Geruch


Der Geruch (lat. Olfactus, daher olfaktorische Wahrnehmung) ist die Interpretation der Sinnes-Erregungen, die von den Chemorezeptoren der Nase oder anderer Geruchsorgane an das Gehirn eines Lebewesens geliefert werden. Der Mensch kann etwa 10.000 Gerüche unterscheiden.

In einigen Gebieten der Schweiz wird für den Geruch auch das Wort Gout verwendet, was zugleich Geschmack bedeutet und mit den Wörtern Gusto und goutieren verwandt ist.

Bedeutung und Vielfalt

Der Geruchssinn wird gemeinhin für weniger wichtig gehalten als Sehen, Hören oder Tasten. Doch bedeutet sein Fehlen eine wesentliche Einbuße an Lebensqualität und würde im Tierreich den Bestand vieler Arten gefährden.

Die wahrgenommenen Riech- oder Duftstoffe dienen Lebewesen zur Identifizierung von Nahrung, von Verdorbenem (z.B. Buttersäure als Anzeichen von Fäulnis, Aasgeruch, Schwefelwasserstoff aus Fäkalien), von Artgenossen („Stallgeruch“) und von Feinden, spielen aber auch beim Sozialverhalten eine große Rolle (zum Beispiel Knoblauch). Die Geschlechtsreife oder das Paarungsverhalten von weiblichen Tieren wird den männlichen Tieren hauptsächlich durch Sexualriechstoffe signalisiert, und diese sind auch zur Kommunikation und räumlichen Orientierung ein essentielles Hilfsmittel. Die Schädlingsbekämpfung im Obstbau macht sich die Wirkung solcher Pheromone nutzbar, beispielsweise um die Paarung von Pflaumenwicklern einzuschränken. Viele Tiere setzen Duftmarken, um ihr Revier abzustecken, oder folgen wie die Ameisen der Duftspur ihrer Vorgänger zur Nahrungsquelle. Die meisten Blüten emittieren Duftstoffe, um Insekten zur Bestäubung anzulocken.

Ein Mensch kann Tausende von Gerüchen erkennen und im Gedächtnis behalten. Gerüche können wissbegierig machen und werden häufig mit Gefühlen in Verbindung gebracht, es können aber auch Emotionen die Assoziation an spezielle Gerüche hervorrufen. Die zwischenmenschliche Sympathie hat mit dem sprichwörtlichen „sich riechen können“ zu tun. Der Geruchssinn warnt Mensch und Tier außerdem vor stofflichen Gefahren. Die hochgiftige Substanz Schwefelwasserstoff (H2S) zum Beispiel hat eine sehr niedrige Geruchsschwelle. Eine andere Warnsubstanz ist Methylisoborneol, die durch den Geruch auf ihre Anwesenheit in fauligem, ungenießbarem Wasser hinweist und so vor dem Genuss der Inhaltsstoffe solcher Wässer schützt.

Das Riechen – der Sinn zur Duftwahrnehmung – hängt von genetischen und Wahrnehmungsprozessen, vom Zustand der Luft und von der Lernfähigkeit des Gehirns ab.

Klassifizierung

Eines der am häufigsten verwendeten Klassifizierungssysteme für Gerüche ist das System nach John E. Amoore, das sieben Grundgerüche unterscheidet.[1]

Grundgeruch Geruchsstoff Beispiel
campherähnlich Campher Mottengift
Moschusartig „Pentadekanolazeton“ Engelwurz
Blumenduftartig Phenylethylmethylethylkarbinol Rosenduft
Mentholartig Menthon Minze
Ätherisch 1,2-Dichlorethan Trockenreinigungsmittel
Beißend Ameisensäure Weinessig
Faul 2-Methyl-propan-2-thiol Faules Ei

Riechvorgang beim Menschen

Die Duftstoffe in der Luft gelangen beim Atmen und verstärkt beim Wittern (bewusstes Spüren) in die obere Nasenhöhle und an die Riechschleimhaut. Hier werden die Geruchsmoleküle gelöst, wodurch sie für die Zellen chemisch registrierbar werden. Dafür gibt es rund 350 verschiedene Rezeptortypen, die jeweils nur auf eine bestimmte Duftmolekülgruppe ansprechen. Aus der Kombination der angesprochenen Rezeptoren in den Zellen ergibt sich die Geruchsmischung. Wir können zwar mehrere tausend Gerüche unterscheiden, sie aber meist nicht benennen. Daher teilt man sie in sieben verschiedene Duftkategorien von blumig, ätherisch und moschusartig bis schweißig und faulig ein.

