Axon


Aufbau einer Nervenzelle

Das (oder selten der) Axon (von altgr. ὁ ἄξων ho áxon ‚Achse‘), auch Neuraxon, Achsenzylinder[1] genannt, ist ein röhrenförmiger, faserartiger Nervenzellfortsatz (Neurit), der nicht oder nur sehr wenig verzweigt ist, wobei die Verzweigungen als Kollaterale bezeichnet werden.[2]

Die meisten Nervenzellen (Neuronen) besitzen ein Axon. Es gibt aber auch Nervenzellen, die überhaupt kein Axon besitzen, z. B. die Amakrinzellen der Netzhaut.[3]

Anatomie des Axons

Das Axon wird in folgende Abschnitte eingeteilt:[4]

  • Ursprungskegel / Axonhügel

Das Axon beginnt am pyramidenförmigen Axonhügel, der unmittelbar an das Perikaryon anschließt; dieser Bereich ist frei von Nissl-Substanz.

  • Initialsegment

Das kurze Initialsegment des Axons ist stets ohne Hülle. Da die Erregungsschwelle des Plasmalemms des Anfangssegments extrem niedrig ist, nimmt hier die Fortleitung der Erregung ihren Ausgang.

  • Hauptverlaufsstrecke

Die Hauptverlaufsstrecke des Axons kann Abzweigungen aufweisen, die als Kollaterale bezeichnet werden.

  • Endverzweigung

Am Ende ist das Axon mitunter baumartig verzweigt; Telodendron genannt. Durch sie kann eine Nervenzelle mit mehreren anderen Nervenzellen bzw. Effektoren in Verbindung stehen. Die Telodendrien enden in einer Vielzahl von Endabschnitten, den präsynaptischen Endigung (auch als Axonterminale, Endkolben oder Boutons bezeichnet), die den präsynaptischen Teil der Synapse darstellen.

Es gibt Axone mit einer Länge von weniger als einem Millimeter; sie können aber auch länger als ein Meter sein – insbesondere beim Menschen die im Rückenmark liegenden motorischen Nervenzellen, die die Fußmuskulatur innervieren.[3] Ihr Durchmesser liegt zwischen 0,05 und 20 µm und bleibt über die gesamte Länge relativ konstant.[2]

Die Biomembran, die das Axon der Nervenzelle umgibt, nennt man Axolemm. Die Einheit aus Axon und den ihm anliegenden Hüllstrukturen (Axolemm) nennt man Nervenfaser.[5] Das Zytoplasma wird Axoplasma genannt.

Im Zytoplasma eines Axons finden sich Mitochondrien und Vesikel; von wenigen Ausnahmen abgesehen gibt es im Axon weder Ribosomen noch raues endoplasmatisches Retikulum. Erhalt und Funktion des Axons sind deshalb vollständig von der Proteinsynthese im Zellkörper abhängig. Bei Durchtrennung kommt es zum Absterben, siehe Abschnitt Axotomie.[3]

Wie auch die Dendriten enthalten Axone Neurofilamente und Neurotubuli. Ein axonaler Mikrotubulus unterscheidet sich aber von den dendritischen durch die ihnen assoziierten Proteine und auf Grund ihrer Orientierung. Alle axonalen Mikrotubuli sind mit ihrem Plus-Ende (dem wachsenden Ende) zum Axonende hin orientiert. Beim Dendrit kann das Plus-Ende sowohl im Fortsatzende als auch im Zellkörper liegen.

Neuronale Entwicklung

Das Axonwachstum beginnt direkt mit der Aggregation. Sowohl wachsende Axone als auch Dendriten besitzen einen Wachstumskegel mit fingerartigen Ausläufern (Filopodien). Diese Ausläufer „suchen tastend“ nach dem Weg.

  • Chemoaffinitätshypothese

Diese Hypothese geht von chemothrophen Faktoren aus, die von den Zielzellen emittiert werden. Das Phänomen wurde zuerst am Nervus opticus (Sehnerv) des Frosches nachgewiesen.[6]

Beruht auf Signalen, die von Axonen emittiert werden und sorgen dafür, dass nachwachsende Axone eine Affinität für den selben Weg aufweisen.

