Wie Bienen riechen
Bio-News vom 07.02.2013
Gerüche spielen im Leben von Honigbienen eine enorm große Rolle. Dementsprechend gut muss ihr Nervensystem die entsprechenden Informationen verarbeiten können.
Tatsächlich sind die Tiere in der Lage, die Daten parallel zu verarbeiten, wie Forscher vom Biozentrum jetzt erstmals nachweisen konnten. Auf der Suche nach nektar- und pollenhaltigen Blüten müssen Honigbienen (Apis mellifera) schnell reagieren. Fangen ihre Duftrezeptoren auf den Antennen im Vorbeiflug eine winzige Duftspur auf, müssen die Tiere innerhalb kürzester Zeit erkennen, um welchen Duft es sich handelt und wo er ausgesendet wurde. Nur so sind sie in der Lage, die richtige Entscheidung für die entsprechende Blüte zu treffen. Auch sonst ist die Biene in ihrem Alltag zu einem hohen Grad davon abhängig, dass sie Düfte erkennen und klassifizieren kann: Die Tiere kommunizieren über Duftstoffe miteinander, sie unterscheiden Freund von Feind anhand des typischen „Stockgeruchs“ und sie orientieren sich entlang von Duftspuren.
Publikation:
Martin F. Brill, Tobias Rosenbaum, Isabelle Reus, Christoph J. Kleineidam, Martin P. Nawrot und Wolfgang Rössler
Parallel Processing via a Dual Olfactory Pathway in the Honeybee
Journal of Neuroscience. 6. Februar 2013
DOI: 10.1523/JNEUROSCI.4268-12.2013
Damit sie all diese Geruchsinformationen schnell und zuverlässig verarbeiten können, haben Honigbienen spezielle Strukturen und extrem effiziente Verarbeitungsprozesse entwickelt. Der strukturelle Aufbau dieses Geruchssystems ist schon seit Längerem bis in kleinste Details geklärt; Unklarheit bestand bislang über den Informationsfluss innerhalb dieser Strukturen. Das hat sich jetzt geändert: Wissenschaftler der Universität Würzburg haben gemeinsam mit Kollegen der FU Berlin Antworten auf bisher ungelöste Fragen gefunden.
Parallele Datenverarbeitung
„Wir konnten nachweisen, dass Honigbienen Geruchsinformationen im Gehirn parallel verarbeiten. Unterschiedliche Parameter der gleichen Information transportieren die Tiere entlang getrennter Bahnen, was die Verarbeitungsgeschwindigkeit beträchtlich erhöht“, sagt Professor Wolfgang Rößler, Inhaber des Lehrstuhls für Zoologie II der Universität Würzburg. Gemeinsam mit seinem Doktoranden Martin Brill hat er in den vergangenen zwei Jahren die entscheidenden Experimente durchgeführt.
Parallele Verarbeitung: Das kennt die Wissenschaft schon von anderen sensorischen Systemen, beispielsweise dem Sehen. Dabei werden die Informationen, die auf die Netzhaut des Auges treffen, in unterschiedliche Komponenten zerlegt – Farbe, Kontrast, Bewegung, Ort – und auf getrennten Kanälen zur Weiterverarbeitung ins Gehirn geschickt. Auch bei Bienen war die Existenz zweier solcher Kanäle bekannt; in ihrem Fall allerdings im Geruchssystem. Unklar war dabei, ob diese tatsächlich parallel arbeiteten. „Es wäre genauso gut möglich gewesen, dass diese Strukturen sich allein darin unterscheiden, dass sie für unterschiedliche Düfte zuständig sind“, so Rößler.
Das Geruchssystem der Biene
Etwa 60.000 Duftrezeptoren sitzen auf den beiden Antennen der Honigbiene. Von dort laufen die Informationen in den sogenannten Antennenloben, wo in rund 160 kugelförmigen Strukturen, den olfaktorischen Glomeruli, eine erste Verarbeitung stattfindet. Entlang zweier Nervenstränge, die aus vielen einzelnen Nervenzellen bestehen, schickt die Biene dann die Daten in höhere Strukturen – den Pilzkörper und das laterale Horn. Dort werden sie weiter verarbeitet. Diesen beiden Nervensträngen galt das Augenmerk der Würzburger Wissenschaftler.