Die Riechschleimhaut hat beim Menschen auf jeder Seite etwa die Fläche einer Eurocentmünze, beim Hund ist sie rund 40-mal größer. Aus ihren Zellen ragen kleine Fortsätze (Stereozilien) mit den Geruchsrezeptoren. Sobald ein solcher Rezeptor ein zu ihm passendes Duftmolekül „einfängt“ (Schlüssel-Schloss-Prinzip), löst dies ein Aktionspotential aus, das die Zelle über ihr Axon als Nervenreiz zum Riechkolben weiterleitet.

Er schützt die Atemorgane und den ganzen Körper vor schädlichen Gasen oder löst Brechreiz aus, während angenehme Gerüche (gute Nahrungsmittel) den Speichelfluss anregen. Der Geruch ist also eng mit dem vegetativen (unbewussten) Nervensystem gekoppelt, das alle inneren Funktionen im Organismus steuert und auch das „Fühlen“ beeinflusst.

Die chemisch dauernd beanspruchten Riechzellen erneuern sich alle 60 Tage aus Basalzellen.

Stärke

Die Stärke des von verschiedenen Stoffen hervorgerufenen Geruchsempfindens ist sehr verschieden. Je höher die Konzentration eines Riechstoffes in der eingeatmeten Luft, desto stärker ist das Empfinden. Schon eine außerordentlich geringe Menge bewirkt ein Geruchsempfinden. So ist Brom noch in einer Konzentration von 33 Milligramm Brom in einem Kubikmeter Luft riechbar. Moschus wird noch wahrgenommen, wenn der Nase weniger als 1/2.000.000 Milligramm eines weingeistigen Moschusextrakts dargeboten wird; von Schwefelwasserstoff wird weniger als ein Millionstel in der Luft deutlich wahrgenommen. Der Geruchssinn vieler Tiere ist noch deutlich feiner entwickelt. Als übelriechendste Verbindungen der Welt für den Menschen gelten dabei Butylselenomercaptan und Ethylmercaptan.[2]

Mit der Dauer eines Geruchseindrucks ermüdet nach und nach die Riechschleimhaut. Halten wir uns längere Zeit in einer riechenden Luft auf, so verschwindet schließlich die Geruchswahrnehmung für den beständigen Geruch (sogenannte phasische Rezeption), ohne dass dadurch die Fähigkeit für die Wahrnehmung anderer Gerüche abnimmt. Dies ist in der stofflichen Verknüpfung begründet. Jeder Geruchsreiz (Geruchsstoff = Schlüssel) wird in einem (oder mehreren) speziellen Geruchsrezeptor (= Schloss) erkannt, der eine Reaktivierungsphase braucht; die nicht gereizten Rezeptoren mit ihren Nerven stehen weiterhin zur Verfügung. Die Bezeichnung der Gerüche als angenehm oder unangenehm, die rein individuell und willkürlich ist, beruht zum Teil auf Vorstellungen, die sich auf das Geruchsempfinden beziehen. Diese Vorstellungen wechseln schon mit den physiologischen Körperzuständen. Dem Hungrigen zum Beispiel duftet eine Speise äußerst angenehm in die Nase, während bei dem Gesättigten dadurch Widerwille erregt wird.

Soziale Bedeutung

Einige Gerüche stehen in hohem kulturellen Ansehen, wie dies für den Weihrauch als Gabe der Hl. Drei Könige gilt. Auch die Ähnlichkeit von Geruchsstoffen aus Gewürzen wie Zimt oder Vanille mit menschlichen „Pheromonen“ bringt euphorisierende Wirkung mit sich.