Myelinisierung

Man unterscheidet myelinisierte und nicht myelinisierte Axone. Die Myelinschicht myelinisierter Axone wird im zentralen Nervensystem (ZNS) von den Oligodendrozyten und im peripheren Nervensystem (PNS) von den Schwann’schen Zellen gebildet. Sie ermöglicht die Saltatorische Erregungsleitung des Aktionspotentials, die deutlich weniger Energie benötigt, ein dünneres Axon ermöglicht (Platz- und Material-Ersparnis) und schneller ist, als die der kontinuierlichen Weiterleitung. Durch die Myelinschicht springen die Erregungen bzw. Aktionspotentiale von Kettenglied zu Kettenglied.

Bekanntheit erlangte in den 1960ern die Untersuchung der Riesenaxone des Tintenfischs durch Alan Lloyd Hodgkin, Sir John Carew Eccles sowie Andrew Fielding Huxley (die 1963 für ihre Arbeit den Nobelpreis gewannen). Diese ist in der Regel 100- bis 1000-mal dicker als bei Säugetieren und erreichen einen Durchmesser von bis zu 1 mm. Diese enorme Dicke der Axone ist für Tintenfische nötig, um eine schnelle Erregungsleitung zu ermöglichen, da sie im Gegensatz zu Wirbeltieren über keine myelinisierten Axone verfügen. Durch den größeren Axonquerschnitt wird der Längswiderstand (Innenwiderstand) des Axons geringer, sodass der elektrotonische Stromfluss von erregtem zu unerregtem Faserareal schneller erfolgen kann.

Je nach Leitungsgeschwindigkeit und Dicke wurden verschiedene Typen von Nervenfasern klassifiziert (Siehe Einteilung nach Leitungsgeschwindigkeit nach Erlanger/Gasser und Nervenleitgeschwindigkeit).

Aufgaben

Das Axon leitet elektrische Nervenimpulse vom Zellkörper (Perikaryon oder Soma) weg. Die Weitergabe von Nervenzelle zu Nervenzelle bzw. an das Erfolgsorgan erfolgt jedoch nicht elektrisch, sondern chemisch. Am Synapsenkopf werden chemische Botenstoffe (Neurotransmitter) ausgeschüttet, die einen Rezeptor erregen. Dieser Vorgang ist nicht umkehrbar.

Es wird unterschieden in afferente und efferente Axone.[2] Afferente Neurite leiten Information von den Sinnesorganen zum ZNS hin. Man unterscheidet noch einmal in somatische (von der Körperoberfläche) und viszerale (aus dem Eingeweiden) Afferenzen. Efferente Neurite hingegen leiten Impulse vom ZNS zu den peripheren Effektoren (z. B. Muskeln, Drüsen); auch diese lassen sich in somatische (motorische Nervenbahnen zur Skelettmuskulatur) und viszerale (glatte Muskulatur, Herzmuskulatur) unterscheiden.

Axonaler Transport

Neben der Weiterleitung elektrischer Signale findet im Axon auch Stofftransport statt. Man unterscheidet einen langsamen axonalen Transport, der nur in einer Richtung, vom Zellkörper (Soma) zum peripheren Ende des Axons, verläuft, und einen schnellen axonalen Transport, der in beiden Richtungen stattfindet – sowohl anterograder als auch retrograder Transport.

Geschichte

Frühe Untersuchungen zu intrazellulären Ableitungen im Nervensystem wurden in den 1930ern von K. Cole and H. Curtis durchgeführt. Dem deutschen Anatomen Otto Deiters wird allgemein eingeräumt als erster das Axon von den Dendriten unterschieden zu haben. Der Schweizer Albert von Kölliker und der Deutsche Robert Remak waren die ersten, die das Initialsegment identifizierten und beschrieben.

