Auf dem Weg zur fischfreundlichen Wasserkraft



Bio-News vom 27.10.2020

In dem europaweiten Projekt „FIThydro“ haben Forscherinnen und Forscher in Zusammenarbeit mit Industriepartnern bestehende Wasserkraftwerke untersucht. Diese Ergebnisse nutzten sie, um neue Methoden und Technologien zu entwickeln. Dazu gehören ein Gefährdungsindex für Fischarten, Simulationen der Fischwanderung und ein frei verfügbares Onlinetool für die Kraftwerksplanung.

Wasserkraft ist eine der wichtigsten und meistgenutzten regenerativen Energiequellen weltweit. Der große Vorteil: Anders als Windkraft und Sonnenenergie unterliegt sie nur geringen wetterbedingten Schwankungen. Allerdings ist der Einsatz von Wasserkraftwerken auch mit großen Eingriffen in die Umwelt verbunden. Flüsse werden aufgestaut, die aquatischen Lebensräume verändert, und Fische können durch die Turbinen, das Überfallwehr oder Gitter tödlich verletzt werden.

Dass diese negativen ökologischen Effekte so gering wie möglich ausfallen, dafür soll unter anderem die Europäische Wasserrahmenrichtlinie sorgen. Allerdings erfüllen vor allem ältere Wasserkraftwerke die neuen Anforderungen oft nicht und müssen für eine erneute Zertifizierung nachgerüstet werden. Mit welchen Maßnahmen dies auch ökonomisch zu bewältigen ist, muss für jedes Kraftwerk individuell entschieden werden. „Es ist wichtig, existierende Lösungen an die standortspezifischen Gegebenheiten jedes Kraftwerks anzupassen“, erklärt Prof. Peter Rutschmann vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TUM.


Das Wasserkraftwerk Altusried an der Iller.

Publikation:


Dr. Ulrich Marsch
Auf dem Weg zur fischfreundlichen Wasserkraft

Technische Universität München



Europaweite Untersuchungen an Kraftwerken

Eine Arbeitsgruppe aus 26 europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen hat in dem vierjährigen EU-Projekt „FIThydro, Fishfriendly Innovative Technologies for Hydropower“, kurz „FIThydro“, die Auswirkung der Wasserkraftwerke auf die Ökosysteme und besonders auf Fische an 17 Standorten in acht Ländern untersucht. „Uns war wichtig, dass diese Standorte die Vielfalt der geografischen, hydromorphologischen und klimatischen Bedingungen wiederspiegeln, damit unsere Ergebnisse auf unterschiedliche Wasserkraftwerke in Europa anwendbar sind“, erklärt Rutschmann. Die Projektpartner untersuchten an den Teststandorten und in Laboren zunächst existierende Methoden, Technologien und Ansätze zur Bewertung von Auswirkungen der Kraftwerke sowie mögliche Schutzmaßnahmen. „Wir wollten feststellen, wo es noch Wissenslücken gibt und wie wir diese Werkzeuge weiterentwickeln können“, sagt Rutschmann.

Gefährdungsindex für Fischpopulationen

Ein Beispiel ist der Gefährdungsindex für europäische Fischarten durch die Wasserkraftnutzung, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TUM-Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei entwickelten. Sie sammelten zunächst Daten wie Lebensdauer, Reproduktionszahl und Wanderverhalten der Fische sowie deren Anforderungen an den Lebensraum, wie zum Beispiel die Temperatur und Fließgeschwindigkeit des Gewässers. Mit Hilfe dieser Daten wurden Toleranzschwellen für die Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf einzelne Fischarten ermittelt. Diese können von Wasserkraftwerksbetreibern dazu genutzt werden, Schutzmaßnahmen zu evaluieren und zu planen.

Auch was den Fischaufstieg und -abstieg betrifft, existieren noch Wissenslücken. Etwa welche Fischtreppe für welche Arten geeignet ist oder welche Bedingungen dazu beitragen, dass die Fische den Einstieg finden. Schwimmen sie beim Fischabstieg durch die Turbinen, können sie nicht nur durch die Turbinenblätter verletzt werden, es wirkt auch ein enormer Druckabfall auf sie. High-Tech-Sensoren, die von der Tallinn University of Technology entwickelt wurden, und neue Simulationsmodelle ermöglichen nun die genaue Untersuchung dieser Faktoren. Mithilfe dieser Ergebnisse kann etwa der Betrieb von Wasserkraftwerken während der Fischwanderung angepasst werden.

Entscheidungshilfen für Wasserkraftwerks-Betreiber

Der zweite Teil des Projekts beschäftigte sich mit möglichen Maßnahmen, die Kraftwerke nachzurüsten – und mit Entscheidungshilfen für die Betreiberinnen und Betreiber alter sowie Planerinnen und Planer neuer Wasserkraftwerke. „Diese Entscheidungen sind sehr komplex“, sagt Rutschmann. „Das Kraftwerk und die standortspezifischen Bedingungen spielen eine Rolle, aber es müssen auch die gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene eingehalten werden. Für die Betreiber ist es natürlich wichtig, dass die Maßnahmen effektiv und kosteneffizient sind.“

Die Lehrstühle für Produktions- und Ressourcenökonomie und für Aquatische Systembiologie der TUM haben in Zusammenarbeit mit der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF daher eine systematische Kostenanalyse erstellt. Die Kostenübersicht beinhaltet unter anderem Daten zur Fließgewässerrenaturierung, Fischwanderhilfen, Fischschutzeinrichtungen sowie dem Sedimentmanagement. Diese Übersicht hilft dabei, die bestmöglichen und kostengünstigsten Lösungen zur Minimierung der Auswirkungen eines Wasserkraftwerkes zu finden.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität München via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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