Oft sollen durch Parfüms unangenehme Gerüche überdeckt werden. Dazu gehören Mundgeruch (Stoffwechselprodukte von Bakterien infolge mangelnder Mundhygiene, oder von Lebensmitteln wie Knoblauch herrührend), Blähungen, Schweiß (Buttersäure enthaltend). Die Parfümproduktion ist ein bedeutsamer Wirtschaftszweig der Kosmetikindustrie. Intensive Körpergerüche, auch angelegte Parfüms, können innerhalb von Menschengruppen (Gesangschor, Schulklasse) allerdings erheblich stören, weshalb ein Parfümverbot an kanadischen, US-amerikanischen und deutschen Schulen diskutiert wird.[3]

Redensartlich sind Geruchs-Metaphern häufig, wenn unbestimmte Ablehnung ausgedrückt wird:

  • Ich kann ihn nicht riechen oder
  • Er steht in einem schlechten Ruch (altertümlich).

Physiologische Messung

Als Messverfahren für Gerüche hat sich die dynamische Olfaktometrie durchgesetzt, die in EN 13725:2003 standardisiert wird. Hierbei wird ermittelt, wie stark eine Geruchsprobe verdünnt werden muss, um die Geruchsschwelle zu erreichen, also jene Konzentration, bei der der Geruch nur noch von der Hälfte eines Panels aus Prüfern wahrgenommen wird. Dieses Verdünnungsverhältnis stellt den Zahlenwert der Geruchsstoffkonzentration dar; ihre Einheit lautet GEE („Europäische Geruchseinheit pro Kubikmeter“).

Als weitere Einheit des Geruchs wurde das Olf vorgeschlagen. Mit einem Olf wird die Verunreinigung angegeben, die eine erwachsene Person mit 1,8 Quadratmeter Hautoberfläche in sitzender Tätigkeit mit einem Hygienezustand von 0,7 Bädern pro Tag (das entspricht etwa einer Dusche/einem Bad alle 36 Stunden) erzeugt.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Hummel, Antje Welge-Luessen: Riech- und Schmeckstörungen. Thieme, Stuttgart, 2008
  • Bayerisches Landesamt für Umwelt: Gerüche und Geruchsbelästigungen. In: Bayern.de
  • Julius Bernstein: Die fünf Sinne. Leipzig 1875.
  • Thomas Braun: Chemische Sinne. In: Thomas Braun et al.: Kurzlehrbuch Physiologie. Elsevier, Urban & Fischer, 2007.
  • Renate Cervinka, Ernst Neudorfer: Psychometrische Erfassung der Geruchsbelästigung. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 65(6), S. 271–274 (2005), ISSN 0949-8036.
  • Cloquet: Osphresiologie oder Lehre von den Gerüchen, von dem Geruchssinn etc. Weimar 1824.
  • Hack: Riechen und Geruchsorgan. Wiesbaden 1885.
  • Hannah Monyer: Im Dschungel der Düfte In: Magazin der Universität Heidelberg Ruperto Carola 3/2005
  • Tim C. Pearce et al. Nagle (Herausgeber): Handbook of Machine Olfaction. Electronic Nose Technology, Wiley-VCH, Wiesbaden 2002, ISBN 3-527-30358-8.
  • Jürgen Raab: Soziologie des Geruchs. UVK, 2001, ISBN 3-89669-980-6.
  • von Vintschgau: Physiologie des Geruchssinns. In: Hermann: „Handbuch der Physiologie“. Leipzig 1880.
kulturhistorische Darstellungen
  • Alain Corbin: Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs. Fischer, Frankfurt am Main 1993. ISBN 978-3596244027
  • Constance Classen, David Howes, Anthony Synnott,: Aroma. The cultural history of smell. Routledge, London 1994, ISBN 978-0415114721.

Weblinks

Wiktionary: Geruch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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