Auf der Spur neuartiger Krankheitserreger bei Wildtieren
Bio-News vom 13.10.2020
Die Artenvielfalt von Zoo- und Wildtieren spiegelt sich in der Verschiedenartigkeit ihrer Krankheitserreger wider. Leider ist das Wissen sehr begrenzt und ihr Nachweis oft schwierig. Bei der für Menschen und Tiere bedeutenden Bakterienfamilie der Streptokokken ist die Wildtierforschung nun einen Schritt vorangekommen.
Ein Forscherteam unter Leitung von Kristin Mühldorfer vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und Tobias Eisenberg vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) untersuchte die Ursachen von schweren Atemwegserkrankungen bei Nabelschweinen und charakterisierte eine neue Streptokokkenart (Streptococcus catagoni sp. nov.) taxonomisch anhand ihrer phänotypischen und genetischen Eigenschaften. Die im „International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology“ veröffentlichten Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis und der sicheren Identifizierung der neuen Bakterienart bei.
Publikation:
Mühldorfer K, Szentiks CA, Wibbelt G, van der Linden M, Ewers C, Semmler T, Akimkin V, Blom J, Rau J, Eisenberg T
Streptococcus catagoni sp. nov., isolated from the respiratory tract of diseased Chacoan peccaries (Catagonus wagneri)
International Journal of Systematics and Evolutionary Microbiology
Die Familie der Streptokokken beinhaltet natürlich auf der Haut und den Schleimhäuten vorkommende Bakterien und bedeutende Krankheitserreger. Neben Streptokokkenarten, die bei Menschen und verschiedenen Wirbeltieren vorkommen, enthält die Familie Arten, die eine Anpassung an bestimmte Wirte oder Lebensräume zeigen und nur dort nachgewiesen wurden. Dazu gehören Streptococcus castoreus bei Bibern, Streptococcus didelphis bei bestimmten Beuteltierarten oder Streptococcus phocae bei Meeressäugern und Fischen.
Die Autorinnen und Autoren untersuchten eine bisher unbekannte Streptokokkenart genauer, die in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in einer zoologischen Haltung von Chaco-Pekaris (Catagonus wagneri) zu schweren Erkrankungen geführt hat. Betroffen waren vor allem Tiere im ersten Lebensjahr, die eitrige Infektionen der oberen und unteren Atemwege zeigten. Mindestens fünf Pekaris verstarben an der Infektion. Die neue Bakterienart wurde nach ihrer Herkunft als Streptococcus catagoni sp. nov. benannt.
Es sind die ersten bestätigten Fälle bei Chaco-Pekaris“, sagt Dr. Kristin Mühldorfer, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW. Das Chaco-Pekari ist eine stark gefährdete Art, die eine stete Abnahme der Populationsgröße zeigt. „Leider kennen wir oft nicht die Bedeutung von Infektionskrankheiten in Wildtierpopulationen und die beteiligten Krankheitserreger“, so Mühldorfer. Die Gründe liegen in der Artenvielfalt, fehlenden Erkenntnissen zum Gesundheitszustand und in der eingeschränkten Erreichbarkeit der Tiere in ihren Lebensräumen.
Neuartige Infektionserreger werden bei Zoo- und Wildtieren häufiger beobachtet. Doch diese Erreger können mit etablierten Testsystemen und Datenbanken oft nicht identifiziert werden, womit sich der zeitliche und methodische Aufwand der Labore erheblich steigert. Die MALDI-TOF Massenspektrometrie bietet hier eine gute Lösung, da die Identifizierung der Bakterien über neu definierte Referenzspektren schnell und verlässlich erfolgen kann. Die Datenbankeinträge für Streptococcus catagoni wurden am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart erstellt und können über die MALDI-TOF MS User Plattform ausgetauscht werden.
„Wir freuen uns über die gelungene Zusammenarbeit der beteiligten Institute, die wir zukünftig gerne fortsetzen möchten“, sagen Kristin Mühldorfer und Tobias Eisenberg. Das Ziel der Forschenden ist es, Erkenntnisse über bakterielle Infektionserreger von Wildtieren zu sammeln, und deren Vorkommen und Bedeutung in bestimmten Arten zu untersuchen. Moderne Ansätze in der Wildtierforschung fördern den Nachweis von Krankheitserregern und die Entwicklung geeigneter diagnostischer Verfahren, um bestehende Grenzen zu überwinden und Artenschutzbemühungen zu unterstützen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.