach dem Einritzen bildet sich diese Schicht erneut und wächst mit den Jahren. „Wir haben intakten Gesteinslack mit dem Lack der Gravuren verglichen und konnten diese so chronologisch einordnen“, erklärt Meinrat O. Andreae. Der emeritierte Direktor des Mainzer Instituts führte gemeinsam mit seiner Frau, der Biogeowissenschaftlerin Tracey Andreae, insgesamt 461 Messungen direkt vor Ort mithilfe eines tragbaren Röntgenfluoreszenzgerätes durch. Zudem wird der Gesteinslack durch die Messungen nicht zerstört oder angegriffen.


Fundstelle Legend Rock: Darstellung eines großen, menschenähnlichen Wesens, auch Anthropomorph genannt.
Meinrat O. Andreae nimmt Messungen am Gesteinslack mithilfe eines tragbaren Röntgenfluoreszenzgerätes vor.

Vier Fundorte in Idaho, Wyoming, und im Süden von Montana

Das Team konzentrierte sich auf die Felskunst an vier Fundorten in Idaho, Wyoming und im Süden von Montana im nordöstlichen Teil des Great Basin. Hier liegt unter anderem das Kulturareal der Shoshonen-Indianer. In diesem Gebiet erstreckt sich die vielfältige Felskunst über eine breite Zeitspanne, die von der paläo-indianischen Epoche vor rund 15.000 Jahren bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Ein weiterer Vorteil: Die Wissenschaftler konnten ihre eigene Methode durch Messungen von Felsgravuren ergänzen, deren Alter zuvor mithilfe unabhängiger, geochemischer Methoden datiert wurde. Beide Altersschätzungen stimmen überein und bestätigten sich somit gegenseitig. Auch der Abgleich mit anderem, archäologisch datierbarem Material an den Fundorten der Felskunst unterstützte die Altersschätzungen der Forscher.

Lineare, konstante Ablagerungsraten von Mangan im Felslack

Weitere Gewissheit über die korrekte Datierung erlangten die Forscher, indem sie ermittelten, auf welche Weise sich Mangan im Laufe der Jahrtausende im Felslack abgelagert hat. Sie vermuteten ein relativ gleichmäßiges Wachstum des Lackes. Zur Erhärtung dieser Hypothese zogen sie Analysen von Felsflächen zu Rate, von denen zweifelsfrei feststeht, wann sie sich gebildet haben. Im Great Basin erfüllen diese Bedingung zwei Arten von Oberflächen: Die melonenartig geformten Basalt-Felsbrocken im Snake River-Valley, die vor 14.500 Jahren geologisch abgetragen wurden, und zwei circa 2.000 Jahre alte Basaltlavaströme im Craters of the Moon National Monument. Tatsächlich waren die Ablagerungsraten zu beiden Zeiten nahezu konstant, was auf eine annähernd lineare Ablagerung schließen lässt.



Allein im Celebration Park, einem der Fundorte in Idaho, decken die Felsgravuren eine Spanne von rund 10.000 Jahren ab. Die frühesten Bilder dort waren abstrakte Formen. Später kamen repräsentative, gegenständliche Darstellungen hinzu. An anderen Orten wiederum dominierten die gegenständlichen Figuren zuerst und abstrakte Muster folgten später.

Breites Spektrum von Stilen und Motiven

Insgesamt machten Andreae und seine Frau an den Fundstätten ein breites Spektrum an Stilen und Motiven aus, angefangen von Strichzeichnungen abstrakter geometrischer Muster bis hin zu großen, menschenähnlichen Wesen, sogenannten Anthropomorphen.

„Mit unserer Methode stellen wir eine Verknüpfung zwischen den Natur- und Humanwissenschaften her. Sie ermöglicht Altersschätzungen für eine statistisch relevante, große Anzahl von Felskunst-Elementen – und das mit geringem Aufwand und vor allem ohne zerstörerische Probennahmen“, resümiert Andreae die Ergebnisse der Studie im Nordamerikanischen Becken. Weitere Expeditionen in Saudi-Arabien, wo es ebenfalls zahlreiche gut erhaltene Petroglyphen gibt, plant der Max-Planck-Forscher bereits.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Chemie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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