Des Wasserflohs Verteidigung gegen fleischfressende Pflanzen
Bio-News vom 13.07.2022
Wasserflöhe sind Meister der Anpassung! Dass sie sich nicht nur gegen Tiere, sondern auch gegen fleischfressende Pflanzen zur Wehr setzen können, haben Forschende nun herausgefunden. Sie zeigten, dass Wasserflöhe in Anwesenheit der Wasserpflanze Utricularia (Wasserschlauch) langsamer schwimmen und seitliche Dornen entwickeln. Beides erschwert anscheinend das Einsaugen in die Fallen der fleischfressenden Pflanze.
Die Fallen der Wasserpflanze Utricularia werden durch Bewegungen ausgelöst. Sie saugen die Beute innerhalb von wenigen Millisekunden ein und verdauen sie. Eine Pflanze kann viele Fallen ausbilden und auch mehrere Tiere auf einmal fangen. „Dadurch entsteht ein sehr hoher Fraßdruck“, sind sich Simon Poppinga und Thomas Speck einig. Die Forschenden der drei Universitäten wollten wissen, ob sich die wehrhaften Wasserflöhe gegen solche Angriffe durch Pflanzen verteidigen.
Publikation:
Sebastian Kruppert, Martin Horstmann, Linda C. Weiss, Elena Konopka, Nadja Kubitza, Simon Poppinga, Anna S. Westermeier, Thomas Speck, Ralph Tollrian
Facing the green threat: A water flea’s defenses against a carnivorous plant
nternational Journal of Molecular Sciences (2022)
DOI: 10.3390/ijms23126474
Sie suchten zunächst natürliche Lebensräume, in denen Pflanzen und Wasserflöhe zusammenleben. In Gelsenkirchen wurden sie fündig. Das Team isolierte mehrere Individuen aus dem Freiland und versuchte, sie im Labor zu vermehren. Wasserflöhe sind parthenogenetisch: Sie erzeugen genetisch identische Nachkommen, also Klone von sich selbst. Die klonale Linie mit der Bezeichnung „04“ ließ sich gut kultivieren. Aufgrund der geografischen Nähe zum Fußballstadion nannten die Forschenden sie S04.
Uns war zuvor kein anderer Fall bekannt, in dem sich Tiere gegen Angriffe von Pflanzen verteidigen können.
Ralph Tollrian, Ruhr-Universität Bochum
Anwesenheit von Wasserpflanze lässt Fortsätze länger werden
Im Labor kultivierten die Forschenden S04 gemeinsam mit der Wasserpflanze, zunächst durch ein feines Gitter getrennt. Auf diese Weise konnten die Tiere nicht direkt mit der Pflanze in Kontakt kommen und schwebten nicht in Gefahr – sie konnten aber über chemische Botenstoffe die Anwesenheit des Fressfeinds wahrnehmen. Wasserflöhe, die so lebten, bildeten längere Fortsätze an ihrem Panzer aus und waren zudem kleiner.
Außerdem maßen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Schwimmgeschwindigkeit. Wasserflöhe, die in Anwesenheit der Pflanze lebten, bewegten sich langsamer als solche, die ohne Pflanze aufwuchsen. Hatten die Tiere die Wahl, mieden sie die Nähe zu den Wasserpflanzen. „Dies zeigt, dass die sonst genetisch identischen Tiere Verteidigungen nur aktivieren, wenn sie diese brauchen, weil sie mit den Pflanzen aufwachsen,“ sagt Sebastian Kruppert.
Verteidigte Tiere werden seltener gefressen
Dieses veränderte Verhalten und die Anpassungen im Körperbau zeigten Wirkung. Das Team verglich, wie häufig Tiere, die ohne die Pflanze aufgewachsen waren, gefressen wurden im Vergleich zu Tieren, die der Pflanze ausgesetzt waren. Tatsächlich wurden letztere seltener gefressen. „Das weist darauf hin, dass die anschaltbaren Anpassungen tatsächlich Verteidigungen gegen die Pflanze sind“, folgert Sebastian Kruppert.
„Wir gehen davon aus, dass die Fortsätze die Wasserflöhe breiter machen als den Durchmesser der Saugfalleneingänge“, schildert Martin Horstmann. „Die Fallen sind zwar unterschiedlich groß, aber zumindest von den kleineren Fallen können die Tiere dann nicht mehr gefressen werden.“ Da die verteidigten Wasserflöhe zudem schlanker sind, kann der Wassersog wohl leichter an ihnen vorbeiströmen. Hinzu kommen die langsameren Schwimmbewegungen, die die Fallen wahrscheinlich seltener triggern.
„Uns war zuvor kein anderer Fall bekannt, in dem sich Tiere gegen Angriffe von Pflanzen verteidigen können“, hebt Ralph Tollrian die Besonderheit der Entdeckung hervor. „Dass dann auch noch verschiedene Verteidigungen wie Verhaltensanpassungen und Veränderungen im Körperbau zugleich zu beobachten sind, zeigt, wie wandlungsfähig und faszinierend diese winzigen Tiere sind.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert vom Joint Research Network on Advanced Materials and Systems, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (409126405, SFB/Transregio 141).
Weitere Unterstützung kam durch das Projekt „Bio-inspirierte elastische Materialsysteme und Verbundkomponenten für nachhaltiges Bauen im 21ten Jahrhundert“ (BioElast), das im Rahmen des Programms “Zukunftsoffensive IV Innovation und Exzellenz – Aufbau und Stärkung der Forschungsinfrastruktur im Bereich der Mikro- und Nanotechnologie sowie der neuen Materialien” des Wissenschaftsministeriums von Baden-Württemberg gefördert wird.
Außerdem unterstützte die Studienstiftung des deutschen Volkes die Arbeiten.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Ruhr-Universität Bochum via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.