Die Kehrseite des Glücks: Larven auf Entzug



Bio-News vom 21.03.2018

Vermutlich hat es jeder schon einmal erlebt: Wenn man sich verliebt, schwebt man auf Wolke 7. Geht die Beziehung zu Ende, folgt oftmals Liebeskummer. Allgemein verknüpfen sowohl Menschen als auch Tiere das Glück des Anfangs und den Kummer des Endes schöner Erfahrungen mit der Situation, in der sie erlebt wurden. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) hat nun herausgefunden, dass diese Lernprozesse durch die Aktivierung ein- und derselben Dopamin-Neurone im Gehirn vermittelt werden können. Die dazugehörige Studie ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.

Der Neurotransmitter Dopamin gilt im Volksmund als Glückshormon. Er ist als Botenstoff wichtig und vermittelt Belohnungssignale. Diese Rolle im Belohnungssystem spielt er bei Menschen und anderen Säugetieren sowie Insekten gleichermaßen. Dr. Michael Schleyer aus der Genetik-Abteilung des LIN erklärt: „Auch gute Erfahrungen haben eine Kehrseite. Der Beginn von etwas Gutem wird als positiv wahrgenommen, das Ende dagegen wird als negativ empfunden.“ Das trifft zum Beispiel bei Suchterkrankungen zu. Konsumieren Süchtige ihre Droge, fühlen sie sich gut. Lässt deren Wirkung nach, geht es ihnen aber schlechter als vorher.

„Wir wollten dieses ,Kehrseitenprinzip´ untersuchen. Unsere Experimente zeigen erstmals, dass ein- und dieselben Dopamin-Neurone sowohl den positiven Beginn als auch das negative Ende einer Belohnung vermitteln können“, erläutert Schleyer. Er arbeitet federführend in dem Kooperationsprojekt mit der Universität Konstanz, der Universität Leipzig und dem Janelia Research Campus aus den USA.

Die Wissenschaftler haben für ihre Experimente Fliegenlarven verwendet. Das Gehirn dieser Tiere ist mit seinen gerade mal 10.000 Nervenzellen einfach, aber leistungsfähig. Die Larven besitzen mit dem Pilzkörper eine Hirnstruktur, die Lern- und Gedächtnisprozesse ermöglicht. Ohne Weiteres meistern sie eine klassische Konditionierung, wie sie Pawlow mit seinen Hunden durchgeführt hat.


Dr. Michael Schleyer präsentiert den Larven in einer Petrischale einen Duft und aktiviert entweder davor oder danach Dopamin-Neurone, die ein Belohnungsgefühl vermitteln.

Publikation:


Timo Saumweber et al.
Functional architecture of reward learning in mushroom body extrinsic neurons of larval Drosophila
Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-018-03130-1



Schleyer berichtet: „Wir haben das klassische Experiment abgewandelt: Wir haben den Larven einen Geruch präsentiert und direkt danach spezifische Dopamin-Neurone künstlich mittels Optogenetik aktiviert. Die Larven haben daraufhin ein Gedächtnis für Belohnung ausgebildet, ohne dass es je eine echte Belohnung gab.“ Wenn die Forscher aber einen Geruch genau in dem Moment präsentiert haben, in dem die Aktivierung der Neurone vorbei war, bildeten die Larven ein negatives Gedächtnis aus. Der Geruch wurde ein Signal dafür, dass das Belohnungsgefühl endet. Der LIN-Wissenschaftler erklärt: „Wir wissen, dass das Dopamin-System beim Menschen eine wichtige Rolle zum Beispiel bei Suchterkrankungen spielt. Unsere Forschung kann vielleicht dazu beitragen, den Zusammenhang von Belohnung, Dopamin und Entzugserscheinungen aufzuklären.“ Die Forschungsergebnisse dieser Studie sind deshalb auch für Psychologen und Psychiater interessant.

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