„Bei früheren Untersuchungen konnte immer nur die Aktivität in einem dieser Nervenstränge gemessen werden“, erklärt Martin Brill. Somit war es unmöglich zu entscheiden, ob die Informationen parallel verarbeitet werden. Die Wissenschaftler mussten deshalb erst einmal eine Apparatur entwickeln, die synchrone Messungen in beiden Strängen ermöglicht, nämlich die Multi-Unit Recording Technik. Spezielle Verstärker waren nötig, um die Signale lesen zu können, und eine spezielle Software zur Steuerung dieser Prozesse.
Das Experiment
„Ziemlich mühsam“ sei der Einstieg in die Untersuchungen deshalb gewesen, erinnert sich Brill. Allein die Vorarbeiten hätten sich über rund zwei Jahre hingezogen. Von dem Moment an, ab dem die Technik stand, liefen die Experimente jedoch zur Zufriedenheit der Wissenschaftler. Innerhalb kürzester Zeit konnten sie einen gewaltigen Schatz an Daten sammeln. Bei dessen Auswertung wurden sie unterstützt von dem Neuroinformatiker Martin Nawrot (FU Berlin / Bernstein Center für Computational Neuroscience Berlin).
In ihren Experimenten haben Rößler und Brill Bienen unterschiedlichste Gerüche präsentiert: mal typische Blumendüfte, mal Pheromone – also Botenstoffe, mit denen die Tiere kommunizieren, mal soziale Gerüche aus der Alltagsumwelt einer Honigbiene: Wachs, Honig, verlassene Waben. Währenddessen haben sie mit extrem feinen Sonden, selbst gebaute Elektroden aus Drähten deren Durchmesser (15µm) gerade einmal dem Fünftel eines menschlichen Haares entspricht, die Aktivität vieler Nervenzellen in beiden Nervenstränge gemessen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen
„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass beide Nervenstränge in einem weiten Bereich überlappende Aktivitätsmuster zeigen. Das spricht dafür, dass die Informationen parallel verarbeitet werden“, fasst Wolfgang Rößler die Ergebnisse zusammen. Damit sei die Vermutung widerlegt, die Stränge könnten für unterschiedliche Dufttypen zuständig sein.
Allerdings fanden die Wissenschaftler auch Unterschiede zwischen den Strängen: So leitet der eine sehr allgemein Informationen weiter – jede einzelne Nervenzelle, aus denen er sich zusammensetzt, reagiert auf viele unterschiedliche Düfte. Der andere arbeitet sehr viel spezifischer: Hier ist eine Nervenzelle für jeweils einen Duft oder wenige Düfte zuständig. Dafür geht es auf diesem Pfad etwas langsamer – wenn auch nur im Millisekundenbereich.
Die „Was-Bahn“ und die „Wann-Bahn“: So haben die Wissenschaftler die beiden Nervenpfade benannt. Während die eine Bahn der Biene sagt, welchen Duft sie gerade wahrnimmt, liefert die andere Bahn die dazugehörige zeitliche Information. Aus ihr kann das Tier herauslesen, wo genau der Duft herkommt.
Weitere Arbeiten notwendig
Das Verarbeitungsprinzip eignet sich nach Rößlers Worten möglicherweise auch besonders gut dazu, Duftmischungen in kürzester Zeit zu analysieren. Das ist für Bienen von besonderer Bedeutung, da jeder Bienenstock seinen eigenen, für ihn typischen Geruch besitzt. Dafür verantwortlich sind zwar eine Größenordnung von etwa 25 Substanzen auf der Körperoberfläche; sie unterscheiden sich aber von Volk zu Volk durch ihr jeweiliges Mischungsverhältnis. Ob Bienen tatsächlich Duftmischungen über die Parallelverarbeitung besonders gut erkennen können, ist allerdings noch eine Hypothese, die in Zukunft überprüft werden müsse, so Rößler.
Überhaupt warnt Rößler vor allzu großer Euphorie: Der „olfaktorische Code“ sei mit dieser Arbeit noch nicht geknackt. Aber ein wichtiger Schritt in dieser Richtung sei geschafft.