Krankheiten und Verletzungen

Axotomie und Degeneration

Unter Axotomie versteht man die Durchtrennung eines Axons. Das kann infolge eines Unfalls passieren oder ist Teil von kontrollierten Tierexperimenten. Die Kontrollierte Durchtrennung von Axonen führte zur Identifikation von zwei Arten neuronaler Degeneration. Siehe auch Neuronale Plastizität, Apoptose, Nekrose.

  • Anterograde Degeneration

Ist die Degeneration der fernen (distalen) Anteils des betroffenen Neurons, d. h. des Axon-Endes inkl. der Kollateralen. Diese tritt schnell ein, da der distale Abschnitt vom metabolischen Zentrum getrennt ist.

  • Retrograde Degeneration

Falls die durchtrennte Stelle nah am Zellkörper gelegen ist, kann es zur Degeneration des nahen (proximalen) Segments kommen. Die verläuft langsamer und äußert sich nach zwei bis drei Tagen durch degenerative oder regenerative Veränderungen des Neurons. Der Verlauf hängt entscheidend davon ab, ob das Neuron synaptischen Kontakt mit einer Zielzelle aufnehmen kann

Im schlimmsten Fall können auch angrenzende Neurone degenerieren. Je nach Lage der dann zusätzlich betroffenen Neurone spricht man hier von anterograder bzw. retrograder transneuraler Degeneration.

Regeneration

Die Fähigkeit des zielgenauen Axonwachstums während der ursprünglichen Entwicklung des Nervensystems geht im ausgereiften menschlichen Gehirn verloren. Neuroregeneration findet im ZNS also nicht statt. Abgestorbene Neurone werden durch Gliazellen (Astrozyten) ersetzt und es entstehen sog. Glianarben.[7]

Neuroregeneration im PNS beginnt in der Regel zwei bis drei Tage nach Verletzung des Axons und hängt entscheidend von der Art der Verletzung des Neurons ab:[7]

  • Myelinscheiden intakt (Quetschung): Nachwachsen zum ursprünglichen Zielort 2-3 mm pro Tag: völlige funktionale Regeneration
  • Durchtrennte Enden nah beieinander: Nachwachsen in falsche Myelinscheiden möglich, allerdings zum falschen Zielort (schwierige funktionale Regeneration)
  • Durchtrennte Enden weit entfernt bzw. großflächiger Schaden: keine funktionelle Regeneration

Demyelinisierende Erkrankungen

Demyelinisierende Erkrankungen (Entmarkungskrankheiten) führen dazu, dass die Axone im ZNS ihr Myelin verlieren und somit die Marksubstanz zerstört wird. Das ist z. B. bei Multiple Sklerose (MS), der Baló-Krankheit, akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) oder Neuromyelitis optica (Devic-Syndrom) der Fall.

Einzelnachweise

  1. Achsenzylinder – Definition bei imedo.de
  2. 2,0 2,1 2,2 Clemens Kirschbaum: Biopsychologie von A bis Z. Springer-Lehrbuch, ISBN 3540396039, S. 30/31 Lemma „Axon (afferent/effernz)“
  3. 3,0 3,1 3,2 Luiz Carlos Junqueira (Autor), José Carneiro (Autor), Manfred Gratzl (Herausgeber): Histologie: Neue Approbationsordnung. Springer, Berlin; Auflage: 6., neu übers. überarb.A. (15. September 2004). ISBN 354021965X, Seite 112/113
  4. Theodor H. Schiebler, Horst-W. Korf: Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie. Steinkopff; Auflage: 10., vollst. überarb. Aufl. (21. September 2007), ISBN 3798517703, Seite 72
  5. Axon – Artikel bei flexikon.doccheck.com
  6. Clemens Kirschbaum: Biopsychologie von A bis Z. Springer-Lehrbuch, ISBN 3540396039, S. 49 Lemma „Chemoaffinitätshypothese“
  7. 7,0 7,1 John P. J. Pinel, Paul Pauli: Biopsychologie, PEARSON STUDIUM; Auflage: 6., aktualis. Aufl. (29. Mai 2007), S. 327

Weblinks

Commons: Axon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Axon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Axon – Artikel bei flexikon.doccheck.com
  • Axon – Artikel bei wissenschaft-online.de

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